Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Wolf Bussian

"Pflicht zur Aufklärung über Gewinnmarge bleibt die Ausnahme"

Entscheidung zu Zins-Swap-Geschäften kann weitere Klagen auslösen

"Pflicht zur Aufklärung über Gewinnmarge bleibt die Ausnahme"

– Herr Dr. Bussian, der Bundesgerichtshof hat sich erstmals dazu geäußert, ob eine Bank ihre Kunden über Gewinnmargen aus Anlagegeschäften aufzuklären hat. Was ist die Essenz des Urteils?Die tragende Kernaussage ist, dass Banken “unter besonderen Umständen” offenlegen müssen, was sie an einem von ihnen strukturierten Anlageprodukt verdienen. Das ist ein Paukenschlag, weil es über die bisher angenommenen Aufklärungspflichten hinausgeht. Der Bankensenat erkennt aber zugleich ausdrücklich an, dass eine Bank grundsätzlich nicht darüber aufzuklären hat, dass sie mit eigenen Anlageprodukten Gewinne erzielt. Dieser Interessenkonflikt sei offenkundig.- Was sind besondere Umstände?Wann solche besonderen Umstände vorliegen, bleibt unbestimmt und wird für viele Diskussionen sorgen. In dem gestern entschiedenen Fall hat der BGH darauf abgestellt, dass die dort behandelten Anlageprodukte – CMS Spread Ladder Swaps – bewusst zulasten des Anleger gestaltet worden seien, um das vom Kunden übernommene Risiko sofort und gewinnbringend an einen Dritten verkaufen zu können. Aus einer solchen Sonderkonstellation lassen sich aber kaum Rückschlüsse für anders gelagerte Fälle ziehen. Fest steht nur, dass es sich um Ausnahmefälle handeln muss.- Welche Auswirkungen wird die Entscheidung über die Swap-Fälle hinaus haben?In Fällen, in denen die Bank den Kauf ihrer eigenen, selbst strukturierten Produkte anrät, werden sich Anleger bei einem Streit um die Rückabwicklung der Anlage künftig voraussichtlich vermehrt darauf stützen, die Bank habe die eingepreiste Gewinnmarge nicht offengelegt. Da es sich hierbei zumeist um besonders komplexe und aufwendig strukturierte Anlagen handelt, erwarten wir zusätzlich zu den bisherigen Klagen aus dem Retail-Geschäft zunehmend Klagen versierter oder gar institutioneller Anleger. Das Urteil erwähnt zudem beiläufig, bei hochkomplexen Finanzprodukten müsse die Bank ihrem Kunden im Hinblick auf das Risiko des Geschäfts im Wesentlichen ihren eigenen Kenntnis- und Wissensstand vermitteln. Das wäre ein neuer – sehr hoher – Standard, auf den sich Anleger künftig sicherlich auch weit jenseits der hier diskutierten Zins-Swap-Fälle berufen werden.- Wie passt diese Entscheidung in die bisherige Kick-back-Rechtsprechung?Im Laufe der Zeit hat der BGH die Aufklärungspflichten im Rahmen von Anlageberatungsverträgen immer mehr verschärft. Zunächst war nur über Provisionen aufzuklären, die mehr als 15 % der Investitionssumme ausmachten, weil bei derart hohen Mittelabflüssen andernfalls eine Fehlvorstellung über die Wert-haltigkeit der Anlage entstehen könnte. Sodann verlangte der BGH unter dem Gesichtspunkt des Interessenkonflikts, dass – unabhängig von deren Höhe – über Vergütungen aufzuklären sei, die aus dem Ausgabeaufschlag oder einer Verwaltungsgebühr “hinter dem Rücken des Anlegers” umsatzabhängig für die Vermittlung an die Bank gezahlt werden. Das aktuelle Urteil reiht sich in diese Rechtsprechung ein, indem es die Banken verpflichtet, weitere Informationen über ihre Einkünfte offenzulegen.- Wie gehen die Finanzdienstleister in der Praxis mit dem Thema um?In erster Linie versuchen sie, ihre Kunden angemessen und im Einklang mit der Rechtsprechung auf-zuklären. Sie hatten in der Vergangenheit aber nicht selten das Nachsehen, wenn sich die Rechtsprechung geändert hat. Dann bleibt in der Regel nichts anderes übrig, als jeden Fall einzeln in Frage zu stellen, etwa mit Blick auf Erfahrung der betroffenen Anleger oder darauf, ob die unterlassene Aufklärung überhaupt die Anlageentscheidung beeinflusst hat. Glücklicherweise haben die unterinstanzlichen Gerichte hier an Erfahrung gewonnen und erkennen ganz gut, ob ein Anleger tatsächlich falsch beraten wurde oder er lediglich seine missglückte Investitionsentscheidung auf die Bank abwälzen möchte.—-Dr. Wolf Bussian ist Rechtsanwalt im Frankfurter Büro von Hogan Lovells. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.