Immobilien - Gespräch mit Martin Bünning, GSK

Ölgeld fließt vermehrt in Immobilien

Schariakonforme Finanzierung ist "kompliziert, aber robust" - Zinsverbot erfordert verschlungene Wege

Ölgeld fließt vermehrt in Immobilien

Von Ulli Gericke, BerlinIn der “Realwirtschaft” sind arabische Investoren schon lange präsent. Eines der ersten großen Investments stammt aus den siebziger Jahren, als Kuwait bei Daimler einstieg, wo das Land bis heute knapp 7 % der Anteile hält. Inzwischen schwappen erste Wellen von Ölgeld auch in die hiesige Immobilienbranche. Allein Arab Investments – eine Gruppe wohlhabender saudi-arabischer Familien – hat über die beiden German Special und German Growth Funds bis heute ca. 500 Mill. Euro in Deutschland investiert. Weitere knapp 200 Mill. Euro verbaut derzeit die finanzkräftige Harvest United Enterprises mit Sitz in Abu Dhabi in Berlin – ungeachtet der schweren Wirtschafts- und Immobilienkrise. In unmittelbarer Nähe von Gedächtniskirche und Bahnhof Zoo entsteht ein künftig gut 100 Meter in den Himmel ragendes Hochhaus, in das neben Einzelhandelsflächen auch ein Waldorf-Astoria-Hotel einzieht, als erstes Fünf-Sterne-Plus-Haus der Hilton-Tochter in Deutschland.Doch so einfach die Logik – Ölgeld sucht Anlage -, so kompliziert ist die tatsächliche Realisierung dieser Investments. Denn nach islamischem Recht sind Zinsen verboten, egal ob Zinszahlung oder Zinserhalt. Die Immobilienbranche, in der nichts ohne einen hohen Leverage geht, steht damit vor der großen Herausforderung, eine schariakonforme Finanzierung darzustellen. Drei Viertel Fremdkapital . . .Beispiel St. Annen Galerie in Brandenburg an der Havel: Dieses Einkaufszentrum wurde im Sommer vergangenen Jahres inmitten der Altstadt eröffnet und vor wenigen Wochen von Arab Investments Ltd. erworben – zusammen mit dem Berliner Shoppingcenter Tempelhofer Hafen und dem “Quartier am Auswärtigen Amt”, einem Gebäudekomplex mit Wohnungen und Hotel direkt neben dem Außenministerium. Da auch arabische Investoren nur etwa ein Viertel Eigenkapital mitbringen und den großen Rest fremdfinanzieren, ergibt sich bei einem Zinsverbot die Notwendigkeit verschlungener Wege. Um diese Quadratur des Kreises hinzubekommen, haben sich die Rechtsanwälte von GSK Stockmann + Kollegen komplizierte Umwegfinanzierungen unter Einschaltung von Zwischengesellschaften ausgedacht (siehe oben stehende Grafik). So wird zwar die Deal-Struktur für die Investoren äußerst komplex. “Aus steuerlicher Sicht kann das Vertragsdickicht aber robust gestaltet werden”, versichert Martin Bünning, Islamic-Banking-Spezialist bei GSK. . . . aber keine ZinsenDabei gilt das Grundmuster, dass eine außenstehende Erwerbsgesellschaft das benötigte Darlehen aufnimmt. Diese quasi neutrale Zweckgesellschaft wird dann mit Hilfe einer im islamischen Recht erlaubten einmaligen Vorauszahlung der Ijara-Raten mit dem sogenannten Ijara-Mieter verknüpft – wobei Ijara im Islamic Banking für ein Leihgeschäft oder Leasing steht. Mit dieser Vorauszahlung werden gleichzeitig die Chinese Walls zwischen zinsloser und verzinster Welt durchbrochen. Im konkreten Fall übernimmt der Ijara-Mieter das wirtschaftliche Eigentum an dem Einkaufszentrum, überlässt das Nutzungsrecht der St. Annen Galerie aber der Zweckgesellschaft – die dafür sämtliche Mietzahlungen (abzüglich der anfallenden Kosten) dem Eigentümer überweist. Miete statt Zins lautet somit die Regel – getreu dem Riba, dem islamischen Zinsverbot, nach dem die Gewährung jeglichen Vorteils bei gegenseitigen Verträgen verboten ist, wenn dem keine Gegenleistung gegenübersteht.Im Endeffekt stellt sich der Ijara-Mieter bei dieser Konstruktion so, als ob er selbst die Immobilie gekauft hätte – ohne sich freilich die Finger mit irgendwelchen Bankgeschäften dreckig gemacht zu haben.Da eine Zusatzformulierung dafür sorgt, dass die Erwerbsgesellschaft bei einer Veräußerung ihres Investments den gesamten Verkaufserlös an den Ijara-Mieter auskehren muss, profitiert dieser schließlich auch von einer möglichen Wertsteigerung seiner Anlage.Um die geforderte Trennung zwischen weltlicher und Scharia-Sphäre noch eindeutiger zu gestalten, installierte GSK noch eine Stiftung nach dem Recht der niederländischen Antillen, die als Dienstleister nicht nur die Anteile an der Erwerbsgesellschaft hält, sondern auch all das macht, was ein islamischer Investor nicht tun darf – beispielsweise die Bankenfinanzierung.Außenstehende merken von diesem komplizierten Firmengeflecht nichts. Nur sehr aufmerksame Besucher registrieren, dass gläubige arabische Eigentümer keine Glücksspiele zulassen, keine Sexshops unter ihrem Dach dulden und keine Kinos.Eine andere Finanzierungsart wählte Arab Investments beim Einkaufszentrum Tempelhofer Hafen, das mit 145 Mill. Euro fast dreimal so teuer war wie sein Brandenburger Pendant. Musharaka lautet hier die Finanzierungsstruktur, was geteiltes Risiko bedeutet oder Joint Venture. Hier beteiligt sich der islamische Investor mit einer Kapitaleinlage (wieder via spezieller Zweckgesellschaft) an dem Gewerbe des Geschäftsinhabers. Im Gegenzug erhält Arab Investments nicht nur eine Beteiligung an der Geschäftsführung (wenn sie denn wollen), sondern auch am Gewinn aus dem laufenden Geschäft und – eines fernen Tages – aus dem Verkaufserlös, wenn das Investment abgestoßen wird. Im Gegensatz zum Ijara-Modell rückt der islamische Geldgeber hier durch die Vermengung der Geldflüsse des hiesigen und des auswärtigen Investors merklich näher an die Bank heran – was aber nach islamischen Rechtsgelehrten “gerade noch geht”, beobachtet GSK-Spezialist Bünning. Aus deutscher Sicht gleicht Musharaka einer (atypisch) stillen Gesellschaft.Auch wenn die Araber nach Bünnings Beobachtung generell eine konservativere Finanzierungsstruktur bevorzugen als etwa US-Finanzinvestoren, so kalkulieren auch sie mit einer 70- bis 75-prozentigen Fremdfinanzierung ihrer Immobilieninvestments. Tatsächlich an Eigenkapital investiert hat Arab Investments dementsprechend maximal 150 Mill. Euro – die restlichen 350 Mill. sind Bankdarlehen, etwa der Eurohypo oder anderer ganz normaler Kreditgeber. Anhaltende UnsicherheitEin Grund für das vorsichtige Vorgehen der Saudis ist Bünning zufolge die anhaltende Unsicherheit bei der steuerlichen Behandlung der arabischen Investments – und dabei vor allem bei der teuren Umsatzsteuer. Während die luxemburgische Finanzverwaltung in einem Erlass von Beginn des Jahres 2010 einige Zweifelsfragen zugunsten der islamischen Investoren gelöst hat, herrsche hierzulande das große Schweigen. Obwohl die ersten Anlagen schon 2006 getätigt wurden, gebe es bis heute keine einheitliche Verwaltungspraxis, etwa über die Durchführung des Vorsteuerabzugs. Zwar beobachten die Rechtsanwälte von GSK, dass ihnen die unterschiedlichen Finanzämter im Einzelfall folgen. Aber solange die Geraer Behörde anders entscheide als die in Berlin, sei der jeweilige Beratungsbedarf äußerst aufwendig – und damit teuer.