Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Bernd Klemm

Neuregelung macht Weg für die "Rentner-GmbH" frei

Rechtssicherheit für die Ausgliederung von Pensionsrückstellungen - Asset Deals werden vereinfacht

Neuregelung macht Weg für die "Rentner-GmbH" frei

– Herr Klemm, was bedeutet das nun auch vom Bundesrat abgesegnete “Zweite Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes” für die Pensionsverbindlichkeiten der Unternehmen? Die Neufassung des Umwandlungsgesetzes stellt jetzt explizit klar, dass Pensionsverbindlichkeiten im Rahmen einer umwandlungsrechtlichen Spaltung auf eine separate Gesellschaft übertragen werden dürfen. Das Gesetz vollzieht damit die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und die überwiegende Ansicht der Literatur nach. Die sogenannte “Rentner-GmbH” ist damit nun auch gesetzlich anerkannt. – Was zeichnet diese Konstruktion aus? Dieser Rechtsträger haftet gesamtschuldnerisch für zehn Jahre gemeinsam mit dem Unternehmen, das Pensionsverbindlichkeiten abgespalten hat, für Versorgungsverpflichtungen zum Zeitpunkt der Abspaltung. Durch diese Frist soll sichergestellt werden, dass sich Unternehmen nicht durch die Ausgliederung von Pensionsverbindlichkeiten auf unterdotierte Rentnergesellschaften zulasten der Versorgungsberechtigten und des Pensionssicherungsvereins aG ihrer entsprechenden Verpflichtungen entledigen. – Was ist der Vorteil für Unternehmen, wenn diese Pensionsverbindlichkeiten so ausgliedern können?Nach Ablauf der Zehn-Jahres-Frist wird das übertragende Unternehmen komplett von den entsprechenden Pensionsverbindlichkeiten frei. Es handelt sich dabei nicht nur um eine bilanzielle, sondern auch um eine vollständige rechtliche Enthaftung des Unternehmens. Der ehemalige Arbeitnehmer hat folglich nur noch Ansprüche gegen die Rentner-GmbH. Konsequenterweise führt diese rechtliche Haftung natürlich auch zu einer bilanziellen Entlastung des Unternehmens. Es muss keine entsprechenden Pensionsverbindlichkeiten mehr ausweisen. Dies führt zu einer Verbesserung der Eigenkapitalquote und regelmäßig auch zu einem verbesserten Unternehmensrating. Denn insbesondere angloamerikanische Ratingagenturen betrachten Pensionsrückstellungen in den Unternehmensbilanzen nach wie vor sehr kritisch und werten dementsprechend “Outsourcing-Maßnahmen” positiv. – Es gibt aber doch auch andere Möglichkeiten der Ausgliederung von Pensionsverbindlichkeiten?Im Rahmen der rein bilanziellen Auslagerung von Pensionsverbindlichkeiten aus Direktzusagen erfreuen sich insbesondere Treuhandmodelle, sogenannte Contractual Trust Arrangements (CTA), nach wie vor großer Beliebtheit. Hier stellt das Unternehmen Vermögensmittel ausschließlich zur späteren Erfüllung der Pensionsverbindlichkeiten bereit und separiert diese durch Übertragung auf einen Treuhänder vom übrigen Unternehmensvermögen. Der Treuhänder wird dann mit der Verwaltung und Anlage der übertragenen Vermögensmittel im Rahmen einer Verwaltungstreuhand zugunsten des Arbeitgebers beauftragt. Daneben wird gleichzeitig – im Rahmen eines echten Vertrags zugunsten Dritter – eine Sicherungstreuhand gegenüber den versorgungsberechtigten Mitarbeitern begründet. Sofern diese insolvenzfest ausgestaltet ist, kann das Unternehmen im internationalen Konzernabschluss die übertragenen Vermögensmittel und die Pensionsverbindlichkeiten saldieren und verkürzt dadurch seine Bilanz. – Was bedeutet dies für die Haftung?Diese Vorgehensweise führt nicht zu einer rechtlichen Haftung des Unternehmens. Dieses bleibt als Arbeitgeber rechtlich gegenüber den Versorgungsberechtigten zur Erfüllung der Pensionszusagen verpflichtet. Sofern das Unternehmen aufgrund dieser fortbestehenden rechtlichen Verpflichtung Versorgungsansprüche erfüllt, hat es aber einen entsprechenden Anspruch auf Rückerstattung von Vermögensmitteln gegen den Treuhänder. – Welche Möglichkeiten ergeben sich durch die “Rentner-GmbH” für Asset Deals? Sogenannte Asset Deals werden unter diesem Aspekt einfacher. Häufig besteht hier das Bedürfnis, die beim Veräußerer bestehenden Pensionsverpflichtungen ausgeschiedener Arbeitnehmer auch auf den Erwerber zu übertragen. Diese Pensionsverbindlichkeiten gehen – im Gegensatz zu den Pensionsverbindlichkeiten für aktive Arbeitnehmer, welche vom Betriebsübergang erfasst werden – nämlich nicht automatisch auf den Erwerber über, sondern verbleiben grundsätzlich beim Veräußerer. Diese Konsequenz ist dann oft unerwünscht, wenn der Veräußerer sein gesamtes operatives Geschäft an den Erwerber übertragen möchte und somit lediglich auf den Versorgungsverbindlichkeiten gegenüber den ausgeschiedenen Arbeitnehmern “sitzen bleiben” würde. – Was war die Alternative? Hier blieb häufig nur der teure Weg der Übertragung der Pensionsverpflichtungen auf eine Pensionskasse oder einen Lebensversicherer. Denn eine gegenüber Dritten – also im Außenverhältnis – wirksame schuldbefreiende Übertragung von Pensionsverbindlichkeiten auf den Erwerber im Kaufvertrag im Wege der Einzelrechtsnachfolge scheitert an den restriktiven Vorschriften des Betriebsrentengesetzes. Gelegentlich wurden auch bereits zuvor Pensionsverpflichtungen im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge auf eine “Rentner-GmbH” ausgegliedert, die dann an den Erwerber veräußert wurde. Dieses Modell war bisher allerdings – mangels eindeutiger gesetzlicher Regelungen – mit einem gewissen Restrisiko behaftet. Dieses Restrisiko ist nun weggefallen. – Für welche Unternehmen ist diese Neuerung somit besonders interessant? Aufgrund der angesprochenen bilanziellen Effekte natürlich insbesondere für international tätige Unternehmen, die durch eine Ratingverbesserung ihre Position gegenüber Wettbewerbern positiv gestalten können. Im Hinblick auf die Fremdfinanzierungskriterien nach Basel II ist das Ausgliedern von Pensionsverbindlichkeiten mittlerweile aber auch durchaus für Mittelstandsunternehmen ein nicht zu vernachlässigendes Thema. Und last but not least ist die “Rentner-GmbH” im Hinblick auf die genannten Möglichkeiten im Rahmen eines Asset Deals für jeden Unternehmer interessant, der über die Veräußerung von Unternehmen oder Unternehmensteilen nachdenkt. – Werden viele Unternehmen von den neuen Möglichkeiten Gebrauch machen oder gibt es noch Hindernisse?Das grundsätzliche Interesse an der “Rentner-GmbH” war bereits vor der gesetzlichen Neuregelung groß. Allerdings haben es viele interessierte Unternehmen wegen der bisher bestehenden Restrisiken in der Vergangenheit gescheut, den Schritt tatsächlich zu wagen. Die jetzt verabschiedete Neuregelung gibt den Weg für “Rentner-GmbHs” endgültig frei, was die Attraktivität und die weitere Verbreitung dieser Gestaltungsvariante in Zukunft erhöhen dürfte. “Rentner-GmbHs” könnten sich dann bei deutschen Unternehmen endgültig als ein Instrument zur Auslagerung von Pensionsverbindlichkeiten und zur Entschärfung der “tickenden Zeitbombe” Pensionsrückstellungen durchsetzen. Bernd Klemm ist Arbeitsrechtler und Partner im Münchener Büro der internationalen Sozietät Lovells.Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.