Immobilien

Nervosität vor Preiskorrektur in Spanien

Gesunkene Nachfrage nach Immobilien beendet Boom - Experten taxieren Gebäudewerte neu

Nervosität vor Preiskorrektur in Spanien

Von Angelika Engler, Madrid Noch stehen in Spaniens überhitztem und von einer harschen Korrektur bedrohten Immobiliensektor alle Zeichen auf Stillhalten. Kein Verkäufer will den ersten Zug machen und das nach zehn Boomjahren und einer Preissteigerung von durchschnittlich 200 % erreichte Niveau nach unten durchbrechen. Doch es dürfte nicht mehr lange dauern, bis sich die Korrektur, die längst sämtliche Immobilien- sowie Bau- und auch Bankaktien erreicht hat und den Spekulationsfaktor zum großen Teil aus den Kursen herausfegte, nun auch am realen Häusermarkt einstellt. Gefahr für ganz EuropaDas Kuriose: Dieses Krisenszenario hat nicht viel mit der US-Subprime-Krise zu tun, sondern hätte sich auch ohne die derzeit tobende internationale Finanzkrise eingestellt. Denn die seit Ende 2005 gestiegenen Zinsen in Euroland in Kombination mit dem erreichten astronomisch anmutenden Preisniveau sind es, die dieser Häuserkauf-Fiesta ein Ende setzten.Die schon merklich gesunkene Nachfrage nach Eigenheim-Immobilien ist dabei lediglich der Vorbote des drohenden Preissturzes. Nach Informationen von Manuel Romero, Professor für Finanzen an der Madrider Business-School Instituto de Empresa (IE), taxieren die von Finanzinstituten für die Kreditprüfung beauftragten Immobilienexperten die Eigenheime bereits um 15 % unter ihrem gegenwärtigen Marktwert. “Das bedeutet de facto einen ersten Preisrückgang von 15 %, der so noch nicht auf den realen Markt durchgeschlagen hat,” sagt Romero. 1 Bill. Euro Schulden”US-Subprime” könnte die Lage hier in Spanien noch einmal verschlimmern. Doch umgekehrt ist die Gefahr nach Meinung von Christian Kreiß, Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Technik in Aalen, noch einmal viel größer: “Die Auswirkungen einer abzusehenden spanischen Finanz- und Wirtschaftskrise auf Deutschland und die Euro-Zone dürften gravierender ausfallen als diejenigen der US-Immobilienkrise,” schreibt er in einem Exposé.Dafür spricht allein schon die große Zahl ausländischer Investoren und Banken als Geldgeber sowie der relative große Anteil an Pfandbriefen, den die spanischen Finanzinstitute unter internationalen Fonds platzierten. Noch immer gilt es als politisch nicht korrekt, von einem harten Aufprall zu sprechen, der den Sektor aller Voraussicht nach eher erwartet als die von der sozialistischen Regierung um Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero und Wirtschaftsminister Pedro Solbes beschworene “weiche Landung”. Schließlich wollen die Sozialisten bei den Parlamentswahlen im kommenden Frühjahr ihre Mehrheit verteidigen, und da passen Schreckensnachrichten nicht ins Bild.Grund zur Sorge hätten sie allerdings. Denn die Familien und die Immobilienentwickler stehen bei den – allerdings gut abgesicherten – Banken und Sparkassen mit rund 1 Bill. Euro in der Kreide: Dieses Volumen entspricht dem spanischen Bruttoinlandsprodukt.Hinter den Kulissen der Politik wird bereits darüber nachgedacht, einen Fonds für Häuslebauer in Zahlungsnöten einzurichten, falls es wirklich hart auf hart kommen sollte und der erwartete wirtschaftliche Abschwung mit dem Ende des Immobilien- und Baubooms und in die Höhe schnellender Arbeitslosigkeit doch brutaler ausfällt als die offiziellen Prognosen derzeit verbreiten. Immerhin beruhte das spanische Wirtschaftswunder mit Wachstumsraten seit 1997 zwischen 3 und 4 % auf dem Boom bei Eigenheimen und dem Kauf von Konsumgütern auf Pump. Im Bausektor entstanden auch die meisten der neu geschaffenen Stellen, die nun mit dem bereits vielerorts eingetretenen Baustopp wegfallen werden. 850 000 neue WohnungenNoch 2006 zogen die Baufirmen und Immobilienentwickler etwa 850 000 Wohnungen hoch und damit mehr als Deutschland und Frankreich zusammen, obwohl Spanien trotz des Einwandererstroms der vergangenen Jahre lediglich 45 Millionen Einwohner zählt. Schon seit Jahren stehen Millionen Häuser leer und drohen zu Ruinen zu verkommen. Schwarzgeld und Spekulation lassen grüßen.Wenn die Branche mit künftig 500 000 neuen Wohnungen rechnet, muss man sich fragen, wer dieses Überangebot an Immobilien kaufen soll – auch wenn die Preise kräftig sinken sollten. Ein eindrückliches Bild von dem völlig verzerrten Verhältnis von Löhnen zu Immobilienpreisen gibt die Studie der Immobilien-Internetsuchmaschine Properazzi. Danach verdienen die Spanier im Schnitt pro Jahr 21 000 Euro, während der Häuserpreis im Schnitt bei 249 000 Euro liegt (siehe Tabelle). Großer Kehraus befürchtetVon dem befürchteten großen Kehraus werden vor allem die Eigenheime sowie die früher gern von sonnenhungrigen Briten oder Deutschen erworbenen Feriendomizile an den Küsten betroffen sein, während die Geschäftsimmobilien ihre Preise mehr oder weniger halten dürften und in Toplagen sogar auf steigende Rendite hoffen lassen. Spaniens größte Bank Santander, die ihre gesamten Spanien-Immobilien im Volumen von 4 Mrd. Euro verkaufen will und anschließend als Mieter weiter nutzen möchte, hat jetzt offenbar einen ernsthaften Interessenten gefunden. Spaniens Modezar Amancio Ortega, Hauptaktionär der weltweit erfolgreichen Modekette Inditex, will das gesamte Paket mit Ausnahme der Santander-Bankenstadt in Boadilla del Monte bei Madrid sowie der 1 250 Santander-Filialen erwerben. Die Verhandlungen seien sehr fortgeschritten, heißt es. Der Kaufpreis: noch unbekannt.