PORTFOLIO - GASTBEITRAG

Optimierte Indizes auf dem Vormarsch

Börsen-Zeitung, 28.4.2012 Ausgelöst durch die Marktturbulenzen der jüngeren Vergangenheit, hat sich in der passiven Anlagewelt ein grundlegender Wandel vollzogen: Während die klassische Indexierungsmethode seit ihren ersten Anfängen im Jahr 1975...

Optimierte Indizes auf dem Vormarsch

Ausgelöst durch die Marktturbulenzen der jüngeren Vergangenheit, hat sich in der passiven Anlagewelt ein grundlegender Wandel vollzogen: Während die klassische Indexierungsmethode seit ihren ersten Anfängen im Jahr 1975 vornehmlich die Aktien und Anleihen eines Index nach ihrer Marktkapitalisierung gewichtete, erfreuen sich seit einiger Zeit zunehmend solche Strategien großer Beliebtheit, die auf alternative Betas oder “Advanced Betas” setzen. Die dabei neu definierten Benchmarks und das daraus resultierende Beta lassen sich hierbei als transparente, regelbasierte und konsistente Methode zur Erzielung eines angestrebten Renditeprofils oder Diversifizierung definieren.Grund für diesen Wandel ist die rege Nachfrage institutioneller Investoren nach maßgeschneiderten Lösungen, die sowohl ein effizientes und kostengünstiges Engagement in Anlageklassen, Regionen und Sektoren als auch eine bessere Risikokontrolle ermöglichen. Ein Resultat aus der Finanzkrise ist, dass Investoren zunehmend einen höheren Einfluss auf die Rendite- und Risikokriterien ihrer Anlagen wünschen. Die Abkehr von marktkapitalisierungsgewichteten Indizes stellt für sie daher eine innovative Möglichkeit dar, einerseits gezielt Marktexposure einzugehen, das über herkömmliche Indizes nicht abgebildet werden kann, und somit möglicherweise einen Renditevorteil zu erwirtschaften, andererseits Risiken, die vom Markt nicht (angemessen) kompensiert werden, zu vermeiden, ohne dabei auf die Vorteile einer traditionellen passiven Anlage verzichten zu müssen. Diese Vorteile sind in erster Linie ein breit diversifiziertes Investmentuniversum mit definierter Risikostruktur, Transparenz in Hinblick auf Indexstruktur und den im Zeitverlauf notwendigen Indexanpassungen, eine gute Liquidität und einfache Handelbarkeit sowie eine kosteneffiziente Implementierung. Dazu kommt eine klare Nachvollziehbarkeit der Performance des Portfolios im Vergleich zur Benchmark.Bislang galt die kapitalgewichtete passive Abbildungsmethode – insbesondere wenn man der Theorie des Capital Asset Pricing Model (CAPM) folgt – als die beste Wahl, um kosteneffizient, liquide und möglichst unkompliziert in verschiedene Märkte zu investieren. Dieses Verfahren hat jedoch den Nachteil, dass die Inhalte der Benchmarks ausschließlich gemäß der Kapitalisierung und unabhängig von ihrer Bewertung oder ihrer Qualität in das Portfolio gekauft werden müssen. Dies kann während Krisen oder Marktineffizienzen zu unangenehmen Überraschungen führen.Dieser Nachteil lässt sich jedoch über diverse Advanced-Beta-Strategien gezielt adressieren. Anhand von Rechensimulationen lässt sich zeigen, dass durch das gezielte Setzen bestimmter Parameter zum Teil höhere Renditen bei insgesamt gleichem oder sogar geringerem Risikoniveau erreicht werden können.So erzielte ein gleichgewichtetes Portfolio aus Titeln des MSCI World Index beispielsweise über zwanzig Jahre im Schnitt eine bessere Performance als der marktkapitalisierungsgewichtete Index. Auch die Konstruktion eines Portfolios von Aktien geringerer Volatilität weist historisch betrachtet eine tendenziell höhere risikobereinigte Rendite auf, als dies gemäß der Theorie des CAPM zu vermuten wäre.Zunehmend finden Advanced-Beta-orientierte Ansätze auch bei Rentenanlagen Verwendung. Ein Beispiel: Ausschlaggebendes Kriterium bei traditionellen Rentenindizes ist meist das ausgegebene Anleihevolumen der jeweiligen Emittenten. Je mehr Schuldtitel eine Gesellschaft oder ein Staat ausgibt, desto stärker fällt demnach ihre Indexgewichtung aus. Ein überschuldetes Unternehmen oder Staat stellt jedoch nicht die beste aller Anlagen dar – wieso also nicht einen Index konstruieren, der diese Problematik ausschließt? Große StrategiepaletteGenerell sind bei der Ausgestaltung maßgeschneiderter Advanced-Beta-Portfolien verschiedene Ansätze denkbar, hier einige Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit: — Das “Factor Tilting” ermöglicht es, ein Portfolio etwa nach verschiedenen Faktoren wie Bewertung, Volatilität, Beta, Unternehmensgröße oder Momentum auszurichten. — Bei der “Optimierung” wird anhand eines Risikomodells eine Konzentration auf Wertpapiere mit minimaler Varianz, geringer Volatilität oder niedriger Bewertung angestrebt. — Eine weitere Möglichkeit stellen die “Fundamentalstrategien” dar: Bei dieser Methode werden die Indizes nach Fundamentaldaten, etwa nach Finanzkennzahlen ausgerichtet – ein Verfahren, das bei Aktien und Renten angewendet werden kann. — Zudem lassen sich Benchmarks kreieren, die sich statt an einem Standardindex vielmehr an den individuellen Bedürfnissen der Anleger orientieren. So gibt es Rentenportfolien, die eine bestimmte Zielduration im Zeitverlauf konstant halten. — Auch das Gewichten der Emittenten nach alternativen Kriterien stellt eine Option dar. So werden etwa Staatsanleihen in manchen Benchmarks nach dem Bruttosozialprodukt des Landes oder einem regelbasierten Punktesystem und nicht mehr nach der Kapitalisierung im Markt gewichtet.Neben dem Ansatz, ein angestrebtes Risiko-Ertrags-Profil in einer Benchmark zu erfassen, gibt es eine breite Palette von Möglichkeiten, um bestimmte Restriktionen oder Anlageziele der Kunden in einem passiven Portfolio zu spiegeln:So ermöglichen es kundenspezifische Lösungen den Investoren, durch die Definition eines geeigneten Investmentuniversums ein Engagement in Wertpapiere aufzubauen, ohne starr einen Index nachzubilden, – ein Ansatz, der sich besonders in den Rentenmärkten während der Staatsschuldenkrise oder bei Unternehmensanleihen bewährt hat. Andere Ansätze wiederum modifizieren die Risiko- und Ertragsstruktur ausgewählter Anlageklassen mit Hilfe von Derivaten oder von Long-/Short-Strategien so, dass bestimmte Anlageziele besser erreicht oder Risikoanforderungen gezielt umgesetzt werden können. Nicht zuletzt sind Lösungen zu erwähnen, die eine Risikobeschränkung oder Immunisierung ermöglichen, etwa die Abkopplung von übergeordneten Zinsänderungsrisiken des Marktes in Corporate-Bond-Mandaten.Fazit: Als Alternative zur Abbildung herkömmlicher auf der Marktkapitalisierung basierender Indizes steht inzwischen eine Vielzahl an alternativen Indizes und individuellen Lösungen im Bereich des passiven Portfoliomanagements zur Verfügung. Advanced-Beta-Strategien decken alle wesentlichen Anlageklassen ab und ermöglichen es den Anlegern, sich mit Hilfe einer maßgeschneiderten Anpassung der Portfoliostruktur flexibel auf die veränderten Bedingungen in den Kapitalmärkten einzustellen.Hierfür kann der Investor neben Spezialfondslösungen mittlerweile auf eine große Auswahl an Publikumsfonds und zunehmend auch Exchange Traded Funds (ETF) zurückgreifen. Es bleibt festzuhalten, dass der passive Investmentstil deutlich flexibler geworden ist, als dies allgemein angenommen wird, und die Manager passiver Mandate innovative Lösungen zugeschnitten auf die veränderten Rahmenbedingungen anbieten können.