ChatGPT

Mehrwert durch künstliche Intelligenz

Der Chatbot hat seit dem Start Ende November 2022 weltweit Hunderte Millionen Nutzer in seinen Bann gezogen. Die Einsatzmöglichkeiten scheinen fast grenzenlos.

Mehrwert durch künstliche Intelligenz

Der Hype um ChatGPT ist aktuell riesig. Der auf künstlicher Intelligenz (KI) basierende Chatbot des US-amerikanischen Unternehmens OpenAI hat seit dem Start Ende November 2022 weltweit Hunderte Millionen Nutzer in seinen Bann gezogen. Ob die einfache Beantwortung von Fragen, das Verfassen ganzer Artikel und sogar das Erstellen wissenschaftlicher Hausarbeiten – die Einsatzmöglichkeiten scheinen fast grenzenlos.

Konkrete Anwendungen künstlicher Intelligenz sind auch in der Finanzbranche schon allgegenwärtig. Und die Bedeutung nimmt spürbar zu. Angesichts der rasant wachsenden Datenmengen, die den Marktteilnehmern tagtäglich zur Verfügung stehen, ist eine Verarbeitung ohne KI-Unterstützung umfänglich de facto nicht mehr möglich. Schließlich können aus den Informationen über Unternehmen und Aktien wertvolle Erkenntnisse zur Optimierung von Anlageentscheidungen gewonnen werden.

Machine Learning

Einer aktuellen Studie der Finanzkommunikations-Agentur Edelman Smithfield zufolge halten bereits zwei Drittel der befragten institutionellen Investoren Analysen mittels KI für verlässliche Datenquellen. 34% der Profianleger nutzen demnach bereits KI, und fast drei Viertel gaben an, dass sie in den kommenden zwei Jahren KI für ihre Analysen nutzen werden.

Besonders im Fokus stehen dabei zwei KI-basierte Methoden: Machine Learning (ML) und Natural Language Processing, kurz NLP. Bei ML geht es im Kern darum, mit Hilfe von Algorithmen aus großen, unstrukturierten Datenmengen sinnvolle und relevante Informationen zu extrahieren, indem Regelmäßigkeiten, Wiederholungen oder Ähnlichkeiten maschinell erfasst werden. NLP wiederum stellt einen konkreten Anwendungsbereich von Machine Learning dar. Mit Hilfe von NLP können Texte automatisch analysiert, positive Aussagen von negativen ge­trennt und somit valide Inves­titionssignale erzeugt werden.

Seit einigen Jahren forscht die Deka in verschiedenen Projekten daran, textbasierte Investitionssignale zu generieren sowie für die taktische Asset-Allokation nutzbar zu machen. Be­reits in einigen Strategien zum Einsatz kommt die Prognose monatlicher Aktienmarktrenditen auf Basis von Machine Learning. Die Datengrundlage liefern hier unter anderem fundamentale Indikatoren, wie beispielsweise Kurs-Gewinn-Verhältnisse und Dividendenrenditen, aber auch makroökonomische Indikatoren, wie etwa Arbeitsmarktdaten oder der Ölpreis.

Ein weiteres spannendes Forschungsprojekt betrifft das kurzfristige Market-Timing mit Machine Learning. Die Idee dahinter: Weil viele Marktteilnehmer technische Indikatoren für ihre Handelsentscheidungen nutzen und dadurch zumindest kurzfristig die Aktienmarktrenditen beeinflussen, werden ML-Modelle mit Hilfe historischer Renditen darauf trainiert, diese Zusammenhänge zu erkennen und so die Aktienmärkte mit der höchsten kurzfristigen Performance zu identifizieren.

Entsprechend wird bei diesem Ansatz in die Futures der weltweiten Aktienindizes mit den höchsten Outperformance-Wahrscheinlichkeiten investiert. Die Haltedauer dieser Portfoliopositionen ist dementsprechend kurz und beträgt in der Regel wenige Tage. Anders als im ersten Projekt spielen fundamental-ökonomische Sichtweisen hier keine Rolle. Diese Strategie hat sich ebenfalls bereits in der Praxis bewährt und kann vor allem als marktneutrales Overlay in einem Basisportfolio wie zum Beispiel dem MSCI World mit einer Beimischung umgesetzt werden.

Um eine aktive Investmentstrategie auf der Basis von NLP geht es in einem weiteren Forschungs­projekt von Deka und der konzerneigenen IQAM Invest. Die These: Unternehmen und Themen, die häufiger positiv in Nachrichten und Social Media erwähnt werden, ziehen Investoren tendenziell an. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass die entsprechenden Sektoren beziehungsweise assoziierten Themen voraussichtlich outperformen werden.

Deshalb wurden unterschiedliche News-Quellen, darunter auch internationale Nachrichtenagenturen, so­wie Unternehmensberichte über einen Zeitraum von drei Jahren ausgewertet und analysiert, die Unternehmen des Index S&P 500 betrafen. Neben der Relevanz eines Nachrichtenartikels für jedes Unternehmen im S&P 500 wurde zusätzlich das Sentiment eines jeden Artikels berechnet. Dabei wurden positiven und negativen Signalwörtern positive und negative Scores zugewiesen. Beispielsweise waren „stabil“, „profitabel“ oder „Fortschritt“ positive Signalwörter. Begriffe wie „Fehler“, „Problem“, „Engpass“ oder „aufgeben“ wurden entsprechend negative Scores zugeteilt.

Outperformance

Genutzt wurde dafür – wie auch bei einigen anderen Research-Projekten – eine Methodik aus dem NLP-Bereich, das sogenannte BERT-Modell (Bidirectional Encoder Representations from Transformers). BERT, das 2018 von Google etabliert wurde, basiert auf neuronalen Netzwerken und ist in der Lage, aus ihrem Kontext auf die Bedeutung von Wörtern zu schließen.

Letztendlich wurden die Ergebnisse auf Sektor-Ebene mittels kostengünstiger und hochliquider ETFs in verschiedene Strategien umgesetzt. Das bemerkenswerte Ergebnis: Die Sentiment-basierte Sektor-Strategie erzielte im Beobachtungszeitraum Dezember 2018 bis Mai 2022 gegenüber Anlagen in Indexfonds auf dem breiten S&P 500 eine Outperformance. Auch Sharpe Ratio und der maximale Verlust der Strategie konnten überzeugen.

Ebenfalls als interessante Portfolio-Beimischung könnte sich in der Zukunft eine weitere auf KI-basierte Strategie eignen: die automatisierte Klassifikation von Ad-hoc Meldungen. In diesem Research-Projekt geht es darum, das Sentiment der Pflichtmitteilungen von Unternehmen zu bestimmen. Konkret werden dazu die Lesbarkeit, etwa die Satzlänge, der Anteil der Fachbegriffe sowie das Verhältnis von Zahlen zu Wörtern in der Ad-hoc-Meldung mit Hilfe von NLP analysiert und diese dann automatisch in positiv, negativ oder neu­tral klassifiziert. Sehr lange Sätze, viele Fachbegriffe und wenige Zahlen in dem Text deuten beispielsweise auf ein negatives Sentiment hin.

Die Beispiele zeigen: Es gibt in diesem Bereich bereits vielversprechende Ansätze und Forschungsprojekte im Assetmanagement, und die Forschung geht mit Hochdruck weiter. Denn der Einsatz von KI – und speziell der Textanalyse – kann durch die Erweiterung um zusätzliche Parameter wichtige Erkenntnisse für die Kapitalanlage bringen. Solche Analysen der Kapitalmarktforschung werden deshalb künftig immer stärker in konkrete Investmentstrategien einfließen.

Kein Ersatz des Menschen

Unsere Performance-Analysen, auch von Szenarien aus der Vergangenheit, weisen vielversprechende Ergebnisse auf. Dabei können Investoren ML und NLP sowohl im Rahmen eines speziellen KI-Anlagekonzepts nutzen oder als Beimischung in einem breit diversifizierten Anlageansatz. Das gilt sowohl auf Indexebene bei der kurzfristigen Asset-Allokation wie auch bei Timing-Entscheidungen und der strategischen Einzeltitel-Selektion.

Doch so vielversprechend die bisherigen Ergebnisse auch sein mögen: Machine-Learning-Systeme – und dazu zählt auch der eingangs erwähnte ChatGPT – sind immer darauf angewiesen, dass die eingegebenen Daten zur Aufgabenstellung passen und in ihrer Historie vollständig und schlüssig sind. Sowohl die Prüfung der Daten als auch die Interpretation der Ergebnisse sollte Aufgabe menschlicher Profis bleiben. Somit kann künstliche Intelligenz im Assetmanagement das Spektrum der Analysemöglichkeiten erweitern und eine wertvolle Ergänzung, jedoch kein kompletter Ersatz menschlicher Expertise und fundamentaler Anlagestrategien sein.

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