Osteuropa zieht wieder Anleger an
Die Risikofreude der Anleger ist spürbar gestiegen, und mit der Liquiditätsspritze der EZB hat sich das Börsenumfeld deutlich verbessert. Das spüren auch die Aktienmärkte Osteuropas. Mancher Fondsmanager rechnet für die Region trotz offenkundiger konjunktureller Risiken und politischer Unsicherheiten auch in den kommenden Monaten mit einer guten Performance und rät zum Kauf.la Frankfurt – Ungeachtet teils pessimistischer Ausblicke für Osteuropa zeigen sich manche Analysten und Investoren durchaus optimistisch für die Region. Das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche, das seine Wachstumsprognose für mittel- und osteuropäische Staaten (ohne Russland) erst im März, und das zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate, deutlich nach unten revidierte, ist indes sehr skeptisch. Die Wirtschaft in den Ländern Mittel-, Ost- und Südosteuropas entwickele sich schwächer, als noch vor wenigen Monaten erwartet wurde, heißt es. Ob die Erholung bereits 2013/14 einsetzen werde, sei ungewiss. Nur in drei Ländern, das sind Polen, Tschechien und die Slowakei, sieht das Wiener Institut weniger Probleme, sie würden es schaffen, sich aus dem Teufelskreis von niedrigem Wachstum, hoher Zinsbelastung und großem Schuldenstand fernzuhalten.Auch der IWF warnte im Januar vor besonders großen Risiken in den Schwellenländern Osteuropas. Und Russland, der Investorenmagnet der Region, nahm vor knapp zwei Wochen wegen der Verlangsamung des Investitionstempos die eigene Wachstumsprognose für das laufende Jahr von 3,7 auf 3,4 % zurück.An den osteuropäischen Aktienmärkten hat sich diese Skepsis seit Jahresbeginn nicht unbedingt widergespiegelt. Mit der Liquiditätsspritze von 1 Bill. Euro in das europäische Bankensystem habe sich das freundliche Börsenklima von Kerneuropa auch auf die CEE-Börsen (Central and Eastern Europe), die lange auf positive Signale hofften, übertragen, schreibt die österreichische Raiffeisen Bank in einem Kommentar. Ungewöhnlicher ZeitpunktFür den schwedischen Vermögensverwalter East Capital hat der gestiegene Risikoappetit der Investoren, die lange auf sichere Anlagen wie Gold und Cash setzten, das Interesse an Zentral- und Osteuropa geweckt. Marcus Svedberg, Chefökonom von East Capital, hält die Erholung zum aktuellen Zeitpunkt allerdings für ungewöhnlich, schauten Investoren doch zuerst immer auf die großen Märkte Asiens und Lateinamerikas, bevor sie ihre Aufmerksamkeit auf Russland und die anderen osteuropäischen Märkte richteten.Vor allem Russland sei trotz der größeren politischen Unsicherheit der Liebling der Anleger, da in diesem Jahr sowohl der Aktienmarkt als auch die Währung bis dato zu den stärksten gehörten, so East Capital. Dass der hohe und steigende Ölpreis der Auslöser sein könnte, glaubt der Vermögensverwalter nicht unbedingt. Immerhin hätten Investoren aus Brasilien, das ebenfalls eine große Konzentration von Energiefirmen aufweist, Gelder abgezogen. Vielmehr, so lässt sich Svedberg zitieren, seien die fundamentalen Daten Russlands sehr attraktiv. Bezüglich des Kurs-Gewinn-Verhältnisses sei der russische Markt ungefähr 40 % günstiger als der brasilianische, und die russischen Energiefirmen schütteten inzwischen höhere Dividenden aus. Die Fondsgesellschaft verweist zudem auf das im Vergleich zu Brasilien schnellere Wachstum der russischen Wirtschaft, die niedrigere Inflation und die gesünderen Staatsfinanzen. “Russland werthaltig”Für den Rest des Jahres erwartet Svedberg, dass die Investoren, die die Rally im ersten Quartal verpasst haben, nun versuchen, aggressiver in Emerging Markets allgemein, also nicht nur in Osteuropa, zu investieren. Dabei hält er es für sinnvoll, wenn sich renditeorientierte Investoren in den nächsten Monaten Russland aufgrund der Werthaltigkeit zuwenden. China komme wegen seines Wachstums als Anlageziel in Frage. Paradoxes BildWas die kleineren Länder Osteuropas angeht, sei das Bild trotz der dem Börsenklima Auftrieb gebenden EZB-Liquiditätsschöpfung differenzierter, schreibt die Raiffeisenbank. Paradoxerweise hätten die mit großen Problemen zu kämpfenden Länder Rumänien und Ungarn – das durch den jüngsten EU-Beschluss, die Fördergelder für 2013 einzufrieren, sollte das Land keine greifbaren Ergebnisse bei der Haushaltskonsolidierung vorweisen, massiv unter Druck geraten ist – zweistellige Kurszuwächse verzeichnet. Dagegen blieb die Börsenperformance der fundamental stärkeren Staaten wie Polen, Tschechien und Russland darunter.Am schwierigsten sei die Lage in Südosteuropa, so die Raiffeisenbank weiter. Dort seien die strukturellen Schwächen noch nicht so konsequent ausgemerzt und der negative Einfluss der Rezession in den Südländern der Eurozone sei eher spürbar. Hier rechnet die Raiffeisenbank mit einer Stagnation des Bruttoinlandsprodukts 2012. Handlungsbedarf bestehe auch bei den Budgetdefiziten.Insgesamt aber erwarten die Analysten der Bank für das zweite Quartal quer durch die CEE-Region weiterhin durchschnittlich Kurssteigerungen zwischen 6 und 11 % und sprechen für alle dortigen Börsenplätze eine generelle Kaufempfehlung auf drei bis sechs Monate aus.Die österreichische Erste Bank rechnet 2012 mit 2,1 % Wachstum des Bruttoinlandsprodukts der CEE-Länder inklusive der Türkei, was nicht viel ist, aber noch über der Erwartung für die Eurozone liegt. Die Stimmung für die Region sei besser als die aktuelle Situation. In der Länderallokation bevorzugt sie die Türkei, gefolgt von Polen. Rumänien steche bei den kleineren Märkten hervor, Ungarn bleibe aber ein schwieriger Fall. In Tschechien positioniert sich die Bank neutral. Gemieden würden derzeit kleine Märkte wie Slowenien, Kroatien und Serbien.Für Anleger bietet der Markt für Fonds mit Schwerpunkt Osteuropa eine relativ breite Palette. Viele haben dabei einen starken Fokus auf russische Aktien.