Kapitalanlage

Ostfantasie belebt Wiener Aktienmarkt

Unternehmen profitieren von der Wirtschaftsentwicklung Osteuropas - Bewertung moderat

Ostfantasie belebt Wiener Aktienmarkt

Von Armin Schmitz, Frankfurt Der Wiener Aktienmarkt ließ im Jahr 2005 zum dritten Mal in Folge die großen europäischen Börsen hinter sich. Mit einer Wertentwicklung von 50 % übertrumpfte der Austrian Traded Index (ATX), der Leitindex der österreichischen Börse, den Dax fast um das Doppelte. Beeindruckender noch ist die Performance einiger Einzelwerte. Die Gewinnerliste im ATX führt Bet-and-Win an mit einem Anstieg von 503 %, OMV folgt mit 119 % vor dem Verbund (80 %). In dem 21 Werte umfassenden ATX liegen 2005 nur sechs Titel im Minus. Die Entwicklung des Aktienmarkts wurde unterstützt von einem Anstieg der Unternehmensgewinne von durchschnittlich etwa 40 % in 2005. Es ist aber kaum anzunehmen, dass sich diese Wachstumsraten in die Zukunft extrapolieren lassen. Der Konsens der Analysten geht daher von einer leichten Abschwächung des Gewinnwachstums auf 30 % für das kommende Jahr aus. Der Wiener Aktienmarkt wird allerdings weiter von der Ostfantasie und der robusten Wirtschaftsentwicklung in Osteuropa profitieren. Die Mehrzahl der österreichischen Banken und Versicherungen orientiert sich gen Osten. Rund 80 % der im Leitindex ATX enthaltenen Unternehmen sind mit Erfolg in den europäischen Reformländern aktiv. Die Prognosen gehen von einem Kurspotenzial von 7 % bis 10 % in dem anstehenden Jahr aus. Mit einem KGV von 13 ist der Wiener Aktienmarkt nicht überteuert. Übernahme in RusslandDer Kartonhersteller Mayr-Melnhof gehört zu den fundamental interessanten Werten. Mit einem KGV von 11 ist die Aktie wesentlich preiswerter als die der Konkurrenten. Wegen des Preisdrucks aus Asien blieb das Unternehmen mit seinem Neunmonatsergebnis jedoch hinter den Erwartungen zurück. Fantasie besteht durch die Expansion nach Osten. Mit der Übernahme eines russischen Faltschachtel-Produzenten, Polygrafoformlenie, setzen die Österreicher ihre Einkaufstour in Osteuropa fort. Bei Böhler-Uddeholm boomt das Geschäft, so dass der Edelstahlhersteller seine Prognosen für 2005 angehoben hat. Bei einem Umsatz von 2,5 Mrd. Euro dürfte das Ergebnis über 300 Mill. Euro liegen. Positiver als erwartet läuft offensichtlich die Integration der 2004 erworbenen Buderus. Die Böhler-Aktie ist mit einem für 2006 geschätzten KGV von 8 niedrig bewertet. In 2006 wird mit einem Aktiensplit gerechnet. Eine positive Entwicklung zeigt Voestalpine. Das Unternehmen hat die nachgebenden Stahlpreise gut kompensieren können. Langfristige Aufträge für die Automobilindustrie und das florierende Geschäft in Marktnischen haben zu einem Rekordhalbjahresergebnis mit einer Gewinnverdoppelung geführt. Die Unternehmensführung hat daraufhin auch die Gewinnprognose (Ebit) für das Gesamtjahr auf 600 Mill. Euro angehoben. Der Stahlwert ist mit einem für 2006 geschätzten KGV von 6 sehr preiswert. Spekulativer ist der Impfstoffproduzent Intercell. Durch die Zusammenarbeit mit der amerikanischen Merck & Co. dürfte der Umsatz in den nächsten Jahren deutlich steigen. Merck & Co wird eine klinische Phase-I-Studie für einen Impfstoff gegen einen Erreger hospitaler Infektionen durchführen. Der Impfstoff basiert auf einem Antigen, das durch ein Identifikationsprogramm von Intercell entdeckt wurde. In den nächsten fünf Jahren wird mit Milestone-Zahlungen von 30 Mill. Dollar von Merck & Co gerechnet. OMV, einer der größten europäischen Öl- und Gaskonzerne, ist in guter Form. Im dritten Quartal lag das Nettoergebnis mit 425 Mill. Euro deutlich über den Erwartungen. Gegenüber dem Vorjahr ist das eine Verdreifachung. Die mit einem für 2006 geschätzten KGV von 9 bewertete Aktie gilt als Wette auf steigende Energiepreise. Nach einem schwächeren Jahr 2005 dürfte der Baustoffkonzern Wienerberger durch Restrukturierungen bereits 2006 wieder auf den Wachstumspfad zurückkehren. Es wird für 2006 ein Ertragsplus von 10 % erwartet. Der Aktienkurs deutet bereits einen Turnaround an.