RECHT UND KAPITALMARKT

Nachbesserungen im Gesetz gegen Unternehmenskriminalität

Justizministerium kündigt neuen Entwurf an - Regelungen bleiben umstritten

Nachbesserungen im Gesetz gegen Unternehmenskriminalität

Von Heiner Hugger und David Pasewaldt *)Der im August 2019 in die Öffentlichkeit gelangte Entwurf des Justizministeriums (BMJV) für das lange angekündigte neue Gesetz zur Bekämpfung von Unternehmenskriminalität, das Verbandssanktionengesetz (VerSanG), hat eine intensive Debatte bei Verbänden und Experten ausgelöst. Derweil stimmt das BMJV den Entwurf auch mit anderen beteiligten Ministerien ab – und will nun offenbar noch verschiedene Änderungen vornehmen. Mit einer Kabinettsvorlage wird zeitnah gerechnet.Viele der geplanten und diskutierten Neuregelungen in dem neuen Entwurf sollen indes unverändert bleiben. Vor allem gilt das für die Einführung von Verbandsgeldsanktionen von bis zu 10 % des Konzernjahresumsatzes (bei Unternehmen mit einem Gruppenumsatz von über 100 Mill. Euro) für sogenannte Verbandsstraftaten, bei denen Leitungspersonen entweder selbst unternehmensbezogene Straftaten begehen oder bei Straftaten von Mitarbeitern ihre Aufsichtspflichten verletzen.Verfassungsrechtliche Bedenken an dieser Neuregelung hält das BMJV demnach offenbar für unbegründet. Vor allem Unternehmensverbände hatten solche Geldsanktionen jedoch als unverhältnismäßig gerügt und darauf hingewiesen, dass letztlich die am Fehlverhalten nicht beteiligten Aktionäre für solche Sanktionen aufkommen müssten. Die ursprünglich schärfste geplante Sanktion einer Verbandsauflösung könnte im finalen Entwurf allerdings gestrichen werden.Bleiben soll es demgegenüber bei der bisher vorgesehenen Möglichkeit einer Milderung von Verbandsgeldsanktionen von bis zu 50 %, wenn Unternehmen bei Ermittlungen mit den Verfolgungsbehörden “ununterbrochen und uneingeschränkt” kooperieren. Ferner sollen vorsorgliche Compliance-Maßnahmen von Unternehmen weiterhin sanktionsmildernd wirken. Unverändert soll zudem mit dem VerSanG auch das bisherige Opportunitäts- durch das Legalitätsprinzip ersetzt werden. Verfolgungsbehörden hätten es also künftig nicht mehr in ihrem Ermessen, ob sie Unternehmensstraftaten verfolgen, sondern wären grundsätzlich dazu verpflichtet.Weiter unklar bleiben wird offenbar, auf welche Weise betroffene Unternehmen konkret mit Verfolgungsbehörden zusammenarbeiten müssen, um eine Sanktionsmilderung zu erreichen. Nach dem bisherigen Entwurf müssen das Unternehmen oder von ihm beauftragte Dritte eine interne Untersuchung nach bestimmten Vorgaben durchführen und damit wesentlich dazu beitragen, die Verbandsstraftat aufzuklären. Diese Dritten, etwa Rechtsanwälte, sollen dabei nicht zugleich Verteidiger des Unternehmens oder eines Beschuldigten im Sanktionsverfahren sein. Die damit vorgeschlagene Trennung wird zu Recht angegriffen, da oft gute Gründe dafür sprechen, interne Untersuchung und Unternehmensverteidigung aus einer Hand zu führen.Die vom BMJV offenbar weiter favorisierte Regelung ist erkennbar von der Motivation geleitet, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2018 zur Beschlagnahme von Untersuchungsberichten bei Rechtsanwaltskanzleien fortzusetzen und Verfolgungsbehörden einen Zugriff auf solche Erkenntnisse zu erleichtern.Ungeachtet dessen verlangt die bisher vorgesehene Regelung zur Sanktionsmilderung von Unternehmen eine Entscheidung für oder gegen eine Kooperation in einer sehr frühen Phase. Jedoch ist für betroffene Unternehmen angesichts der notwendig begrenzten Sachverhaltskenntnisse in diesem Stadium eine angemessene Abwägung aller wesentlichen Aspekte nach den bewährten Maßstäben des Gesellschaftsrechts meist kaum möglich.Kritisiert wurde an dem bisherigen Entwurf auch das in diesem Zusammenhang vorgeschlagene Schweigerecht im Rahmen interner Untersuchungen. In Anlehnung an das strafprozessuale Auskunftsverweigerungsrecht sollen Mitarbeiter bei Befragungen durch das Unternehmen künftig die Beantwortung von Fragen verweigern dürfen, die sie dem Risiko einer Verfolgung wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit aussetzen würden. Mitarbeiter könnten damit einen Aufklärungsbeitrag des Unternehmens verhindern und eine Sanktionsmilderung vereiteln, wurde gegen diesen Vorschlag argumentiert.In der Praxis dürfte diese Regelung allerdings eher geringe Bedeutung haben. Nicht aussagebereite Mitarbeiter täuschen bei Befragungen schon bisher häufig erkennbar Erinnerungslücken vor, und es besteht für Unternehmen insoweit keine realistische Möglichkeit, deren arbeitsrechtliche Mitwirkungspflicht durchzusetzen. Auch der angepasste Referentenentwurf wird weiter kritisch zu prüfen sein und in der Diskussion stehen. Nur so kann die Einführung sachgemäßer und ausgewogener Vorschriften sichergestellt werden, die den Interessen von Verfolgungsbehörden und Unternehmen gleichermaßen Rechnung tragen. *) Dr. Heiner Hugger und Dr. David Pasewaldt sind Partner von Clifford Chance.