Asset Management - Gastbeitrag

Perspektiven für den offenen Immobilienfonds

Börsen-Zeitung, 22.9.2009 Der offene Immobilienfonds hat die besten Zeiten hinter sich - so heißt es oft angesichts der schwierigen Situation, in der sich die Fonds seit Oktober 2008 befinden. Nachdem zunächst zwölf Fonds wegen extremer...

Perspektiven für den offenen Immobilienfonds

Der offene Immobilienfonds hat die besten Zeiten hinter sich – so heißt es oft angesichts der schwierigen Situation, in der sich die Fonds seit Oktober 2008 befinden. Nachdem zunächst zwölf Fonds wegen extremer Mittelabflüsse die Rücknahme von Anteilen ausgesetzt hatten, folgte im Sommer dieses Jahres die Meldung, dass eine Fondsgesellschaft ihr Portfolio erheblich im Wert anpassen musste. Der Abgesang auf die Produktklasse kommt jedoch zu früh. Vielmehr werden die offenen Immobilienfonds in der Krise zukunftsfähig.Fakt ist: Den offenen Immobilienfonds wird es auch in vielen Jahren noch geben. Das Konzept, weltweit Qualitätsimmobilien bereits zu geringen Beträgen für Anleger verfügbar zu machen, bleibt interessant. Klar ist aber auch, der offene Immobilienfonds heute ähnelt dem aus früheren Jahren kaum noch. Damals galten offene Immobilienfonds nicht zu Unrecht als sogenannte Witwen- und Waisenpapiere, die – fokussiert auf die heimischen Märkte – sicher, aber eben mitunter auch renditeschwach waren. Absicherung gegen InflationWas bei der aktuellen Diskussion oft vergessen wird: Einen tiefgreifenden Verlust von Vertrauen in das Produkt an sich hat es nicht gegeben. Die meisten privaten wie institutionellen Anleger suchen heute Investitionen, die ihnen Schutz vor der Wirtschaftskrise und insbesondere eine Absicherung gegen Inflationsverluste bieten. Für diese Anleger ist und bleibt der offene Immobilienfonds die erste Wahl.Allerdings haben Anleger erkannt, dass sie künftig mehr denn je zwischen den einzelnen Fonds differenzieren müssen. Hinsichtlich der strategischen Ausrichtung nach Ländern, Nutzungsarten und Altersstruktur der Immobilien besteht bei den Fonds bereits jetzt schon eine Bandbreite wie nie zuvor. Die Immobilienmärkte, in die viele Fonds seit der Liberalisierung des Investmentgesetzes investieren, sind oftmals sehr viel volatiler, als es etwa der deutsche Markt ist.Die Bewertungen spiegeln diese Volatilität wider. Viele der Fonds weisen keinen gleichförmig stetigen Verlauf mehr auf. Es gibt risikoreichere Fonds mit einer aggressiveren Investitionsstrategie und stabilitätsorientierte Produkte, die eher auf sichereren Märkten und ausschließlich in Core-Immobilien investieren. So ist das Risiko von Wert- und Liquiditätsverlusten einiger Fonds erkennbar höher als bei anderen, gleichzeitig steigt aber auch deren Renditepotenzial. Für die Anleger offener Immobilienfonds bietet dies eine völlig neue Palette an Anlagemöglichkeiten. Aktuelle BaustellenFraglos ist die aktuelle Krise der offenen Immobilienfonds wesentlich schwieriger zu meistern als etwa 2006. In der damaligen Boomphase an den internationalen Immobilienmärkten konnten die Portfolios der Fonds zu guten Preisen bereinigt werden. Viele Fonds standen nach der Krise besser da als zuvor. Derzeit können Fonds, die sich in Liquiditätsnöten befinden, ihre Immobilien kaum zu den gewünschten Preisen absetzen. Dies lenkt den Fokus allerdings umso deutlicher auf die aktuellen und künftigen Baustellen, die von der Branche angegangen werden müssen.So muss insbesondere das Problem der Fristentransformation gelöst werden. Hierzu hat der Branchenverband BVI bereits sinnvolle Maßnahmen wie etwa längere und einheitliche Kündigungsfristen für institutionelle Anleger vorgeschlagen. Nun ist es am Gesetzgeber, die Vorschläge aufzugreifen und zeitnah gesetzlich zu verankern. Auch in der Bewertungsdebatte müssen die Fondsgesellschaften vorankommen. Die Immobilien sind in der Regel fair und transparent bewertet. Jedoch muss viel offener kommuniziert werden, dass in Deutschland auf Basis der nachhaltigen Erträge und nicht etwa vor dem Hintergrund kurzfristiger Marktschwankungen bewertet wird. Angespannte MietmärkteZusammenfassend lässt sich sagen: Die Zukunft des offenen Immobilienfonds wird neu geschrieben. Kurzfristig ist mit einer rückläufigen Rendite zu rechnen. Nach der 2008 erzielten Wertentwicklung von durchschnittlich 4,7 % ist für das laufende Jahr aufgrund der global angespannten Mietmärkte eine geringere Rendite zu erwarten. Eine nachhaltige Erholung der Märkte und damit auch der Renditen dürfte frühestens erst wieder von 2010 an zu erwarten sein.Zudem müssen sich Anleger darüber bewusst werden, dass der offene Immobilienfonds in Zeiten hoher Verunsicherung die Rücknahme von Fondsanteilen vorübergehend einstellen kann. Dies ist jedoch per se nichts Dramatisches, sondern dient vielmehr dem Schutz der langfristig in den Fonds investierten Anleger. Sie sollen auch weiterhin nicht um ihr Geld fürchten müssen. Zwar könnten die Fonds beispielsweise gegenüber Immobilienaktien künftig noch etwas weniger fungibel sein, dafür sind sie aber weiterhin deutlich weniger volatil. So findet der offene Immobilienfonds seinen berechtigten Platz im Wettbewerb mit anderen indirekten Immobilienanlagen. Differenzierung absehbarKlar erkennbar ist auch, dass sich die Fonds weiter ausdifferenzieren werden. Aufgrund einiger volatiler Märkte und der verschiedenen Nutzungsarten werden einige offene Immobilienfonds schwankungsanfälliger sein als noch vor einigen Jahren. Langfristig orientierte Anleger sollte dies aber nicht abschrecken. Die Produkte eignen sich ohnehin nicht als kurzfristiger Liquiditätsparkplatz. Als Basisinvestment und gutes Instrument zur Risikominimierung im Gesamtdepot werden sie auch künftig ein wichtiger Anker im Portfolio von Anlegern sein, die auf einen langfristigen soliden Vermögensaufbau setzen.Wer auf den großen Sturz der offenen Immobilienfonds gewartet hat, muss wohl auch weiterhin warten. Die Zeichen stehen derzeit jedenfalls auf Stabilisierung. Allein im ersten Halbjahr 2009 haben die Fonds nahezu 4 Mrd. Euro eingenommen. Während hoch fremdfinanzierte Investoren noch immer von den Transaktionsmärkten verschwunden sind, investieren die ersten offenen Fondsgesellschaften bereits wieder erhebliche Summen auf den nationalen und internationalen Immobilienmärkten. Auch die vielfach erwartete Ablösung des offenen Fonds durch andere Anlageformen – etwa den Reit – hat trotz zweier Krisen binnen weniger Jahre bisher nicht stattgefunden. Bis heute gibt es in Deutschland nur zwei Reits mit einer jeweils relativ geringen Marktkapitalisierung. Der offene Immobilienfonds überzeugt auch und gerade dann, wenn der Kapitalmarkt strauchelt. Er ist also keineswegs ein Auslaufmodell, sondern lebendiger denn je. Insofern hat die Krise auch ihre gute Seite – sie beschleunigt die Weiterentwicklung der Assetklasse offener Immobilienfonds.