RECHT UND KAPITALMARKT

Neue Regeln im Eigenkapitalmarkt

Erhöhte Flexibilität durch Dual und Triple Track sowie Spin-offs - Änderungen im Freiverkehr der Frankfurter Börse

Neue Regeln im Eigenkapitalmarkt

Von Herbert Harrer und Marco Carbonare *)Das Jahr 2012 hat neben einigen interessanten abgesagten und durchgeführten Börsengängen auch regulatorische Veränderungen mit sich gebracht. Von diesen waren die Neustrukturierung des Freiverkehrs der Frankfurter Börse und die Umsetzung der EU-Prospektrichtlinie für Eigenkapitalmarkttransaktionen am bedeutsamsten.An der Frankfurter Börse gab es 2012 elf Börsengänge im Regulierten Markt, wobei die Mehrzahl auf kleine Unternehmen aus China entfiel. Bei den wenigen großen IPOs wurde der Börsengang von Evonik aufgrund der aus Sicht der Altaktionäre unzureichenden Bewertung bedauerlicherweise erneut abgesagt. Andererseits gelang Telefónica Deutschland ein erfolgreiches Börsendebüt mit einem Emissionsvolumen von 1,45 Mrd. Euro platzierter Sekundäraktien. Dies war der größte Börsengang in Deutschland seit August 2007, im europäischen Telekommunikationssektor seit April 2004. Trotz schwieriger Marktbedingungen und eines unsicheren makroökonomischen Umfelds wurde das Platzierungsvolumen auf Grundlage einer attraktiven Bewertung zu Beginn des Bookbuilding in nur 2,5 Tagen überzeichnet.Daneben gab es mehrere Kapitalerhöhungen zur Akquisitionsfinanzierung, insbesondere im Immobilienbereich, und einige bedeutsame Umplatzierungen, zum Beispiel Aktien der KfW an der Deutschen Post. Attraktive BedingungenDer Markt für Wandelanleihen war aufgrund der attraktiven Rahmenbedingungen phasenweise aktiv. So begab der Wolfsburger Automobilkonzern Volkswagen unter Ausschluss des Bezugsrechts über eine ausländische Finanzierungstochter eine Pflichtwandelanleihe, die auf Grundlage eines Prospekts für institutionelle Investoren auch in den USA platziert wurde. Das Emissionsvolumen war mit 2,5 Mrd. Euro außergewöhnlich hoch und die Emission bei einer Laufzeit von drei Jahren mit einem Kupon von 5,5 % und einer maximalen Wandlungsprämie von 20 % attraktiv ausgestaltet.Aufgrund der andauernden Unsicherheiten im Markt führen viele Unternehmen anstelle eines IPO einen “Dual-Track-Prozess” oder sogar ein “Triple-Track-Verfahren” durch, bei dem neben dem Börsengang der Verkauf des Unternehmens oder zusätzlich eine Abspaltung eines Geschäftsbereichs mit anschließendem Börsengang in Betracht gezogen werden.Dual- oder Triple-Track-Verfahren haben den Vorteil, dass ein erfolgreicher Abschluss in geringerem Umfang von den Kapitalmarktbedingungen abhängt und deshalb mit größerer Wahrscheinlichkeit zum erfolgreichen Abschluss gebracht wird. Zudem erfolgt anders als beim Börsengang ein vollständiger Exit. Demgegenüber besteht durch die zusätzliche Arbeitsbelastung des Managements ein deutlicher Nachteil, da ein parallel geführter Verkaufs- oder Abspaltungsprozess einen erheblichen Mehraufwand verursacht. Kostengünstigere ProspekteDie bedeutsamsten Änderungen betreffen Bezugsrechtskapitalmaßnahmen und das Widerrufsrecht bei Prospektnachträgen. Die neue Regelung zur erleichterten Prospektgestaltung für Bezugsrechtsemissionen wurde aus Kosten- und Effizienzgesichtspunkten erlassen und betrifft Emittenten, deren Aktien gleicher Gattung bereits an organisierten Märkten und multilateralen Handelssystemen mit vergleichbaren Transparenzpflichten zugelassen sind. Ebenso betroffen sind kleine und mittelständische Unternehmen, wenn ein gesetzliches Bezugsrecht oder eine gleichwertige schuldrechtliche Berechtigung, wie zum Beispiel ein mittelbares Bezugsrecht, gewährt wird.Liegen diese Voraussetzungen vor, kann unter anderem auf die Aufnahme von ausgewählten Kennzahlen, die Diskussion der Finanzkennzahlen, die Darstellung der Entwicklung des Grundkapitals sowie die Ausführungen zur Satzung verzichtet werden. Viele Angaben sind nur noch ab dem Stichtag der letzten geprüften Finanzinformation vorgeschrieben, statt wie bisher für die letzten drei Geschäftsjahre.Eine der wichtigsten Änderungen der EU-Prospektrichtlinie betrifft den Umstand, dass durch die neuen Regelungen das bislang in Deutschland angewandte Privileg der Prospektfreiheit für Bezugsrechtsangebote ohne Bezugsrechtshandel weggefallen ist. Derartige Angebote gelten jetzt nicht mehr als nichtöffentliche Angebote im Sinne des Wertpapierprospektgesetzes. Dies führt dazu, dass nun das Angebot von Bezugsrechtskapitalerhöhungen nicht mehr prospektfrei möglich ist, auch wenn die neuen Aktien ausschließlich den Altaktionären angeboten werden und kein Bezugsrechtshandel stattfindet. Verschärfte NachtragspflichtEine Verschärfung der Nachtragspflicht zum Wertpapierprospekt und eine damit verbundene Ausweitung des Widerrufsrechts für Anleger hat für die Praxis eine besondere Bedeutung. Dem (potenziellen) Anleger wird im Falle eines Prospektnachtrags ein Widerrufsrecht eingeräumt, das dieser innerhalb von zwei Werktagen nach Veröffentlichung des Nachtrags ausüben kann. Das hat zur Folge, dass das Angebot zur Zeichnung der betroffenen Wertpapiere noch widerrufen werden kann, wenn eine solche Nachtragspflicht kurz vor Ende des Angebots bzw. unmittelbar vor der Handelseinführung der betroffenen Wertpapiere entsteht und der Emittent der Pflicht durch Erstellung eines entsprechenden Nachtrags nachkommt. Dies gilt, obwohl zu diesem Zeitpunkt die Wertpapiere bereits geliefert bzw. in den Handel eingeführt sind. Die Ausgestaltung der Rückabwicklung in einem solchen Fall des Widerrufs wird vom Gesetz nicht geregelt.Im Freiverkehr der Frankfurter Börse kam es im vergangenen Jahr nach einigen Fällen des Marktmissbrauchs und Betrugs in enger Abstimmung mit der Hessischen Börsenaufsicht und der BaFin zu einer vollständigen Neustrukturierung des Marktsegments mit wesentlichen Änderungen für den Open Market und dessen Qualitätssegment “Entry Standards”. Höhere AnforderungenDie Aufnahme in den Entry Standard setzt nun ein öffentliches Angebot und damit einen von der BaFin gebilligten Wertpapierprospekt voraus. Zusätzlich wurden die Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsfolgepflichten verschärft. Das First Quotation Board für das Listing von insbesondere ausländischen Wertpapieren wurde zum 15. Dezember 2012 geschlossen, und für das fortbestehende Quotation Board gelten verschärfte Transparenzanforderungen. Seit Oktober 2012 werden in das Quotation Board neben Anleihen und Fonds nur noch Aktien oder Aktien vertretende Zertifikate einbezogen, die ein Listing an einem anderen von der Deutschen Börse anerkannten in- oder ausländischen börsenmäßigen Handelsplatz haben. Die Antragstellung erfolgt durch den Spezialisten, der die Handelbarkeit des Wertes sicherstellt, indem er Liquidität spendet und die Verpflichtung übernimmt, Kapitalmaßnahmen und andere relevante Informationen der Deutschen Börse unverzüglich mitzuteilen. Diese Neustrukturierung hat dazu geführt, dass für mehrere hundert Unternehmen die Notierung im First Quotation Board eingestellt wurde, während etwas über dreißig Unternehmen vom Quotation Board in den Entry Standard gewechselt haben. Erweiterte NotierungenZugleich hat die Deutsche Börse erfolgreich die Möglichkeit der Notierung von Unternehmensanleihen im Entry Standard und Prime Standard geschaffen und auch durch die Einführung einer neuen Xetra-Zeichnungsfunktionalität für die Möglichkeit von Fremdkapitalmaßnahmen neue Standards gesetzt.Für das Jahr 2013 werden einige große Börsengänge insbesondere im Immobilienbereich (LEG, Deutsche Annington) erwartet, zudem die Börseneinführung von Osram im Wege einer Abspaltung von der Siemens AG. Auch Springer Science, Ista und Kion werden als IPO-Kandidaten gehandelt.Daneben werden auch einige deutsche Unternehmen weiterhin den Blick nach Asien richten und ein Zweitlisting in Hongkong oder in Schanghai in Betracht ziehen, sobald dies rechtlich möglich ist, um ihren Footprint in Asien zu erhöhen. Die Allianz und die Deutsche Post haben für eine Zweitnotierung in Asien auf ihren Hauptversammlungen bereits die gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen.—-Dr. Herbert Harrer und Dr. Marco Carbonare sind Partner im Frankfurter Büro von Linklaters.