Immobilien

Notverkäufe von Immobilien bahnen sich an

Investmentmarkt ringt im aktuellen Umfeld nach Luft - Wessen Kredite jetzt auslaufen, den trifft es hart

Notverkäufe von Immobilien bahnen sich an

Von Christoph Ruhkamp, Düsseldorf Mit der avisierten Notfusion der beiden österreichischen Immobilienkonzerne Immoeast und Immofinanz rückt die Kreditkrise erneut ein Stück näher an die deutschen Immobiliengesellschaften heran. Denn die beiden Unternehmen planen den Zusammenschluss, um einen Kredit der Immoeast über 1,8 Mrd. Euro an die Muttergesellschaft Immofinanz zu neutralisieren. Darüber hinaus muss der gerade erst angetretene neue Vorstandschef Thomas Kleibl Immobilien für 260 Mill. Euro verkaufen, um die Liquidität zu sichern.Auch in Deutschland werden mittlerweile Notverkäufe von Immobilien zur Vermeidung von Pleiten befürchtet. “Grundsätzlich wird es mehr Transaktionen geben, um die Liquidität zu sichern”, sagte Marcus Lemli, Kapitalmarktchef beim internationalen Immobilien-Finanzdienstleister Jones Lang LaSalle (JLL) der Börsen-Zeitung. “Das wird sich in vielen Fällen nicht vermeiden lassen. Nämlich dann, wenn man Fälligkeiten von Krediten hat, die sich nicht durch eine Umfinanzierung verschieben lassen”, meint auch ein Londoner Immobilienanalyst, der nicht genannt werden möchte. “Gegenwind” in ganz EuropaNach Einschätzung von JPMorgan bekommt die ganze europäische Immobilienbranche “Gegenwind durch die begrenzte Verfügbarkeit von Krediten, steigende Risikoprämien, gebremstes Wachstum der Mieten und (erzwungene) Verkäufe”, wie es in einem aktuellen Kommentar heißt. Übertrieben sei der daraus resultierende Kurseinbruch im Falle des Hamburger Gewerbeimmobilienkonzerns Alstria, der hauptsächlich von der Stadt Hamburg gemietete Immobilien besitzt. Nach Schätzung von JPMorgan müssen börsennotierte Immobiliengesellschaften in Europa in den nächsten zwölf Monaten fast 6 Mrd. Euro refinanzieren.Den größten Anteil von Krediten, die in diesem Zeitraum fällig werden, hätten in Deutschland Patrizia und die IVG. Den geringsten Spielraum, um einen Bruch der Kreditvereinbarungen zu vermeiden, gebe es bei Patrizia. Hier könnte es deshalb zu Immobilienverkäufen kommen.Erste Beispiele für Notverkäufe gibt es auch jetzt schon. Dazu zählt der Gewerbeimmobilienkonzern Eurocastle, ein heimlicher Riese für deutsche Büroimmobilien. Die einst dem Finanzinvestor Fortress gehörende Gesellschaft hatte für mehrere Milliarden Euro unter anderem die Gebäude von Deutscher und Dresdner Bank für deren eigene Mitarbeiter sowie Immobilien aus dem damaligen DB-Real-Estate-Fonds Grundbesitz erworben. Durch Bankfusionen steigen nun teils die Leerstände in diesen Gebäuden. Eurocastle als VorbildUm Schuldzinsen und Tilgung der Kredite bedienen zu können hat die in Amsterdam notierte Eurocastle in den vergangenen Monaten schon Immobilien für mehrere hundert Millionen Euro abgestoßen und weitere Deals angekündigt. Der Kurs von Eurocastle hat sich seit Frühjahr 2007 von 45 Euro auf heute 1,50 Euro verringert. Der Börsenwert des Konzerns liegt nun bei weniger als 100 Mill. Euro. Der Aktienmarkt antizipiert also eine Pleite .Insgesamt gilt: Wer jetzt Immobilien verkaufen muss oder will, den trifft es hart. Der Investmentmarkt liegt derart am Boden, dass etwa die Frankfurter DIC Asset, an der Morgan Stanley beteiligt ist, ihre geplanten Verkäufe zunächst zurückgestellt hat. Dafür ist die IVG weiterhin dabei, einen Teil ihres Portfolios zu verkaufen.Eine “vorübergehende” Immobilienpleite gab es hierzulande auch schon: Der Fonds Level One, dem 28 000 Wohnungen gehören, meldete zunächst Insolvenz an. Dann fand er kürzlich doch noch einen Investor. Bei den meisten Finanzinvestoren wird erwartet, dass sie erst 2009 mit größeren Verkäufen beginnen, weil dann die ersten größeren Fälligkeiten von Krediten anstehen. Das Gleiche gilt für die in Deutschland mit jeweils mehr als 10 Mrd. Euro in Immobilien engagierten US-Banken Goldman Sachs und Morgan Stanley. Als wahrscheinlichste Käufer von Immobilien gelten die eigenkapitalstarken offenen Fonds, die nicht auf Kredite angewiesen sind. “Verunsicherung und Hektik”Laut Jones Lang “ringt der deutsche Investmentmarkt derzeit nach Luft”. Verunsicherung und Hektik hätten die letzten Wochen des dritten Quartals bestimmt. Beides habe sich auch in den ersten Oktobertagen fortgesetzt. Ohne Refinanzierung der Banken gebe es keinen Kredit an Unternehmen, ohne Kredit keine Immobilienfinanzierung und ohne Finanzierung keine Immobilienfinanzierung. Diese Kette verdeutliche die enge Verflechtung des Immobilienmarktes mit dem Kapitalmarkt, so Jones Lang. Eigenkapital gefragtBei den klassischen Immobilienunternehmen selbst hört man dagegen selten so klare Worte. Eine Ausnahme machte gestern der Chef der Münchener Immobilienfirma Fair Value Reit. Er sieht die Finanzkrise als Belastungsprobe für die Branche.An Gewerbeimmobilien interessierte Investoren müssten derzeit mehr Eigenmittel vorweisen, um Kredite für Zukäufe zu bekommen, erklärte Frank Schaich in einem Interview mit Reuters. Zudem sei es teurer geworden, sich zu verschulden. Banken verliehen größere Summen häufig nur noch zusammen mit anderen Instituten. “Bis zum Jahresende einen Kredit über 500 Mill. Euro zu bekommen, erscheint mir beinahe unmöglich, da Banken aktuell Partner in einem Konsortium zu brauchen scheinen für alles, was über 50 Mill. Euro liegt”, so Schaich.