Recht und Kapitalmarkt

Phoenix-Zusammenbruch gefährdet die ganze Branche

Finanzdienstleistungsunternehmen von erheblichen Entschädigungssummen bedroht - Abwehrstrategien

Phoenix-Zusammenbruch gefährdet die ganze Branche

Von Jan Marwede und Julian Westpfahl *)Es war das traurige Los der erst ab November 2004 bzw. Januar 2005 berufenen Geschäftsführung, die kriminellen Machenschaften innerhalb der Phoenix Kapitaldienst GmbH aufzudecken. Etwa 30 000 Anleger sehen sich mit dem Verlust ihrer Anlagen konfrontiert, was nach derzeitigem Kenntnisstand einem Schaden von etwa 700 Mill. Euro entspricht.Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat zwischenzeitlich den Entschädigungsfall festgestellt. Dies bedeutet noch keine Anerkennung von Entschädigungsansprüchen der Anleger, sondern allein, dass Phoenix nicht in der Lage ist, Einlagen zurückzuzahlen bzw. Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften zu erfüllen. Damit wird den Anlegern die Möglichkeit eröffnet, Ansprüche bei der Entschädigungseinrichtung für Wertpapierhandelsunternehmen (EdW) anzumelden. Unkalkulierbares SzenarioSo dramatisch der drohende Verlust für die unmittelbar Geschädigten ist, so unkalkulierbar und gefährlich ist das Szenario für sämtliche Finanzdienstleister. Ursachen hierfür sind ihre (Zwangs-)Mitgliedschaft in der EdW sowie die gesetzlichen Regelungen im ESAEG (Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz). Diese sehen nach zumindest herrschender Lesart vor, dass nicht nur das durch die jährlichen Beiträge der Mitglieder angesammelte Vermögen für mögliche Ansprüche der Anleger haftet, sondern dass gegebenenfalls auch eine Nachschusspflicht in Form von Sonderbeiträgen besteht, die in ihrer Höhe allein durch die Ansprüche der Geschädigten begrenzt wird. Da die EdW nicht einmal ansatzweise in der Lage wäre, die im Raum stehenden Verluste mit bestehendem Vermögen auszugleichen, könnte sich die gesamte Finanzdienstleistungsbranche Einstandspflichten in existenzbedrohendem Umfang ausgesetzt sehen.Rechnerisch würde unter Zugrundelegung der gesetzlich festgeschriebenen Maximalentschädigung von 20 000 Euro pro Anleger und einer daraus abzuleitenden erstattungsfähigen Entschädigungssumme von ca. 600 Mill. Euro auf jedes der 760 Finanzdienstleistungsinstitute nach § 8 Abs. 2 Satz 4 ESAEG eine Nachschusspflicht von durchschnittlich fast 800 000 Euro zukommen. Eine solche Inanspruchnahme übersteigt die Leistungsfähigkeit der meisten Finanzdienstleistungsinstitute, so dass sie unverschuldet in die Insolvenz getrieben würden. Dies gilt selbst dann, wenn es ihnen zunächst gelingen sollte, ihre eigene Quote aufzubringen, denn sie werden möglicherweise zusätzlich für die Ausfälle bei den Instituten aufkommen müssen, die ihren Anteil nicht leisten können. Letztendlich würde ein Gesamtschaden auf den Schultern weniger verbliebener Wertpapierdienstleister lasten, der schnell Größenordnungen erreicht, die auch diese Gesellschaften nachhaltig in ihrem Bestand bedrohen. Diese existenzbedrohenden Gefahren zwingen die Finanzdienstleister, zu prüfen, welche Abwehrstrategien sie gegen mögliche Umlageforderungen der EdW entwickeln können. Hierbei ist zunächst zu klären, ob die EdW überhaupt verpflichtet und damit berechtigt ist, Entschädigungszahlungen zu leisten, da nur im Falle rechtmäßiger Auszahlungen an die geschädigten Anleger eine Umlage zulasten der Mitglieder möglich ist.Eine Erstattungspflicht kommt nach dem ESAEG zum einen bei Einlagen und zum anderen bei Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften in Betracht. Da unter Einlagen nur unbedingte, nicht aber bedingte Zahlungsverpflichtungen verstanden werden, handelt es sich bei den Anlagen im “Managed Account” der Phoenix, die auch am Verlust teilnehmen, wohl nicht um erstattungsfähige Einlagen. Dies wird auch dadurch belegt, dass Phoenix als Wertpapierhandelsbank nicht zum Einlagengeschäft berechtigt war. Nur Euro-Anlagen geschütztZwar umfassen die grundsätzlich erstattungsfähigen Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften auch Warentermingeschäfte, die Phoenix vornehmlich betrieben hat. Es ist jedoch zumindest derzeit nicht davon auszugehen, dass Phoenix – soweit dies von dem vielzitierten, jedoch gefälschten Konto in London als hauptsächlichen “Vermögenswert” abhängt – etwas “erlangt” hat, das herausgegeben werden kann, so dass es schon an dieser Voraussetzung für einen Herausgabeanspruch und damit an einem für einen daran anknüpfenden Entschädigungsanspruch fehlt. Es bliebe damit allein die wohl zu verneinende Frage, ob Ansprüche der Anleger gegen Phoenix wegen unerlaubter Handlungen der Anlegerentschädigung unterliegen. Weiter kann einer Erstattungspflicht entgegenstehen, dass durch das ESAEG nur Anlagen in Euro geschützt werden. Daher wird auch entscheidend sein, ob der Kunde sein Konto bei Phoenix in Euro oder Dollar hatte führen lassen. Neben diesen Erwägungen, die einer Einstandspflicht der EdW entgegenstehen können, sind auch grundsätzliche Einwände gegen eine Verpflichtung zur Leistung von Umlagen in Form von Sonderbeiträgen zu berücksichtigen. Bereits in der Vergangenheit hat sich eine Reihe von Finanzdienstleistern gegen die laufenden Beiträge der EdW – u. a. mittels einer derzeit anhängigen Verfassungsbeschwerde – zur Wehr gesetzt, da diese Beiträge zur Absicherung von Risiken erhoben werden, die bei ihnen überhaupt nicht bestehen können. Die Akzeptanz eines solchen Systems wird bei dem jetzt drohenden Umlageverfahren umso deutlicher schwinden, als dieses existenzgefährdend wäre. Es ist insbesondere für diese Institute, bei denen solche Risiken ausgeschlossen sind, nicht hinnehmbar, aufgrund ihrer (Zwangs-)Mitgliedschaft in der EdW unverschuldet ihre Existenz den “schwarzen Schafen” in der Branche opfern zu müssen. Der VuV (Verband unabhängiger Vermögensverwalter) hat daher seine Mitglieder aufgefordert, gegen eine etwaige Umlage mit allen Rechtsmitteln vorzugehen.Den bislang in dieser Richtung angestrengten Verfahren kommt damit in Ansehung des Zusammenbruchs von Phoenix noch größere Bedeutung zu, so dass das Bundesverfassungsgericht nicht umhinkommmen wird, neben den laufenden Beiträgen auch die Auswirkungen eines drohenden Umlageverfahrens zu berücksichtigen, welches zu einer auf gesetzlichen Vorgaben beruhenden Existenzgefährdung einer gesamten Branche führen kann. Die Finanzdienstleistungsinstitute ihrerseits werden zu überlegen haben, ob sie in Anbetracht der zumindest derzeit nicht auszuschließenden Inanspruchnahme bereits jetzt Rückstellungen zu bilden haben. Soweit dies zu einer Überschuldung führen würde, ist diese gem. § 46 b Abs. 1 Satz 1 Kreditwesengesetz bei der BaFin anzuzeigen. Hier sollte die BaFin in einem ersten Schritt die einzelnen Institute bereits jetzt von solchen Anzeigen freistellen, da sie den Sachverhalt ebenso wie die Eigenkapitalverhältnisse sämtlicher Institute kennt. Sie kann aufgrund ihrer Kooperation mit der EdW eher als die einzelnen Institute feststellen, welche Risiken auf diese zukommen können und welche Auswirkungen zu gewärtigen sind. Stellt die BaFin danach eine Überschuldung fest, ist allein sie gemäß § 46 b Abs. 1 Satz 4 Kreditwesengesetz befugt, nach pflichtgemäßem Ermessen Anträge auf Eröffnung von Insolvenzverfahren zu stellen. Staatliche Haftung?Allein wo soll das hinführen? Eine Massenliquidation mehr oder weniger der gesamten Finanzdienstleistungsbranche würde Werte unnütz vernichten, keinesfalls aber die fehlenden Vermögenswerte herbeizaubern. Auch könnte einem solchen Vorgehen die europäische Vorgabe aus Erwägungsgrund 23 der Anlegerschutzrichtlinie entgegenstehen, wonach durch das Anlegerschutzsystem die Stabilität des Finanzsystems in dem Staat nicht gefährdet werden darf. Oder kommt sogar eine staatliche Haftung in Betracht, weil die an gleicher Stelle geregelte europäische Vorgabe nicht ausreichend umgesetzt worden ist, nach der die Finanzierungskapazität eines Anlegerschutzsystems in einem angemessenes Verhältnis zu seinen Verbindlichkeiten zu stehen hat? Wie die Behörden mit dieser Krise umgehen und wie schnell sie dabei Klarheit schaffen, wird über die Zukunft der Finanzdienstleistungsinstitute in Deutschland entscheiden.*) Dr. Jan Marwede und Julian Westpfahl sind Rechtsanwälte der Kanzlei Schwarz Kelwing Wicke Westpfahl in Frankfurt am Main.