Recht und Kapitalmarkt

Offene Immobilienfonds im Visier der Politik

Gesetzentwurf stellt Konzept der gesamten Branche in Frage - Anleger sollten aber Ruhe bewahren

Offene Immobilienfonds im Visier der Politik

Von Markus Wollenhaupt *)Das Bundesfinanzministerium (BMF) plant in einem kürzlich bekannt gewordenen Gesetzentwurf grundlegende Veränderungen am Konzept der offenen Immobilienfonds. Hierdurch soll die Liquiditätssteuerung der Fonds verbessert werden, um künftig Fondsschließungen einfacher vermeiden zu können. Die vorgeschlagenen Maßnahmen gehen aber zu weit und senden die falschen Signale in den Markt. Mit der Folge, dass der offene Immobilienfonds viel von seiner bisherigen Attraktivität einbüßen könnte. Dennoch sollten Anleger dem Produkt nicht voreilig den Rücken kehren – schließlich bleibt dem BMF noch genügend Zeit, den Entwurf nachzubessern. MindesthaltefristenNach der Vorstellung des Ministeriums müssten Anleger künftig Fondsanteile für mindestens 24 Monate halten, bevor die Rückgabe möglich ist. Hinzu kämen Kündigungsfristen von 6 bis 24 Monaten, wobei Rückgaben nur zu festen, höchstens halbjährlichen Terminen vorgesehen sind. Dies würde eine Abkehr vom Konzept des offenen Fonds bedeuten, da die Liquidität der Fondsanlage aus Anlegersicht stark eingeschränkt wird. Der Anleger soll den Nachweis darüber, dass er die Fondsanteile für die Mindesthaltedauer gehalten hat, über eine gesonderte, von der Depotbank auszustellende Bescheinigung führen.Die Kontrolle der Mindesthaltedauer scheint nicht für alle Anbieter praktikabel und führt darüber hinaus zu zusätzlichen administrativen Kosten, die zulasten der Fondsperformance gehen. Offen sind ferner wichtige Detailfragen, wie etwa die Anwendung der Mindesthaltedauer auf Erben oder rechtsgeschäftliche Erwerber von Fondsanteilen sowie der Umgang mit Sparplänen, die monatliche Auszahlungen vorsehen und daher eine monatliche Rückgabemöglichkeit benötigen.Die Einführung einer Mindesthaltedauer auch für Privatanleger erscheint vor dem Hintergrund der angestrebten Verbesserung der Liquiditätssteuerung insgesamt fraglich. Rückgaben von Kleinanlegern haben in der Vergangenheit wohl nur selten Fondsschließungen ausgelöst. Zudem dürfte der offene Immobilienfonds für Kleinanleger unattraktiver werden, da die kurzfristige Rückgabemöglichkeit bei verändertem Liquiditätsbedarf eines Privatanlegers ein wichtiges Argument für diese Anlageform ist. Das BMF muss sich also fragen lassen, wie sich diese Pläne damit in Einklang bringen lassen, dass die Immobilienfondsanlage ein wichtiger Baustein der immer wichtiger werdenden privaten Altersvorsorge ist. Pauschaler WertabschlagDer zu Recht am heftigsten kritisierte Vorschlag betrifft die Verpflichtung der Kapitalanlagegesellschaften, die Immobilien ihrer Fonds pauschal um 10 % abzuwerten. Für Immobilien im Bestand könnte diese Abwertung in mehreren Stufen über einen Zeitraum von fünf Jahren erfolgen. Neu angeschaffte Immobilien wären dagegen bereits beim Erwerb lediglich mit maximal 90 % des vom Sachverständigenausschuss ermittelten Verkehrswertes in den Fonds einzustellen.Die Begründung für diesen pauschalen Wertabschlag: Immobilienwerte müssten sich stärker an Bilanzierungsregeln orientieren. Dies sei notwendig, da die Kapitalanlagegesellschaften nicht mehr wie früher davon ausgehen dürften, Immobilien langfristig im Fonds zu halten. Allerdings kann eine Abwertung nach dem Gießkannenprinzip kaum zu sachgerechten Ergebnissen führen. SchwachstellenNeben dieses systematische Defizit tritt zudem folgender Aspekt: Welcher Anleger würde in einen Fonds investieren, der gesetzlich verpflichtet ist, innerhalb der nächsten Jahre Abschläge im zweistelligen Bereich vorzunehmen – und zwar unabhängig von der tatsächlichen Wertentwicklung seiner Immobilien? Die deutlichen Schwachstellen der pauschalen Abwertung lassen Zweifel an der politischen Durchsetzbarkeit dieses Vorschlags aufkommen. Entgegensetzen könnte man ein Prinzip, das die Interessen der verschiedenen Anlegergruppen eines Fonds besser ausgleicht.Galt bisher einheitlich für alle Publikumsimmobilienfonds eine Mindestliquidität von 5 %, wären nun nach der Kündigungsfrist gestaffelte Mindestliquiditätsquoten einzuhalten. Bei sechsmonatiger Kündigungsfrist wären mindestens 15 % des Fonds in täglich verfügbaren liquiden Mitteln anzulegen. Bei längeren Kündigungsfristen verringerte sich die zu haltende Mindestliquidität auf 10 bzw. 5 %, bei einer Kündigungsfrist von 24 Monaten entfiele sie ganz. Mögliche Folgen: Die höhere Mindestliquidität resultiert zwangsläufig in einer Verwässerung der Fondsanlage. Überdies führt die Staffelung dazu, dass die Vergleichbarkeit der Fondsperformance verschiedener Fonds erschwert wird.Zudem wären Kapitalanlagegesellschaften künftig verpflichtet, Immobilienfonds zum Handel an einem organisierten Markt zuzulassen oder diese jedenfalls in den Freiverkehr einzubeziehen. Über den Börsenhandel soll erreicht werden, dass Anleger – trotz Einführung von Mindesthalte- und Mindestkündigungsfristen – ihre Anteile jederzeit und, nach Vorstellung des BMF, abschlagsfrei veräußern können.Dieser Vergleich hinkt jedoch: Bei einer Veräußerung an der Börse sind zwar keine Abschläge zu entrichten. Es werden aber Transaktionskosten ausgelöst, die bei einer Rückgabe an die Kapitalanlagegesellschaft gerade nicht fällig wären.Daneben wird der Börsenpreis von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst und weist damit eine höhere Volatilität auf als der von der Kapitalanlagegesellschaft ermittelte Anteilswert. Eine Börsenzulassung ist darüber hinaus mit zusätzlichen Kosten verbunden, die vom Fonds und damit letztlich vom Anleger zu tragen sind. Auch bei anderen im Investmentgesetz vorgesehenen Fondstypen mit eingeschränkter Rückgabemöglichkeit ist eine Börsenzulassung nicht zwingend vorgesehen. TeilliquidationNach dem Entwurf hätte die Kapitalanlagegesellschaft mit dem Abverkauf von Immobilien zu beginnen, wenn die liquiden Mittel des Fonds nach einem halben Jahr nach Aussetzung der Rücknahme nicht zur Auszahlung der zurückgegebenen Anteile ausreichen. Insgesamt stünde der Kapitalanlagegesellschaft dafür wie bisher ein Zeitraum von bis zu zwei Jahren zur Verfügung. Dabei müssten die Immobilien zu angemessenen Bedingungen veräußert werden. Ab dem zweiten Jahr der Schließung wären Abschläge von bis zu 10 %, nach Ablauf des zweiten Jahres sogar von bis zu 20 % möglich.Neu ist die Möglichkeit, dass die Anleger eines Fonds per Mehrheitsbeschluss in eine Veräußerung von Immobilien mit höheren Abschlägen einwilligen könnten. Ein solcher Beschluss wäre aber nur wirksam, wenn mindestens 30 % der Stimmrechte bei der Beschlussfassung vertreten waren.Mit der durch die Veräußerung frei gewordenen Liquidität könnten Rückgaben bedient werden. Es drängt sich daher die Frage auf, ob es sachgerecht ist, die bei der Veräußerung erlittenen Abschläge auf die Schultern aller Anleger zu verteilen. Vertrauen beschädigtDer Entwurf des BMF sollte dringend überarbeitet werden. Denn er birgt das Risiko, Anlegervertrauen zu erschüttern: Diese könnten abwägen, ob ein offener Immobilienfonds bei einer vergleichsweise moderaten Performance-Erwartung trotz mittelfristiger Kapitalbindung noch die richtige Investition ist.Ferner ist zu bedenken, dass die Vorschläge vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise entstanden sind. Das Maßnahmenpaket ist aber gerade kein zeitlich begrenztes Mittel, das auf die Bewältigung dieser besonderen Situation zugeschnitten ist. Frage der VerursacherZwar sind einige der Fonds im Zuge der Krise in Liquiditätsschwierigkeiten geraten. Sie mussten diese Situation aber – anders als viele andere Marktteilnehmer – ohne staatliche Unterstützung bewältigen. Das ist der Mehrzahl der offenen Fonds auch gelungen.Daher sollten sich die an sich zu begrüßenden Maßnahmen eher auf die institutionellen Anleger und Dachfonds fokussieren, die in solche Fonds investieren – weil gerade sie es waren, die durch Anteilsrückgaben Liquiditätsengpässe verursacht haben.—-*) Markus Wollenhaupt ist Partner im Frankfurter Büro von Linklaters LLP.