Mitarbeiterkapitalbeteiligung: Neue Anreize oder nur Symbolik?
– Herr Vogel, Ende August beschloss das Bundeskabinett einen Gesetzesentwurf zur steuerlichen Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung. Aus Ihrer Sicht ein neues Kapitel in der Förderung von Arbeitnehmern?Die gesetzliche Normierung weiterer Mittel der Mitarbeiterkapitalbeteiligung ist grundsätzlich begrüßenswert. Das vorliegende Gesetzesvorhaben wird aber kaum Grundlage dafür sein, dass Arbeitnehmer signifikant am Erfolg ihres Unternehmens partizipieren können. – Warum?Indem die Bundesregierung die einzelnen Fördermaßnahmen an zu enge und bürokratisch anmutende Voraussetzungen knüpft, kleidet sie die Förderung gleichsam in eine Zwangsjacke mit sehr begrenztem Tragekomfort. Selbst wenn die Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind, nützt den Arbeitnehmern die Beteiligung am Unternehmenserfolg wenig, wenn das Unternehmen etwa an einem Auftragsrückgang leidet. Auf die aktuell für Deutschland prognostizierte Rezession und die fallenden Unternehmenswerte haben Arbeitnehmer trotz Engagement und emotionaler Bindung an den Arbeitgeber schließlich keinen Einfluss. Darüber hinaus belegt der Gesetzesentwurf erneut, wie weit entfernt die Bundesregierung von einer ineinander greifenden Steuer- und Vermögensbildungspolitik ist. – Inwiefern?Während die Bundesregierung die punktuelle finanzielle Besserstellung und Kapitalbildung der Arbeitnehmer bewirbt, nimmt die öffentliche Hand ihnen gewonnene Vorteile durch die bevorstehende Abgeltung- steuer wieder aus der Tasche. – Wird durch die steuerlich geförderte Mitarbeiterkapitalbeteiligung nicht zumindest eine Steigerung des Unternehmenskapitals bewirkt?Abgesehen von sehr großen Unternehmen lassen die Rahmenbedingungen und das minimale Fördervolumen nur marginale Kapitalzuwächse erwarten. Gerade kleine und mittlere Unternehmen werden selten den Weg einer Kapitalbeteiligung ihrer Belegschaft beschreiten. Zwar sieht der Gesetzesentwurf alternativ einen Mitarbeiterbeteiligungsfonds vor. Dieser anonymisiert aber die Erfolgsbeteiligung, d. h. der Arbeitnehmer weiß überhaupt nicht, in welches Unternehmen “sein” Geld fließt. Es bedarf hier auf Seiten des Arbeitnehmers schon viel Fantasie, die Identifikation mit dem eigenen Unternehmen zu erhöhen. Dies ist aber eines der erklärten Ziele der Bundesregierung für den vorgelegten Gesetzesentwurf. – Welche Alternativen sehen Sie für eine Mitarbeiterbeteiligung am Unternehmenserfolg?Es existiert bereits ein breites und flexibles Portfolio von Erfolgsbeteiligungsmodellen zur Gewinnung und Bindung von Mitarbeitern. In der Praxis fördern Arbeitgeber schon heute das Engagement ihrer Arbeitnehmer durch maßgeschneiderte Zielvereinbarungen und leistungsabhängige Zusatzleistungen. Im Übrigen kann auch die betriebliche Altersversorgung erfolgsorientierte Dotierungen vorsehen und das Unternehmen für Arbeitnehmer so attraktiver machen. – Tritt die steuerlich begünstigte Mitarbeiterbeteiligung in Konkurrenz zur betrieblichen Altersversorgung?Dieses Risiko besteht, auch wenn die Bundesregierung das vehement bestreitet. Die betriebliche Altersversorgung ist heute ein wichtiger und wachsender Bestandteil der Altersabsicherung der Arbeitnehmer. 1 Euro, den ein Unternehmen seinem Mitarbeiter zur Verfügung stellt, kann dieser aber nur einmal ausgeben oder anlegen. Falsche Anreize bergen die Gefahr einer suboptimalen Investition dieses Euro. Dabei ist zu bedenken, dass die Anlage in die bereits existierenden Instrumente der betrieblichen Altersversorgung überwiegend krisen- und ausfallsicher erfolgt. Bei einer Mitarbeiterkapitalbeteiligung fallen hingegen vielfach Arbeitsplatz- und Anlagerisiken zusammen. – Und Ihr Fazit, Herr Vogel? Der vorgelegte Gesetzesentwurf greift zu kurz und in die falsche Richtung. Vermutlich werden sich die Neuregelungen als bloße politische Symbolik und somit schnell als bedeutungslos herausstellen. Während die Vorteile für die meisten Unternehmen und Arbeitnehmer kaum messbar sein werden, dürften es die Regierungsparteien im nächsten Bundestagswahlkampf als ihren Erfolg verbuchen, die Partizipation der Arbeitnehmer an Unternehmenserfolgen gefördert zu haben.Andreas Vogel ist Partner bei Ashurst und dort Leiter der Praxisgruppe Arbeitsrecht Deutschland.Die Fragen stellte Walther Becker.