Recht und Kapitalmarkt

Neue Vergütungsregeln im Finanzsektor angemahnt

EU-Kommission fordert Einbeziehung der Entlohnungsvorgaben in das Risikomanagement der Banken

Neue Vergütungsregeln im Finanzsektor angemahnt

Von Gabriele Apfelbacher und Christof von Dryander*)Jüngst haben die G20, das Financial Stability Forum, die Larosière-Gruppe und andere dringenden Reformbedarf bei den Vergütungssystemen im Finanzsektor angemahnt, die in ihrer jetzigen Form als Krisenmitverursacher angesehen werden. Nicht zuletzt als Reaktion darauf veröffentlichten im April im Abstand von wenigen Tagen der Ausschuss der europäischen Bankenaufseher (CEBS) und die EU-Kommission ihre Grundsätze bzw. Empfehlungen für Vergütungsregelungen im Finanzsektor. Die Grundsätze und Empfehlungen beziehen sich jeweils auf die internen Vergütungsleitlinien oder – neudeutsch – die Vergütungs-Policy des Unternehmens.Zeitgleich begann auch eine Konsultation zu möglichen Vorschlägen der EU-Kommission für eine diesbezügliche Ergänzung der Eigenkapitalrichtlinie. Sofern nicht die nationalen Aufsichtsbehörden Übergangsregelungen gewähren, sollen die Kommissions-Empfehlungen ab Ende 2009 beachtet werden. CEBS erwartet, dass seine Grundsätze vorbehaltlich von Übergangsregelungen bereits bis zum Ende des dritten Quartals 2009 umgesetzt werden. Breiterer KreisWährend die CEBS-Grundsätze an Banken, Finanzdienstleister und deren Aufsichtsbehörden adressiert sind, richten sich die Kommissions-Empfehlungen ausdrücklich an den Finanz(dienstleistungs)sektor insgesamt, also nicht nur an Banken und Finanzdienstleister, sondern auch an (Rück-)Versicherer und sonstige regulierte wie unregulierte Unternehmen des Finanzsektors, deren Geschäftstätigkeiten vergleichbar sind. Was den Inhalt der jeweiligen Vergütungsleitlinien anbelangt, sind CEBS-Grundsätze und Kommissions-Empfehlungen sehr ähnlich, wobei die Kommissions-Empfehlungen an einigen Stellen etwas konkreter und weitreichender sind und daher nachfolgend analysiert werden. Die Bedeutung der CEBS-Grundsätze erschließt sich, wenn man einen Blick auf die Konsultation zur Ergänzung der Eigenkapitalrichtlinie wirft: Dort werden Vergütungsrisiken als neue Risikokategorie definiert und Grundsätze festgelegt, wie Institute mit diesen umgehen sollen. Gleichzeitig wird CEBS verpflichtet, Richtlinien für solide Vergütungsregelungen aufzustellen, die den vorgenannten Grundsätzen entsprechen. Genau um diese “Richtlinien” dürfte es sich bei den CEBS-Grundsätzen handeln.Die Kommissions-Empfehlungen sollen sowohl auf Ebene des Einzelunternehmens wie auch auf konsolidierter Basis gelten. Praktisch bedeutsam ist hier die Frage nach dem Konsolidierungskreis. Sollen sämtliche nach den anwendbaren Bilanzierungsregeln, also etwa IAS 27, in den Konzernabschluss einbezogenen Unternehmen erfasst werden oder beziehen sich die Kommissions-Empfehlungen auf eine regelungsspezifische “Gruppe” vergleichbar der Institutsgruppe im Gesetz über das Kreditwesen (KWG)?Die zusammen mit den Kommissions-Empfehlungen veröffentlichten “Häufig gestellten Fragen” legen nahe, dass nur Tochterunternehmen, die ihrerseits Aktivitäten des Finanz(dienstleistungs)sektors auf professioneller Basis erbringen, zur relevanten Gruppe gehören. Das Mutterunternehmen muss Sitz oder Hauptverwaltung in einem EU-Mitgliedsstaat haben, Tochterunternehmen aus der Finanz(dienstleistungs)branche sollen ausdrücklich auch erfasst werden, wenn sie ihren Sitz etwa in einem “Offshore-Finanzzentrum” haben. Ebenso gelten die Empfehlungen für EU-Niederlassungen von Unternehmen des Finanzdienstleistungssektors (wie z.B. europäische Niederlassungen amerikanischer Banken). Komplexe AnforderungenVor komplexe Anforderungen könnte die Umsetzung der Kommissionsempfehlungen global aufgestellte Finanzkonzerne, etwa einen US-Konzern mit einem deutschen Teilkonzern, stellen, die neben den europäischen auch den teils abweichenden US-amerikanischen Anforderungen an die Vergütungsregelung genügen müssen.Die Kommissions-Empfehlungen sollen für die Vergütung derjenigen Beschäftigten gelten, “deren berufliche Tätigkeiten eine wesentliche Auswirkung auf das Risikoprofil des Finanzinstituts haben”. Zudem stellt die Kommission ausdrücklich klar, dass die Vergütungsempfehlungen für den Finanzsektor diejenigen für Mitglieder der Unternehmensleitung börsennotierter Gesellschaften ergänzen.Dies kann sinnvoller Weise nur so verstanden werden, dass für die Vergütung der Mitglieder der Unternehmensleitung von Finanzinstituten auf jeden Fall die Kommissionsempfehlungen für den Finanzsektor, bei börsennotierten Unternehmen zusätzlich auch die Empfehlungen für börsennotierte Gesellschaften gelten. Der wohl wichtigste Aspekt der Kommissions-Empfehlungen ist die Einbeziehung der Vergütungsstruktur in das Risikomanagement eines Finanzinstituts. Das Risikomanagement muss künftig auch eine solide Vergütungsregelung beinhalten, die weder übermäßige Risikoanreize setzt noch übermäßig kurzfristiges Denken begünstigt. Dazu gehört insbesondere, dass feste und variable Vergütung in einem angemessenen Verhältnis stehen.Bei der Bemessung der variablen (leistungsbezogenen) Vergütung soll auf einen mehrjährigen Zeitraum abgestellt werden; neben den erzielten Ergebnissen sind auch damit im Zusammenhang stehende Risiken sowie Kapital- und Liquiditätskosten zu berücksichtigen. Die vertraglichen Vereinbarungen über variable Vergütungsanteile müssen so ausgestaltet werden, dass ein Rückzahlungsanspruch besteht, sofern sich nachträglich herausstellt, dass die Zahlung aufgrund falscher Daten erfolgte. Abfindungszahlungen bei vorzeitigem Ausscheiden dürfen kein Fehlverhalten belohnen.Die leistungsbezogene Vergütung von Mitarbeitern, die Kontrollfunktionen ausüben, etwa in den Bereichen Controlling, Compliance, interne Revision und teilweise auch Recht, soll ausschließlich nach der Erreichung der mit ihrer Funktion verknüpften Erfolgsziele erfolgen und unabhängig von dem Erfolg der kontrollierten Geschäftseinheiten. Um diesen Anforderungen zu genügen, werden die betroffenen Unternehmen ihre Vergütungsregelungen für die risiko-relevanten Ebenen (einschließlich derjenigen für Vorstand und Aufsichtsrat) überprüfen und teilweise neu verhandeln müssen.Aus der Definition der Vergütungsrisiken eines Finanzinstituts als relevante Risikokategorie ergeben sich zwei grundlegende Folgerungen. Erstens werden die Vergütungsregelungen als Bestandteil des Risikomanagement umfassend in das Aufsichtssystem eingebunden. Damit sind die nationalen Aufsichtsbehörden gehalten, die Einhaltung der Kommissionsempfehlungen zu überprüfen. Ansatzpunkt dürfte insoweit insbesondere 25a KWG sein (Ordnungsgemäßheit der Geschäftsorganisation, insbesondere des Risikomanagement). Zweitens sind die Auswirkungen der Vergütungsregelung auf das Risikoprofil des Einzelunternehmens und der Gruppe regelmäßig zu überprüfen. Daraus ergeben sich Auswirkungen auf die Corporate Governance. Der Aufsichtsrat wird sich in Zukunft auch mit der gruppenweiten Vergütungspolitik für die risiko-relevanten Ebenen unterhalb des Vorstands befassen müssen. Er soll nach dem Wunsch der Kommission insbesondere die allgemeinen Grundsätze der Vergütungspolitik des Unternehmens insgesamt festlegen und für ihre Umsetzung Sorge tragen.Diese Vorgabe wirft in Deutschland Fragen zur Abgrenzung der gesetzlichen Aufgaben von Vorstand und Aufsichtsrat auf. Einmal jährlich soll eine zentrale und unabhängige interne Überprüfung der Vergütungspolitik, vermutlich durch die interne Revision, erfolgen. Im Rahmen der Prüfung des Risikomanagement soll der Abschlussprüfer dem Aufsichtsorgan Schwachstellen bei der Umsetzung der Vergütungspolitik mitteilen. Interne und externe Transparenz sollen eine wirksame Überwachung und Kontrolle sicherstellen. Hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen an die Offenlegung bleiben die Kommissionsempfehlungen relativ abstrakt. Hier wird man sehen müssen, ob auf nationaler Ebene, etwa im Rahmen der Umsetzung der geänderten Eigenkapitalrichtlinie, weitere Konkretisierungen erfolgen.—-*) Dr. Gabriele Apfelbacher und Christof von Dryander sind Partner der Anwaltskanzlei Cleary, Gottlieb, Steen & Hamilton in Frankfurt.