Recht und Kapitalmarkt

Offenlegung von Vorstandsgehältern ist ein Dauerbrenner

Urteil des OLG Köln zu Sparkasse als Warnschuss für Anwender und Apologeten

Offenlegung von Vorstandsgehältern ist ein Dauerbrenner

Von Matthias Schüppen *)In einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hat das OLG Köln einer niederrheinischen Sparkasse untersagt, das Gehalt des Vorstandsvorsitzenden zu veröffentlichen (Urteil vom 9. Juni 2009 – 15 U 79/09). Obwohl die tragenden Gründe im Kern auf den eher formalen Gesichtspunkt der verfassungswidrigen Handhabung der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz (Artikel 72, 74 Grundgesetz) durch das Land Nordrhein-Westfalen rekurrieren (und dabei keineswegs zwingend sind), gibt die Entscheidung Anlass, Dilemmata der gegenwärtigen Gesetzeslage in Erinnerung zu rufen. UnstreitigUnstreitig stellt die individuelle Offenlegung der Bezüge einen schweren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen dar. Das ist eine der Kernaussagen des OLG Köln zu der angegriffenen Norm des nordrhein-westfälischen Sparkassenrechts und war auch eine der Zentralaussagen in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu einer vergleichbaren Norm des Sozialgesetzbuches über die Veröffentlichung der Vergütungen von Vorstandsmitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherungen (BVerfG, Beschluss vom 25. 02. 2008 – 1 BvR 3255/07). In der Entscheidung hatte das Bundesverfassungsgericht aber zugleich geklärt, dass dieser Eingriff durch ein (formell ordnungsgemäßes) Gesetz gerechtfertigt ist, da mit einer solchen Regelung legitime öffentliche Belange von erheblichem Gewicht verfolgt werden. Die entsprechenden Regelungen seien geeignet und erforderlich und im engeren Sinne verhältnismäßig, um diese legitimen Zwecke zu verwirklichen. An dieser verfassungsgerichtlichen Bewertung sind erhebliche Zweifel angebracht. Insbesondere ist nicht einzusehen, warum dem öffentlichen Interesse an einer Transparenz der Vorstandsbezüge nicht durch die Angabe der Gesamtbezüge (und der hierdurch ermöglichten Berechnung von Durchschnittswerten) ausreichend Rechnung getragen wird. Für die Praxis dürfte die Diskussion aber mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes beendet sein. VerlagertDeshalb muss sich das Interesse auf die Frage verlagern, welche gesetzeskonformen Möglichkeiten zur Vermeidung einer individualisierten Offenlegung der Bezüge zur Verfügung stehen. Der Gesetzgeber hat selbst – in Erkenntnis der Notwendigkeit, Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen verhältnismäßig zu gestalten – Grenzen der Publizität gesetzt: Nach 286 Abs. 4 HGB können nicht börsennotierte Gesellschaften bereits auf die Angabe der Gesamtbezüge der Geschäftsführungsmitglieder verzichten, wenn sich anhand dieser Gesamtangabe die Bezüge eines einzelnen Mitglieds des Geschäftsführungsorgans feststellen lassen. Bei börsennotierten Aktiengesellschaften trägt 286 Abs. 5 HGB der Tatsache Rechnung, dass nach Auffassung des Gesetzgebers das Informationsinteresse an individualisierten Vergütungsangaben nicht im Interesse der Öffentlichkeit, sondern im Interesse der Aktionäre besteht. Deshalb kann die Hauptversammlung mit qualifizierter Mehrheit beschließen, dass die individualisierten Vergütungsangaben unterbleiben. Hat eine börsennotierte Gesellschaft – entgegen der Empfehlung des Deutschen Corporate Governance Kodex in Ziffer 4.2.1 – ausnahmsweise nur ein Vorstandsmitglied, so wird man aufgrund eines solchen mit qualifizierter Mehrheit gefassten Hauptversammlungsbeschlusses auch eine analoge Anwendung des 286 Abs. 4 HGB anerkennen müssen, weil der Gesetzgeber die individualisierte Vergütungsangabe zur Disposition der Hauptversammlung gestellt hat und es keinen Grund gibt, den Alleinvorstand insoweit zu diskriminieren.Die Möglichkeit zum Verzicht auf individuelle Angaben besteht auch für die Angabepflichten im Konzernanhang ( 314 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 HGB), und zwar auch dann, wenn – bei börsennotierten Unternehmen gesetzlich zwingend, bei nicht gelisteten Gesellschaften gelegentlich freiwillig – der Konzernabschluss nach IFRS aufgestellt wird ( 315a Abs. 1 und 3 HGB). Auch im Fall eines IFRS-Konzernabschlusses wird man trotz Fehlens einer 286 Abs. 4 HGB entsprechenden Norm zudem in analoger Anwendung der gesetzlichen Befreiungsnormen der Hauptversammlung die Möglichkeit einräumen müssen, durch Beschluss mit qualifizierter Mehrheit auf die Angabe der Bezüge des Alleinvorstands zu verzichten. VerhindertBemerkenswert ist, dass die bisherige Entscheidungspraxis der Gerichte ausschließlich zu Unternehmen der öffentlichen Hand, die in öffentlich-rechtlichen Rechtsformen geführt werden, ergangen ist. Dem Vernehmen nach hat zuletzt in der Koalitionsarbeitsgruppe zum Vorstandsvergütungs-Änderungsgesetz die SPD verhindert, dass die Offenlegung der individuellen Vergütungshöhe in diesen öffentlich-rechtlichen Unternehmen generell geregelt wird. Wenn es je öffentliches Interesse an der Kenntnis individueller Bezüge gibt, dann bei diesen Unternehmen.—-*) Dr. Matthias Schüppen ist Anwalt bei Graf Kanitz, Schüppen & Partner.