Immobilien

Non-Performing Loans haben Hautgout

"Der Markt ist noch nicht wieder in Fahrt gekommen" - Immobilien-AGs in Deutschland abgehängt

Non-Performing Loans haben Hautgout

Von Ulli Gericke, BerlinDie ganze Richtung stimmt nicht, beklagt Andreas Schillhofer. Während noch vor wenigen Jahren der Verkauf von “Non-Performing Loans” (NPL) positiv gesehen wurde, weil damit bei Banken Eigenkapital frei wurde, mit dem neue Kredite vergeben werden konnten, hat solch ein Deal in der Zwischenzeit einen Hautgout. Das Veräußern eines NPL-Portfolios “wird heute eher als Indiz für Schwäche gesehen”, erklärt Schillhofer, Leiter des deutschen Real Estate Investment Bankings bei der italienischen Mediobanca, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. “Hinzu kommt, dass einige der großen Banken – zum Teil dank staatlicher Unterstützung – die geforderte Kernkapitalausstattung trotz der Problemkredite im Bestand erfüllen.”Kein Wunder folglich, dass die Bank, die unlängst ein nominell ca. 100 Mill. Euro schweres Portfolio leistungsgestörter Kredite an Colony Capital veräußert hatte, nicht genannt werden will. Im Gegensatz zur BAG Bankaktiengesellschaft Hamm, die Ende vergangenen Jahres Darlehen von gewerblich genutzten Immobilien mit einen Nennwert von rund 90 Mill. Dollar an das im Privatbesitz befindliche US-Investitionsunternehmen verkauft hatte. Aber die BAG Hamm ist das Kompetenzzentrum für problematische Kreditengagements in der Genossenschaftfamilie, sie bringt also von sich aus schon den gewissen Hautgout mit.Und macht das Beste draus: Mit dem Verkauf des Portfolios an Colony verschafften sich die Hammer freie Kapazitäten für die Betreuung und den Ankauf neuer notleidender und leistungsgestörter Kredite von Genossenschaftsbanken, mit denen wegen der schwierigen Konjunktur zu rechnen ist.Nunmehr hat Colony Capital zum zweiten Mal in Deutschland zugeschlagen. Zwar umfasst das NPL-Portfolio diesmal nicht nur 90 Mill. Dollar nominal, sondern 100 Mill. Euro. Doch so richtig groß ist auch dieser Deal nicht – verglichen mit den Transaktionen der Jahre 2005 bis Mitte 2008. Wie damals belaufen sich die Abschläge in der Regel auf Discounts zwischen 40 und 60 % des Nominalvolumens, erläutert Schillhofer, abhängig von der Qualität der fremdfinanzierten Immobilien. Der von der hiesigen Niederlassung der Mediobanca betreute jüngste Deal umfasste meist Bürogebäude mit einigen Wohnungen “quer durch Deutschland”, versichert der Immobilienexperte. Dabei habe die verkaufende, hierzulande ansässige Bank durchaus über eine auf die Abwicklung von problembehafteten Darlehen spezialisierte “Workout”-Abteilung verfügt.Mit der Transaktion häuften sich inzwischen zwar Einzelfälle – insgesamt “ist der Markt aber noch nicht in Fahrt gekommen”. Das erwartet Schillhofer auch erst für das nächste und übernächste Jahr, wenn viele ehrgeizige Immobilienfinanzierungen aus der Boomperiode vor Beginn der Subprime-Krise im Sommer 2007 refinanziert werden müssen. Wenn dann zur einstmals hohen Beleihungsquote auch noch ein deutlicher Wertverfall hinzukomme, der neues Eigenkapital nötig mache, explodiere der Markt mit Non-Performing Loans, so die Erwartung.Von den gewerblichen Immobilienkrediten von grob gerechnet 300 Mrd. Euro hierzulande dürften nach Schillhofers Schätzungen 5 bis 10 % notleidend werden. Würde von dieser “default rate” von 15 bis 30 Mrd. Euro die Hälfte verkauft, ergäbe sich allein in Deutschland ein NPL-Potenzial von 7,5 bis 15 Mrd. Euro. Dementsprechend erwartet der Mediobanca-Mann ab nächstem Jahr Transaktionsvolumina von kumuliert ca. 1 Mrd. Euro – was bei den üblichen Discounts Darlehen im Nominalwert von 2 Mrd. Euro entsprechen würde.Die Bank habe bei dem jüngsten Deal beraten, listet Schillhofer auf. Das begann mit dem Einholen indikativer Angebote, umfasste die Due Diligence sowie die Einrichtung des Datenraums, die rechtliche Beurteilung der Mietverträge und ging bis zur Bewertung der Immobilienobjekte, die hinter den Krediten stehen. Da die Transaktion mit rund 50 Mill. Euro überschaubar war, stellte Mediobanca dem Käufer Colony Capital keine eigene Finanzierung zur Seite, wie es bei größeren Deals üblich sei. Im Regelfall würden etwa 50 % der Kaufsumme fremdfinanziert (die selbst wiederum nur 40 bis 60 % des Nominalwertes der Immobilienfinanzierung umfasst), beobachtet Schillhofer, womit die Bank etwa ein Viertel der einstigen Darlehenssumme finanziere – “das kann durchaus interessant sein”. “Kein gesundes Verhältnis”Ein grundsätzliches Problem ahnt Schillhofer auch bei Immobilien-Aktiengesellschaften. Während in vielen Ländern relevante Teile des Immobilienvermögens in öffentlich notierten AGs gebunden sind, dominieren in Deutschland offene und Spezialfonds. Allein die offenen Fonds hätten Assets von über 90 Mrd. Euro in ihren Büchern, wohingegen sich die kumulierte Marktkapitalisierung sämtlicher hiesiger Immobilien-AGs auf gerade einmal magere 5 Mrd. belaufe – “das ist kein gesundes Verhältnis”, urteilt der Immobilienexperte.Dagegen steht seine Beobachtung, nach der größere Bestandshalter an die Börse wollten – oder deren Eigentümer einen Exit suchten. Wie vor einigen Monaten die Berliner Wohnungsfirma GSW Immobilien, deren IPO aber in den Wirren der Griechenland-Krise versandete. Die Alternative eines Verkaufs an einen strategischen Investor sieht Schillhofer aber als schwer zu realisieren an, da es kaum Käufer gebe. Andere große Bestandshalter wie die Deutsche Annington Immobilien oder die Gagfah stünden selbst unter Exit-Druck oder hätten eigene Finanzierungsprobleme zu lösen. Und Finanzinvestoren litten weiterhin unter zögerlichen Banken, sodass sie nicht genügend Fremdkapital zum Kauf einsammeln könnten. Angesichts dieser fehlenden Alternativen sei ein Börsengang “immer noch der am besten geeignete Kanal” für ein Exit – zumal weitere größere Wohnungsbestandshalter, wie die LEG Nordrhein-Westfalen, die LBBW Immobilien oder Pirelli Real Estate, an den Markt drängten. Und sei es mittelfristig, wie der geplante Zusammenschluss der Evonik Immobilien mit der THS, die gemeinsam über etwa 130 000 Wohnungen verfügen.Vor einem Börsengang steht eine realistische Bewertung der Assets. Hier läuft in Deutschland jedoch einiges schief, zumindest im Vergleich zu anderen Ländern. Nach Schillhofers Beobachtung wird hierzulande ein durchgängig höherer Nettosubstanzwert (Net Asset Value – NAV) verbucht – mit der Folge, dass selbst solide Wohnungsunternehmen wie die Deutsche Wohnen an der Börse zu knapp einem Drittel unter NAV notierten. Kritisch beurteilte Titel, wie etwa die Gagfah, sind am Kapitalmarkt gerade einmal halb so viel wert wie in ihren eigenen Büchern. Kommt dann noch, wie bei jedem Börsengang, ein IPO-Abschlag hinzu, um potenziellen Investoren den Aktienkauf schmackhaft zu machen, geht jedes vernünftige Verhältnis zum NAV verloren. NAV-Berechnung fehlerhaft”Jede Immobilienaktie muss in der Lage sein, nach einem Börsengang in Richtung NAV zu traden”, gibt der Mediobanca-Experte vor – “und in anderen Ländern sind sie dort”. Als Erklärung für diese offenkundige Differenz nennt Schillhofer eine größere Transparenz und Fungibilität im Ausland, aber auch andere Techniken, mit denen der NAV ermittelt wird. So bleibt die Diskrepanz, dass es einerseits “erhebliches Interesse an deutschen Immobilien gibt” – was sich jedoch andererseits “in den Bewertungen von deutschen Immobilienaktien noch nicht niedergeschlagen hat”.