RECHT UND KAPITALMARKT

M&A in Zeiten von Protektionismus

Investitionskontrolle soll verschärft werden - Aktive Industriepolitik wird konsensfähig - Transaktionssicherheit zunehmend gefährdet

M&A in Zeiten von Protektionismus

Von Michael Ulmer *)Im traditionell investmentfreundlichen Deutschland kippt die Stimmung. Die Diskussion über ausländische Investitionen in Deutschland nimmt zu. Unternehmenserwerbe durch chinesische Investoren liefern Schlagzeilen. Die Angst vor einem Ausverkauf deutscher Technologie macht die Runde.Vor diesem Hintergrund entdeckt die Bundesregierung die Industriepolitik für sich. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel versuchte noch vergeblich, deutsche Käufer für den Roboter-Hersteller Kuka zu finden, um einen Verkauf von Zukunftstechnologie nach China zu verhindern. Sein Nachfolger Peter Altmeier lässt nun die staatliche KfW eine 20-Prozent-Beteiligung am Stromnetzbetreiber 50Hertz erwerben, für die sich ein chinesischer Konzern nachhaltig interessiert hatte. In seine Ägide fällt auch die ersichtlich erste Untersagungsermächtigung unter dem deutschen Investitionskontrollrecht. Der Erwerb des Werkzeugmaschinenherstellers Leifeld Metal Spinning durch einen chinesischen Investor wird nicht laufen. Auch gab Altmeier bekannt, die Beteiligung des Bundes an der Deutschen Telekom, anders als bislang beabsichtigt, weiter halten zu wollen.Das geltende Investitionskontrollrecht wird als nicht mehr ausreichend empfunden, um deutsche Interessen zu wahren. Bereits jetzt erlaubt die Außenwirtschaftsverordnung, dass der Erwerb einer Unternehmensbeteiligung durch einen EU-/Efta-Fremden ab einer Höhe von 25 % daraufhin überprüft werden kann, ob dadurch die öffentliche Ordnung oder Sicherheit in Deutschland gefährdet wird. Diese Möglichkeit wurde im Jahr 2009 geschaffen, als Investoren aus dem Mittleren Osten und Russland zunehmend in Deutschland aktiv wurden. Angewendet wurden diese Vorschriften mit marktliberaler Zurückhaltung. Eine Untersagung von Erwerben gab es bisher nicht.Seither hat die Bedeutung chinesischer Investitionen in Deutschland stark zugenommen. Nachdem auch politische Intervention den Kuka-Verkauf nicht verhindern konnte, wurde das geltende Recht 2017 verschärft. Jetzt müssen Erwerbe von als kritisch erkannter Infrastruktur in Bereichen wie Energie, IT und Telekommunikation, Transport, Gesundheit oder Finanzen angezeigt werden. Die Prüffristen wurden verlängert, die Relevanzschwelle von 25 % aber beibehalten. Dafür hat sich die Anwendungspraxis verschärft. Die Zahl der Prüfverfahren ist deutlich gestiegen und die erste Untersagungsermächtigung erteilt. Verschärfung geplantDoch selbst unter der verschärften Außenwirtschaftsverordnung ist eine unerwünschte Beteiligung an kritischer Infrastruktur nicht völlig zu verhindern. Die State Grid Corporation of China vereinbarte den Erwerb einer Beteiligung am Stromnetzbetreiber 50Hertz. Zwar handelt es sich hier um ein Paradebeispiel kritischer Infrastruktur. Mit 20 % blieb das Paket jedoch unterhalb der Eingriffsschwelle des Außenwirtschaftsrechts. Politischem Lobbying war zu verdanken, dass der Mitgesellschafter Elia sein Vorkaufsrecht ausübte und der unerwünschte Erwerb ausblieb. Als kurzfristig eine weitere 20-Prozent-Beteiligung an 50Hertz zum Verkauf stand, sagte Elia dem Bund zu, das Vorkaufsrecht erneut auszuüben. Gleichzeitig wurde vereinbart, dass die KfW Elia das Paket danach zu gleichen Konditionen abnimmt. Wieder zogen die Chinesen den Kürzeren. Ob die KfW die Anteile wie ursprünglich verkündet bald weiterverkaufen wird, erscheint vor dem Hintergrund der jüngsten Äußerungen zur Telekom-Beteiligung des Bundes fraglich.Parallel wird im Bundeswirtschaftsministerium an einer erneuten Verschärfung der Außenwirtschaftsverordnung gearbeitet. Nunmehr soll die Prüfschwelle zumindest im Bereich kritischer Infrastruktur auf 15 % oder möglicherweise noch weiter gesenkt werden. Selbst ein Absenken der Schwelle auf null wird diskutiert. Dann könnte jeglicher Beteiligungserwerb durch EU-/Efta-Fremde überprüft werden.Mit diesen protektionistischen Tendenzen steht Deutschland nicht allein. In den USA werden durch den Foreign Investment Risk Review Modernization Act die Eingriffsmöglichkeiten des Committee on Foreign Investments in the United States (CFIUS) nun auch offiziell erweitert. Dessen Eingriffspraxis hatte sich in den letzten Jahren bereits deutlich ausgeweitet. In Großbritannien steht eine Ausweitung der Investitionskontrolle ebenfalls bevor und auch im traditionell industriepolitisch aktiven Frankreich werden entsprechende Maßnahmen ergriffen.Von noch größerer Bedeutung für die Transaktionspraxis ist jedoch der Verordnungs-Vorschlag der EU-Kommission für ein europäisches Investitionskontrollverfahren. Sollte dieser in der diskutierten Form geltendes Recht werden, hätten die Mitgliedstaaten nicht nur größeren Spielraum bei der Untersagung von Beteiligungserwerben. Das ist bislang nur bei einer Gefährdung der nationalen öffentlichen Ordnung oder Sicherheit möglich. Vielmehr würde auch ein europäisches Verfahren etabliert. Dieses ermöglicht es anderen Mitgliedstaaten und auch der EU-Kommission, bei Beteiligungserwerben ihre Bedenken in nationale Prüfverfahren einzubringen. Die finale Entscheidung über ein Investment verbleibt zwar beim jeweiligen Mitgliedstaat, europäische Belange sollen dabei aber erwogen werden. In diese Erwägungen könnten dann auch Kriterien wie der Einfluss eines Drittstaates auf den Erwerber einbezogen werden.Die Planung und die Durchführung von M&A-Transaktionen werden in Anbetracht dieser Entwicklungen deutlich komplexer. Transaktionssicherheit geht verloren, Transaktionen dauern länger und werden teurer. Transaktionen beeinflusstBereits die Änderung der Außenwirtschaftsverordnung 2017 hat die Transaktionspraxis spürbar beeinflusst. Zwar waren mit der Gefährdung öffentlicher Ordnung oder Sicherheit die Kriterien für ein Eingreifen des Bundeswirtschaftsministeriums schon zuvor vage. Marktteilnehmer konnten sich jedoch auf eine zurückhaltende Anwendungspraxis verlassen. Diese war bereits in der Gesetzesbegründung angelegt. Zusammen mit der Verschärfung 2017 wurde diese Zurückhaltung jedoch zumindest in Teilen aufgegeben; eine erste Untersagungsermächtigung wurde erteilt. Was für die Praxis noch schwerer wiegt: Vor dem Hintergrund der derzeitigen politischen Diskussion ist das Verwaltungshandeln kaum mehr einschätzbar.Vorsorglich werden selbst bislang als unkritisch angesehene Transaktionen angemeldet. Sollte die EU-Verordnung in der derzeit diskutierten Form erlassen, ein praktisch nur schwer ermittelbarer Einfluss von Drittstaaten auf Erwerber zum weiteren Prüfkriterium werden, wäre das Ergebnis eines Prüfverfahrens nicht mehr vorherzusehen. Ein hoher Grad an Transaktionssicherheit gilt im M&A-Geschäft jedoch als nahezu unverzichtbar. Intensivere VerfahrenDie zunehmend intensiven Fusionskontrollverfahren, ein weiterer Ausdruck aktiver Industriepolitik, ziehen Transaktionen schon jetzt deutlich in die Länge. Durch die 2017 verlängerten Prüffristen der Außenwirtschaftsverordnung passen sich deren Prüfverfahren nun selbst in fusionskontrollrechtlich unproblematischen Fällen nicht mehr nahtlos in den M&A-Prozess ein und verlängern ebenfalls die Zeitspanne bis zum Vollzug der Transaktion. Mitwirkungsrechte auf europäischer Ebene würden diese Hängepartien weiter verlängern. Verfahren werden so teurer, Synergien können erst später realisiert werden und aktivistische Aktionäre erhalten deutlich mehr Zeit, sich in Stellung zu bringen.Hier soll nicht dem Ausverkauf deutscher Technologie das Wort geredet werden. Industriepolitische Zurückhaltung und ein abgewogenes, auch Belange der Praxis berücksichtigendes Vorgehen der Normgeber bleiben jedoch wünschenswert. Bereits jetzt kommt der Strukturierung von M&A-Transaktionen auf Grundlage fundierter Risikoeinschätzung große Bedeutung zu. Die sich ankündigende zusätzliche Komplexität wäre selbst durch gute Beratung nicht vollständig zu kompensieren.*) Dr. Michael Ulmer ist Partner im Frankfurter Büro von Cleary Gottlieb Steen & Hamilton