Recht und Kapitalmarkt

Manager zunehmend im Fadenkreuz der Haftung

"Übersteigerter Gläubigerschutz" engt unternehmerische Handlungsfreiheit ein - Problematisch für den Standort

Manager zunehmend im Fadenkreuz der Haftung

Von Lars Kutzner *)Wenn Vorstände, Geschäftsführer oder leitende Mitarbeiter deutscher Unternehmen bisher in Kontakt mit den staatlichen Strafverfolgungsorganen gerieten, dann in aller Regel als Vertreter des durch Dritte geschädigten Unternehmens. Heutzutage, dies haben u. a. die Verfahren in Sachen Bremer Vulkan und Mannesmann/Vodafone gezeigt, trifft man sie – und zunehmend Aufsichtsräte – auch schon einmal als Angeklagte vor Gericht wieder. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten lässt sich nicht verhehlen, dass der Druck, die eigene Firma gut am Markt zu positionieren, wächst. Je größer der Druck, desto eher wird man bereit sein, die Grenzen unternehmerischen Handelns neu auszuloten. Zudem lassen sich die Strafverfolger nicht mehr durch vermeintlich große Namen oder die rechtliche Komplexität des Wirtschaftslebens beeindrucken. Das “Problemfeld Wirtschaftskriminalität”, welches noch in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts auf juristischen Fachtagungen ein exotisches Randdasein fristete, hat sich zu einem der Hauptbetätigungsfelder ambitionierter Strafverfolger entwickelt. SchwerpunktabteilungenIn Deutschland existieren bei nahezu jeder Staatsanwaltschaft inzwischen Schwerpunktabteilungen für die Bereiche Korruption, Wirtschafts- und Steuerstraftaten. Für die “neuartigen” Verfehlungen am Kapitalmarkt werden zudem weitere Schwerpunktabteilungen gebildet. Deren Einrichtung ist grundsätzlich zu befürworten und wäre an sich kein Problem, wenn die Grenzen für sowohl wirtschaftlich als auch rechtlich vertretbares Handeln von der Rechtsprechung nicht zunehmend enger gezogen würden, wobei zur Verringerung des wirtschaftlichen Spielraums noch die fehlende deutliche Erkennbarkeit der neu gezogenen Grenzen hinzutritt. Fehlende Orientierbarkeit gepaart mit steigender justizieller Verfolgungsbereitschaft. Eine für das Wirtschaftsleben geradezu fatale Paarung. In der Praxis führt dies zu einem interessanten Phänomen. Zunehmend suchen verunsicherte Manager wegen beinahe jeder Umstrukturierung oder jedes Geschäftsabschlusses ihre Anwälte auf, um sich zu vergewissern, ob das Investment noch mit deutschem Recht vereinbar ist. Dabei seien die teils komplizierten Fragen der Anwendbarkeit und möglichen Auswirkungen ausländischer Rechtsordnungen hier ausgeblendet. PräventionSorge bereitet den Ratsuchenden neben der Ungewissheit hinsichtlich möglicher zivilrechtlicher Haftungsfragen vor allem eine drohende Strafbarkeit und der Zugriff der Strafverfolgungsbehörden auf Personal und Vermögen des handelnden Unternehmens. Demgegenüber stößt der Rechtsanwalt aber auch auf Wirtschaftslenker, die bar jedes Problembewusstseins agieren. Steht dann die Steuerfahndung oder gar die Staatsanwaltschaft zwecks Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume vor der eigenen Tür, kommt die Erkenntnis, man hätte sich lieber doch präventiv beraten lassen sollen, oft zu spät. Und selbst wenn sich letztlich der erhobene strafrechtliche Vorwurf als nicht haltbar erweisen sollte, lässt sich der Imageschaden oft nicht mehr kompensieren. Dass die Furcht vor der Strafverfolgung nicht unberechtigt ist, zeigt sich vor allem an der steigenden Aufklärungsquote im Bereich der Wirtschafts- und Steuerkriminalität.Viel schwerer wiegt aber die von der Rechtsprechung betriebene Restriktion der wirtschaftlichen Handlungs- und Entscheidungsfreiheit. Die dabei lauernden strafrechtlichen Gefahren lassen sich an einer Fallkonstellation gut verdeutlichen, welche man mit dem Stichwort “zunehmend übersteigerter Gläubigerschutz” umschreiben kann. Zu diesem Bereich zählen u. a. die zivil- wie strafrechtlichen “Vulkan-Entscheidungen” des Bundesgerichtshofs. Unter konzernrechtlichen Gesichtspunkten hatte der XI. Zivilsenat zunächst die gläubigerschützende Funktion der Kapitalerhaltungsvorschriften des GmbH-Gesetzes betont. Das Mutterunternehmen steht im Falle der Beherrschung seiner Tochter im Rahmen einer Ausfallhaftung als Schuldner für Ansprüche der Gläubiger gegen die nunmehr insolvente Tochtergesellschaft ein. Problematisch ist, dass im Falle einer zumindest billigend in Kauf genommenen Gefährdung des Vermögens der Tochter, z. B. durch Einrichtung eines Cash-Pools oder sonstige konzerninterne Vermögensumschichtungen, auch die Strafbarkeit wegen Untreue aufgrund der Schädigung des Vermögens der Tochtergesellschaft droht. Dabei sei irrelevant, ob die sonst Dispositionsberechtigten Gesellschafter der fraglichen vermögensgefährdenden Handlung zugestimmt hätten. Der 5. Strafsenat hat sich nicht gescheut, die ausschließlich dem Gläubigerschutz dienenden zivilrechtlichen Schutzmechanismen zur Erhaltung des Gesellschaftsvermögens ohne Umschweife in den Schutzbereich des Straftatbestandes der Untreue nach § 266 StGB zu integrieren. Die Gleichung lautet: vorsätzlich existenzbedrohender Vermögensentzug gleich zivilrechtliche Ausfallhaftung gleich strafrechtliche Untreuehaftung.Angesichts des ohnehin weiten Wortlauts der Strafnorm des § 266 StGB ist zu erwarten, dass in Zukunft aus strafrechtlicher Sicht nicht mehr nur die Gefährdung des Stammkapitals strafrechtliche Implikationen haben wird. Auch die Strafbarkeit sonstiger vermögensschädigender Eingriffe des Mutterunternehmens in das Gesellschaftsvermögen der Tochter außerhalb der Gefährdung ihres Stammkapitals liegt nicht fern. Beunruhigend ist, dass der XI. Zivilsenat bisher betont hat, eine Ausfallhaftung käme nicht in Betracht, wenn der Gesellschaft ihr Vermögen in einem ordentlichen Verfahren (Liquidation, Insolvenz) entzogen wird. Von diesem strikten Kurs sind die Bundesrichter nun abgerückt. In zwei Entscheidungen Ende vergangenen Jahres haben sie darauf hingewiesen, auch innerhalb eines geordneten Verfahrens könne der Entzug von Produktionsmittel oder die Nichtgeltendmachung berechtigter Ansprüche zu einer Ausfallhaftung der Gläubiger gegen die herrschende Mutterfirma führen. So kann es unangenehme Folgen haben, wenn sich z. B. die Konzernmutter von einer Tochter trennen will, indem sie sie durch Kündigung von wichtigen Verträgen in die Insolvenz treibt. Dass die Gesellschaft letztlich in einem geordneten Verfahren liquidiert wird, ändere an der Herbeiführung der Existenzgefährdung und der Beeinträchtigung der Gläubigerinteressen nichts.Rechtlich problematisch ist diese Herangehensweise aber auch, weil ihre Folgen für die strafrechtliche Rechtsprechung im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts kaum abzusehen sind. Es gibt strafrechtlich relevante Bereiche der Gefährdung des Gesellschaftsvermögens, welche der Existenzgefährdung vorgelagert sind. Dazu gehören u. a. die sog. Risikogeschäfte, d. h. Rechtsgeschäfte, die ein erhöhtes Maß des Kapitalverlustes in sich tragen. Mit diesen Geschäften kann das Gesellschaftsvermögen geschädigt werden, ohne den Bestand der Gesellschaft an sich zu gefährden. Im Rahmen dieser Fallkonstellationen ging der BGH bisher davon aus, dass Risikogeschäfte unter Untreueaspekten unproblematisch sind, soweit der Vermögensbetreuungspflichtige das betreute Vermögen nicht in der Art eines Spielers aufs Spiel setzt. Kaum SpielraumHält man diese von der Rechtsprechung gezogene Grenze ohnehin schon für undeutlich genug, steht nunmehr zu befürchten, dass durch die Ausdehnung des Bereichs der strafrechtlichen Haftung wegen Existenzgefährdung aufgrund des Gläubigerschutzes auch die Spielräume im Rahmen der sog. Risikogeschäfte bzw. bei unternehmerischen Entscheidungen allgemein zunehmend enger gezogen werden. Geht man davon aus, dass die Strafsenate die restriktiven zivilrechtlichen Vorgaben der Zivilsenate entsprechend umsetzen werden, bleibt für wirtschaftlich sinnvolle Entfaltungsmöglichkeiten nicht mehr viel Platz. Zu befürchten ist, dass angesichts der geringen Schwelle für die Annahme eines Anfangsverdachts der Untreue jedenfalls ohne präventive strafrechtliche Beratung künftig mehr Manager als Beschuldigte in Strafverfahren zu sehen sein werden. Dies ist kein Positivfaktor für den Wirtschaftsstandort Deutschland.*) Dr. Lars Kutzner ist Rechtsanwalt bei Flick Gocke Schaumburg, Rechtsanwälte – Wirtschaftsprüfer – Steuerberater, in Berlin.