Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Michael Fammler

"Neben dem Markenschutz ist der Schutz des Produktdesigns wichtig"

"Silkstreet"-Urteil in China als Meilenstein im Kampf gegen Produktpiraterie

"Neben dem Markenschutz ist der Schutz des Produktdesigns wichtig"

Der Wettbewerb zwischen Unternehmen wird nicht nur über Qualität und Preis der Produkte geführt, sondern auch über das Image, das wesentlich über Marken kommuniziert wird. Dabei sind Marken für kaum eine Branche so wichtig wie für die Konsumgüter- und Nahrungsmittelproduzenten. Entsprechend stark leiden die Firmen unter Produktpiraterie. Zur Umsatzeinbuße kommt für die Originalhersteller auch noch der Imageschaden hinzu. Es gibt in dieser Hinsicht also viel zu tun für die Rechtsabteilungen der geschädigten Unternehmen bzw. für die von ihnen beauftragten Sozietäten. Jüngst hat Unilever die Kanzlei Baker & McKenzie beauftragt, ihr weltweites Markenportfolio zu verwalten. – Herr Dr. Fammler, Unilever ist ein niederländisch-britisches Unternehmen. Von wo aus werden die 160 000 Marken des Konzerns verwaltet?Das Kernteam zur Verwaltung des umfangreichen Portfolios wird in London sitzen. Da Unilever mit seinen Marken weltweit vertreten ist – auch in Deutschland und Frankreich -, wird das Londoner Team von den jeweiligen Länder-Kollegen unterstützt. Es geht ja nicht nur um 160 000 aktive Marken – hinzu kommen etwa die jährlichen Neuanmeldungen, das werden rund 12 000 sein. – Gibt es den “Big Bang” – einen Tag, an dem Sie mit einem Schlag alle Markenverfahren übernehmen -, oder geht es schrittweise?Das Projekt ist in mehrere Phasen unterteilt. In Deutschland und Österreich werden wir spätestens vom 1. Januar 2007 an alle Markenverfahren für Unilever übernehmen. Das bedeutet beinahe 3 000 Marken allein in Deutschland. Aufgabe ist neben der Portfolioverwaltung auch M & A Support. – Der von Ihrer Kanzlei entwickelte Netzwerk Global Intellectual Property Manager (GIPM) soll unterstützend eingesetzt werden. Was leistet GIPM?Der GIPM ist ein Internet-gestütztes Programm, das von uns speziell für die umfassende Verwaltung von Markenportfolios, aber auch von Designs und Patenten entwickelt wurde. Ein Kernstück ist natürlich die Überwachung der weltweit ganz unterschiedlichen Fristen in Markenverfahren. Das System ermöglicht es Mandanten, rund um die Uhr auf sämtliche Informationen rund um ihre Schutzrechte zuzugreifen. Mit Unterstützung des GIPM ist es jeder Rechtsabteilung möglich, permanent den Stand der laufenden Anmeldeverfahren, Verträge über die Marken und streitigen Fälle zu überwachen. Das System kann die jeweiligen Landessprachen verarbeiten, Logos abbilden und ist mit einer modernen Textdokumentenverwaltung verknüpft. Man kann von einer papierlosen Portfolioverwaltung sprechen. – China gilt als Hochburg der Produktpiraterie. Mehr als zwei Drittel aller Fälschungen sollen von dort kommen. Wie schätzen Sie angesichts der verbreiteten Korruption und der Tatsache, dass Klagen von Ausländern meist ins Leere laufen, die Situation ein?Produktpiraterie verursacht Markenherstellern nicht nur hohe Verluste, sondern auch Imageschaden. Aber ganz so aussichtslos ist die Situation nicht. Das “Silkstreet”-Urteil, das Anfang dieses Jahres in China erging, ist durchaus als Meilenstein im Kampf gegen die Produktpiraterie zu werten. Dort wurde das Betreiben einer Einkaufspassage, in der Fälschungen vertrieben wurden, als Markenverletzung verurteilt. Das Urteil zeigt, dass das Problembewusstsein erwacht. Chinas Regierung signalisiert starkes Engagement, die Gesetze zu verbessern, um Marken- und Eigentumsrechte durchzusetzen. Auch Starbucks und andere Unternehmen konnten sich in jüngster Zeit erfolgreich gegen die Verletzung ihrer Markenrechte wehren. – Gerade für einen Lebensmittelproduzenten kann eine von Fälschern hergestellte Ware schwere Schäden nach sich ziehen. Welche Möglichkeiten gibt es, falls ein solcher Fall eintreten sollte? Typischerweise werden in dieser Branche nicht 1 : 1-Fälschungen auf den Markt gebracht, sondern sogenannte “look alikes”. Nachgemacht wird die gesamte Aufmachung, vor allem Packungsgestaltung und Farben. Neben dem Markenschutz ist deshalb der Schutz des gesamten Produktdesigns wichtig. Flankierende Maßnahmen sind Grenzbeschlagnahmeanträge, die bei guter Kooperation und Koordination mit den Zollbehörden sehr effektiv sein können. Hier gibt es Systeme, wie “Borderwatch”, die online den Zugriff auf die Beschlagnahmeregeln in unzähligen Ländern ermöglichen. Unerlässlich ist die Kooperation mit den lokalen Lebensmittelaufsichtsbehörden und natürlich das Vorgehen gegen die Fälscher vor Ort. Wir arbeiten hier intensiv mit unseren Büros in China zusammen. Dr. Michael Fammler ist Rechtsanwalt und Partner im Frankfurter Büro von Baker & McKenzie.Die Fragen stellte Martin Dunzendorfer.