RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: LORENZ JELLINGHAUS

"Öffentliche Beteiligungsgesellschaften sind im Markt anerkannt"

Staat wird als Finanzier von Start-ups immer wichtiger - Individuell verhandelt

"Öffentliche Beteiligungsgesellschaften sind im Markt anerkannt"

– Herr Jellinghaus, der Staat wird als Finanzier von Start-ups immer wichtiger. Um welche Volumina geht es inzwischen?Der Venture-Capital-Markt ist sehr intransparent. Auf Basis unserer Analysen kann man aber festhalten, dass die staatlichen Mittel in den vergangenen Jahren stark gestiegen sind. Die Bundesländer können jährlich etwa 161 Mill. Euro für Start-ups zur Verfügung stellen, der Bund investiert pro Jahr mittelbar und direkt 467 Mill. Euro.- In welchen Phasen gibt es am ehesten “Staatsknete”?Vor allem im Anfangsstadium, in dem private VC-Fonds nur selten investieren und die Business-Angel-Szene noch nicht allein den Markt abdeckt. Schätzungen zufolge sind die öffentlichen Beteiligungsgesellschaften zusammengenommen bei etwa 45 % aller Frühphaseninvestments involviert und mit 20 % ist der vom Bund getragene Hightech-Gründerfonds (HTGF) der bedeutendste Frühphaseninvestor. Aber auch später spielen staatliche Mittel eine wichtige Rolle: Der Staat stockt zunehmend über Fund-of-Fund-Investments und dabei teilweise als Ankerinvestor die Mittel privater Fonds auf. Er sorgt so dafür, dass mehr Beteiligungskapital in den VC-Markt kommt. Zusätzlich können Business Angels über den Invest-Zuschuss für Wagniskapital bis zu 20 % ihrer Investments steuerfrei zurückerstattet bekommen.- Lässt sich quantifizieren, inwieweit staatliche Zusagen privates Kapital nach sich ziehen? Auch hier ist der Markt vergleichsweise undurchsichtig – Zahlen zum HTGF aus 2005 bis 2016 zeigen aber beispielsweise, dass bei 78 % der Anschlussfinanzierungen private Investoren mit an Bord waren. Das deckt sich mit meiner Erfahrung: Ist die Seed-Phase auch mit Hilfe öffentlicher Beteiligungsgesellschaften überstanden, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass weitere Investments kommen. – Welche Besonderheiten gibt es hier in der rechtlichen Strukturierung?Die Gelder von Bund und Ländern gelten als staatliche Beihilfen – die EU-Kommission prüft die Verwendung deshalb genau. Staatliche Beteiligungsgesellschaften unterliegen daher vergleichsweise strengen Vorgaben, es sei denn sie investieren gemeinsam mit einem privaten Partner – dann sind die Spielräume deutlich größer. Dort wird beihilferechtlich vermutet, dass der Privatinvestor die Konditionen so gestaltet, dass auch die staatliche Gesellschaft zu Marktkonditionen investiert.- Welche Investmentinstrumente werden aufgesetzt?Bei Pari-passu-Investments mit einem Privatinvestor investiert die staatliche Gesellschaft direkt in das Start-up und übernimmt Geschäftsanteile. Sie kann aber auch ein Nachrangdarlehen gewähren und Anteile übernehmen – dieses HTGF-Modell hat sich zum Vertragsstandard für die Frühphase entwickelt, an dem sich zum Teil auch andere Marktteilnehmer orientieren.- Klappt das für das Pari-passu-Modell erforderliche enge Kooperationsverhältnis zwischen privatem Investor und staatlichem Beteiligungsfonds in der Praxis?Die Vertragsbeziehungen zwischen dem staatlichen und dem privaten Investor werden für jedes Start-up individuell verhandelt. Spezielle Beteiligungsvereinbarungen regeln die Rechte und Pflichten von Gründern und Gesellschaftern – das hat sich bewährt und sorgt für eine enge Kooperation. Wie immer kommt es auch bei Start-up-Beteiligungen auf die handelnden Persönlichkeiten an, aber generell funktioniert das Zusammenspiel sehr gut. Öffentliche Beteiligungsgesellschaften sind im Markt anerkannt. Im Übrigen ist der HTGF auch ein wichtiger Türöffner für ausländische VC-Fonds, für die er Pitch-Termine anbietet.- Welche Berichts- und Zustimmungspflichten gibt es, die sich öffentliche Beteiligungsfonds vorbehalten?Sie sind umfangreich und müssen gerade bei Pari-passu-Investments einzeln verhandelt werden. Es gibt im Übrigen durchaus vergleichbare Erwartungen bei privaten VC-Fonds. Mitunter kommt bei öffentlichen Beteiligungsgesellschaften noch die Vorgabe hinzu, Jahresabschlüsse durch einen externen Wirtschaftsprüfer prüfen zu lassen – auch wenn das Gesetz ein derartiges Vorgehen aufgrund der geringen Unternehmensgröße nicht fordert. Das kann zu zusätzlichen Kosten führen.—-Dr. Lorenz Jellinghaus ist Partner von Lutz Abel. Die Fragen stellte Walther Becker.