Immobilien

"Offenen Fonds droht die Abwicklung"

Branche kritisiert vorgeschlagene Änderungen des Investmentgesetzes heftig

"Offenen Fonds droht die Abwicklung"

Von Thomas List, Frankfurt Wird der Bundesfinanzminister zum Totengräber der offenen Immobilienfonds? Nach Meinung vieler Branchenteilnehmer ja – zumindest dann, wenn die Änderungen des Investmentgesetzes, die das Ministerium im Diskussionsentwurf des “Gesetzes zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts” zur Diskussion gestellt hat, auch so umgesetzt werden (s. Textkasten). Schweizer Modell kommtIn der Tat sind die Vorschläge eine deutliche Abkehr vom bisherigen deutschen Weg hin zum Schweizer Modell mit Kündigungsfristen, festen Rückgabeterminen und verpflichtender Börsennotierung der Anteile. Bisher war es gerade eines der wichtigsten Merkmale des deutschen offenen Immobilienfonds, dass die Anleger ihre Anteile täglich zurückgeben konnten. Obwohl es einen systemimmanenten Widerspruch zwischen dieser dauernden Verfügbarkeit und dem grundsätzlich nur eingeschränkt fungiblen Gut Immobilie gibt, hat dies über Jahrzehnte funktioniert – bis vor wenigen Jahren, als einige wenige Fonds erstmals die Anteilsrücknahme für einige Zeit aussetzen mussten.Der Branche gelang es nicht, diese Probleme durch einheitliche Maßnahmen wie die Einführung von Kündigungsfristen oder Rückgabeaufschlägen insbesondere für institutionelle Investoren zu lösen. Der Gesetzgeber will nun mit der Neuregelung Rücknahmeaussetzungen für die Zukunft entgegenwirken, wie es in der Gesetzesbegründung heißt. Durch die tägliche Rückgabemöglichkeit der Fondsanteile würden nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre nicht nur Anleger und Produkt, sondern auch die Finanzplatzintegrität nachhaltig geschädigt. Durch die Mindesthaltefrist und die Kündigungsfristen sollen eine angemessene Liquiditätssteuerung und damit ein nachhaltiges Offenhalten des Sondervermögens erreicht werden, schreibt das Bundesfinanzministerium (BMF). Heftige KritikGerade diese Mindesthalte- und Kündigungsfristen werden heftig kritisiert. Albrecht Dirnaichner von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte findet es falsch, dass nicht zwischen Privat- und Großanlegern differenziert wird. “Den Vorschlag des BVI nach einer größenabhängigen Differenzierung zwischen Retailkunden und institutionellen Anlegern halte ich für sinnvoller.” Würden die aktuellen Vorschläge des BMF Gesetz, fürchtet Dirnaichner, dass sich Kleinanleger nur noch schwer für offene Immobilienfonds entscheiden werden. Dies gelte auch deshalb, weil es noch nicht absehbar sei, wie sich die Börsenkurse im Vergleich zu den von KAG bzw. Depotbank errechneten Inventarwerten entwickeln würden.Auch Tino Tschammler vom Makler DTZ Deutschland spricht sich für eine konsequente Trennung zwischen privaten und institutionellen Investoren aus. “Für Privatkunden sollte es solche Fristen nicht geben, für Großkunden hingegen schon”, sagte Tschammler der Börsen-Zeitung. Neben dieser Differenzierung sollten die Fonds nach ihren unterschiedlichen Chance-Risiko-Profilen kategorisiert werden.Die Verteilung des 10 %-Wertabschlags auf die Gutachterwerte auf fünf Jahre und die mit dem Andauern des Liquiditätsengpasses steigenden Wertabschläge auf die zu verkaufenden Objekte sind für Steffen Sebastian vom Institut für Immobilienwirtschaft an der Universität Regensburg die zentralen Kritikpunkte am vorliegenden Referentenentwurf. “Wenn sich diese beiden Punkte nicht im Laufe des Gesetzgebungsprozesses ändern lassen, droht einem der erfolgreichsten Investitionsvehikel für deutsche Privatanleger über kurz oder lang die Abwicklung”, sagte Sebastian der Börsen-Zeitung. Die Ankündigung, den Wertabschlag über fünf Jahre zu verteilen, setze auch Anleger unter Druck, zu verkaufen, die ihr Geld gar nicht brauchten. Am Bewertungsverfahren selbst will er nichts ändern. “Schätzspannen zwischen verschiedenen Gutachtern gibt es immer. In einem Portfolio gleicht sich das aber wieder aus.” Sebastian spricht sich für eine Rotation bei den Gutachtern aus. “Am besten wäre es, wenn sie die Aufsicht bestellt. Alternativ sollte jedes Jahr ein anderer Gutachter die Immobilien eines Fonds bewerten.” Für destabilisierend hält der Wissenschaftler auch die steigenden Wertabschläge auf die Fondsobjekte, je länger der Fonds geschlossen ist. “Damit hat der Anleger den Anreiz, möglichst früh auszusteigen.”