Nicht nur an Weihnachten klingeln die Kassen
Von Frank Bremser, FrankfurtEs ist kalt in Deutschland, die Temperaturen bewegen sich um den Nullpunkt, Schnee fällt. In den Schaufenstern der Innenstädte ist Rot die dominierende Farbe. Die Weihnachtszeit ist gekommen, und die Einzelhändler versuchen alles, um die hoffentlich kauflustige Bevölkerung in ihre Konsumtempel zu locken und zum Kauf von Weihnachtsgeschenken zu animieren.Dabei spielt 2009 aber die Finanzkrise eine nicht unwesentliche Rolle. So will in diesem Jahr der deutsche Durchschnittsbürger rund 226 Euro Jahr für Weihnachtsgeschenke ausgeben – in etwa so viel wie im schwachen Jahr 2008 (vgl. BZ. vom 11.12.2009). Dies könnte für viele Branchen eine empfindliche Einbuße bedeuten, schließlich ist bei einigen das Weihnachtsgeschäft der Umsatzbringer des Jahres. Analysten wie Jürgen Elfers von der Commerzbank betonen jedoch, dass für viele Handelshäuser die Bedeutung dieses Geschäftes immer weiter sinkt.Dabei ist der erste Eindruck von den Weihnachtstagen bei den Einzelhändlern gemischt. So sagte etwa der Sprecher des Hauptverbandes des deutschen Einzelhandels (HDE), Hubertus Pellengahr, dass das dritte Adventswochenende noch nicht den erhofften Durchbruch gebracht habe. Insgesamt bewege sich der Geschäftsverlauf in etwa auf dem Niveau des Vorjahres, sagte Pellengahr. Deutlich zufriedener seien die Geschäftsleute in Süddeutschland und in einigen Einkaufsmetropolen gewesen – wo es kalt war. Besonders gefragt waren nach Angaben des HDE klassisches Spielzeug wie Puppen, Lego, Playmobil und Gesellschaftsspiele. Auch Spielekonsolen und die passenden Spiele seien stark gekauft worden. Angesichts der winterlichen Temperaturen seien auch Wintermode und Schals stark nachgefragt worden. Insgesamt sei die “farbige, kuschelige” Herbst- und Wintermode bei den Kunden gut angekommen, sagte der Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Textileinzelhandels (BTE), Steffen Jost. Im November hatten die Händler noch über die für die Jahreszeit zu milden Temperaturen geklagt und mit ersten Rabatten reagiert. Nachdem es nun etwas kälter geworden ist, verspreche das laufende Weihnachtsgeschäft mindestens das Vorjahresniveau zu erreichen. Trotz Wirtschaftskrise schließt der deutsche Modehandel dabei das Jahr 2009 mit einem stabilen Umsatz von etwa 56 Mrd. Euro ab – auf diesem Level lag er auch im vergangenen Jahr. “Hysterische Kaufverweigerung aus Krisenangst gab es nicht”, sagte Jost. “Insofern war es ein sensationell normales Jahr.”Damit scheint die Branche aber eher eine Ausnahme zu sein. Eine aktuelle Umfrage der UBS zeigt, dass europaweit viele Kunden in diesem Jahr weniger für Geschenke ausgeben wollen als noch im Vorjahr (siehe Grafik). Davon weicht jedoch zumindest in Deutschland der Spielzeughandel ab. Der Chef der Nürnberger Spielwarenmesse, Ernst Kick, spricht sogar von einer Sonderkonjunktur für Spielzeug, denn “die Kinder sollen die Krise als letzte spüren”. Amerikaner schwächelnWichtiger für den weltweiten Aufschwung und damit auch für die Aktien von Konsumgüterherstellern und Einzelhändlern ist aber der amerikanische Verbraucher. Und der hält sich in diesem Jahr bisher etwas zurück. So hat zuletzt zwar der Einzelhandelsumsatz zugelegt, insgesamt blieben die Aussichten für den US-Konsum aber vor allem aufgrund der nach wie vor hohen Verschuldung der Privathaushalte “eher trübe”, heißt es in einem Papier der Postbank. Zudem hinkt der US-Konsument nach einer aktuellen Studie des US-Einzelhandelsverbandes in diesem Jahr hinterher. Erst 46,7 % haben ihre Feiertagseinkäufe erledigt, der Rest wartet nun auf Schnäppchen. Diese Konsumzurückhaltung zeigt sich auch bei Luxusgüterhändlern wie Neiman Marcus in den USA. Wo es früher Zeppeline, ganze Rennställe oder U-Boote zu kaufen gab, geht es in diesem Jahr etwa kleiner zu, etwa mit einem Kronleuchter aus Recycling-Flaschen oder einem Leichtflugzeug. Und auch der traditionelle juwelenbesetzte “Fantasie-BH” von Victoria’s Secret fällt dieses Jahr mit einem Preis von 3 Mill. Dollar etwas kleiner aus – das Vorjahresmodell hatte noch 5 Mill. Dollar gekostet.Wie sich der Weihnachtsrausch in diesem Jahr auf die Bilanzen der Einzelhändler und damit auch der Produzenten von Konsumgütern niederschlagen wird, wird sich erst nach Auswertung der Daten im Januar zeigen. Zudem ist die Weihnachtssonderkonjunktur in vielen Aktienkursen bereits eingepreist. Dennoch schauen Fondsmanager und Analysten derzeit wieder verstärkt auf den Handel und die Konsumgüterindustrie. Diesen steht zwar ein spannendes Jahr bevor, aber sie dürften sich einmal mehr als beruhigender Hafen in windigen Börsenzeiten erweisen – und bieten sich somit auch als Fondsinvestment an. Denn es zeichnet sich ab, dass die Finanzkrise noch lange nicht ausgestanden ist und sich verstärkt auf den Arbeitsmarkt und die Unternehmenswelt auswirken wird, etwa über Unternehmensinsolvenzen. Und ein Verbraucher mit kleinerem oder keinem Einkommen isst und trinkt weniger oder zumindest kostenbewusster.Dennoch werden Konzerne wie Nestlé oder Beiersdorf weniger unter einer solchen Krisenfortsetzung leiden als etwa Luxusgüterhersteller wie LVMH. So betonen die Analysten der Landesbank Baden-Württemberg, dass die Geschäftsmodelle dieser Unternehmen auf die Basis der Bedürfnispyramide ausgerichtet sind, wo es “erhebliche Beharrungseffekte im Konsumverhalten” gibt. Zudem seien Güter des täglichen Bedarfs nur bedingt substituierbar, und die etablierten Unternehmen der Konsumgüterbranche zeichneten sich seit Jahren durch eine sehr hohe Solidität aus. Die gute Situation am Kapitalmarkt für die Unternehmen beruhe auch auf “dem Urvertrauen der Investoren in bekannte Produkte des täglichen Bedarfs” .—– Leitartikel Seite 8