Recht und Kapitalmarkt

Neues Instrumentarium hilft in der Bankensanierung

Restrukturierungsgesetz verringert negative Anreizwirkungen für systemrelevante Kreditinstitute

Neues Instrumentarium hilft in der Bankensanierung

Von Tim Oliver Brandi *)Der Bundesrat hat am 26. November 2010 dem Restrukturierungsgesetz in der zuvor vom Bundestag am 28. Oktober verabschiedeten Fassung zugestimmt. Damit konnte das Gesetz mit seinen Regelungen zum neuen Restrukturierungsfonds, zur Bankenabgabe, zum Sanierungs- und Reorganisationsverfahren für Kreditinstitute und den erweiterten aufsichtsrechtlichen Restrukturierungsbefugnissen der BaFin plangemäß zum Jahreswechsel in Kraft treten.Die vom Finanzausschuss und Wirtschaftsausschuss des Bundesrats am 12. November vorgeschlagenen Änderungen sind nicht in das verabschiedete Gesetzeswerk eingeflossen. Diese Forderungen umfassten unter anderem den Vorschlag, Bürgschaftsbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken von der Bankenabgabe auszunehmen, eine Ausnahme von der neuen zehnjährigen Verjährungsfrist für Organpflichtverletzungen bei Sparkassen und Landesbanken vorzusehen und das Verbot des Betriebsausgabenabzugs über die regelmäßigen Jahresbeiträge hinaus auf Sonderbeiträge zur Anschubfinanzierung des Restrukturierungsfonds zu erstrecken.Ebenso sind die Vorschläge der Ländervertreter zur Kalkulation der Bankenabgabe nicht in das Restrukturierungsgesetz eingeflossen. Insofern hatten Finanz- und Wirtschaftsausschuss des Bundesrats gefordert, auch das Risikogewicht der Aktiva sowie das Gesamtrisikoprofil von Termingeschäften in der Berechnung der Bankenabgabe zu berücksichtigen. Es wäre allerdings durchaus möglich, diese Aspekte im Rahmen der Vorgaben der nunmehr verabschiedeten Gesetzesfassung in die Berechnung der Bankenabgabe einfließen zu lassen. Insoweit bleibt die revidierte Fassung der Verordnung für die Berechnung der Abgabe abzuwarten. In dem ursprünglichen Diskussionsentwurf von Juli 2010 war dies noch nicht berücksichtigt.Mit dem planmäßigen Inkrafttreten ist gewährleistet, dass der bisherige Finanzmarktstabilisierungsfonds und das dazugehörige Instrumentarium an Stabilisierungsinstrumenten nahtlos von dem neuen Restrukturierungsfonds und den damit verbundenen Stützungsinstrumenten abgelöst werden. Auch der Restrukturierungsfonds wird zukünftig von der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA) verwaltet, der somit über die Verwaltung der bereits gewährten Stabilisierungsmaßnahmen hinaus eine weitere wichtige Aufgabe zukommt. Neue BefugnisseDie FMSA erhält durch das Restrukturierungsgesetz die Befugnis, mit den Mitteln des Restrukturierungsfonds Stützungsmaßnahmen in Gestaltung von Garantien oder Eigenkapitalzufuhr zu gewähren oder sogenannte “Brückeninstitute” zu gründen, auf die Geschäftsbereiche von systemrelevanten bestandsgefährdeten Kreditinstituten übertragen werden können. Der zulässige Empfängerkreis solcher Stützungsmaßnahmen der FMSA ist in Zukunft deutlich enger gefasst als nach dem bisherigen Finanzmarktstabilisierungsregime.Ab dem 1.1.2011 können nur noch solche Rechtsträger Stützungsmaßnahmen in Gestalt von Garantien oder Eigenkapitalzufuhr mit den Mitteln des Restrukturierungsfonds erhalten, auf die durch Übertragungsanordnung der BaFin oder im Rahmen eines Reorganisationsverfahrens Geschäftsbereiche eines systemrelevanten Kreditinstituts übertragen werden, das in seinem Bestand gefährdet ist. Mittel des bisherigen Finanzmarktstabilisierungsfonds stehen hingegen nach dem 31.12.2010 nicht mehr für neue Stützungsmaßnahmen, sondern nur noch zur Absicherung bereits gewährter Stabilisierungsmaßnahmen zur Verfügung.Das neue Instrumentarium zur Sanierung und Reorganisation von Kreditinstituten ist zu Recht als ein sinnvoller grundlegender Systemwechsel begrüßt worden. In der Tat erscheint es grundsätzlich geeignet, negative Anreizwirkungen (“moral hazard”) für Geschäftsleitung, Anteilseigner und Gläubiger hybrider Finanzierungsinstrumente von systemrelevanten Kreditinstituten zu verringern, die darauf beruhten, dass sie nach bisheriger Rechtslage davon ausgehen konnten, dass der Staat das Institut als “too big to fail” ansehen und durch staatliche Stützungsmaßnahmen auffangen würde.Ab 2011 erlaubt das dem Insolvenzplanverfahren nachgebildete Reorganisationsverfahren nunmehr, in die Rechte von Gläubigern (zum Beispiel durch Kürzung von Forderungen) und von Anteilseignern (zum Beispiel durch die Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital) einzugreifen. Zwar müssen an sich jede Gläubigergruppe und die Anteilseigner einem entsprechenden Reorganisationsplan jeweils mehrheitlich zustimmen. Jedoch gilt die Zustimmung opponierender Gläubigergruppen oder Anteilseigner unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen als erteilt, was sicherstellen soll, dass sinnvolle und erforderliche Restrukturierungen nicht an dem Widerspruch einzelner Gläubigergruppen oder der Anteilseigner scheitern.Auch das neu geschaffene Rechtsinstrument der sogenannten Übertragungsanordnung hat in diesem Zusammenhang eine zentrale Bedeutung. Hiermit kann die BaFin anordnen, dass Teile oder das gesamte Vermögen von systemrelevanten Kreditinstituten, die in ihrem Bestand gefährdet sind, im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf einen neuen Rechtsträger übertragen werden. Aufnehmender Rechtsträger kann eine bestehende Bank oder ein für diesen Zweck von der FMSA mit den Mitteln des Restrukturierungsfonds geschaffenes Brückeninstitut sein. Das bisherige Kreditinstitut kann anschließend der geordneten Abwicklung zugeführt oder in die Insolvenz entlassen werden.Angesichts der weiterhin schleppenden Rechtsentwicklung auf der Ebene der Europäischen Union war es im Nachhinein ein sinnvoller Schritt der Bundesregierung, insoweit nicht auf die Vorgaben des EU-Gesetzgebers zu warten, wie während des Gesetzgebungsverfahrens verschiedentlich gefordert worden war. Zudem verfügt die britische Finanzaufsicht ohnehin bereits über ähnliche Instrumentarien für die Restrukturierung von Banken.Gleichwohl ist zu befürchten, dass die praktische Umsetzung einer solchen Übertragungsanordnung im internationalen Kontext auf wichtige praktische Hindernisse stoßen kann. Besondere Gefahren können von den Beendigungs- und Verrechnungsklauseln ausgehen, die in Finanzierungs- und Derivateverträgen geschäftsüblich sind. Zwar schließt das Restrukturierungsgesetz eine Kündigung von Schuldverhältnissen allein aus Anlass der Vermögensübertragung aus. Jedoch ist zweifelhaft, inwieweit diese gesetzliche Regelung von ausländischen Gerichten anerkannt würde. Auch mag in vielen Fällen zweifelhaft sein, ob ausländische Gerichte den Vermögensübergang durch die Übertragungsanordnung auf den neuen Rechtsträger anerkennen. Zwar versucht das Restrukturierungsgesetz auch dieses Problem zu adressieren, indem es ein gesetzliches und insolvenzfestes Treuhandverhältnis schafft, wonach in solchen Fällen das bestandsgefährdete Kreditinstitut das übertragene Vermögen für Rechnung und nach Weisung des aufnehmenden Rechtsträgers verwaltet. Jedoch dürfte auch die Anerkennung dieser gesetzlichen Treuhand und ihrer Insolvenzfestigkeit in manchen ausländischen Rechtsordnungen zweifelhaft sein. Beispiele WestLB und HREDas mag dazu führen, dass die vom Restrukturierungsgesetz vorgesehene behördliche Übertragungsanordnung der BaFin im Rahmen ihrer praktischen Umsetzung durch diverse vertragliche Vereinbarungen zwischen dem bestandsgefährdeten Kreditinstitut und dem aufnehmenden Rechtsträger ergänzt werden muss, um das gewünschte Ziel der Vermögensübertragung zu erreichen. Der im zurückliegenden Jahr durchgeführte Transfer von Risikovermögen der WestLB und der Hypo Real Estate Gruppe auf hierfür geschaffene Abwicklungsanstalten hat gezeigt, welche vertraglichen Instrumentarien hierfür in Betracht kommen mögen.—-*) Tim Oliver Brandi ist Corporate-Partner in der internationalen Sozietät Hogan Lovells in Frankfurt.