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Provisionsverbot in Großbritannien ist kein Modell für Deutschland

Börsen-Zeitung, 15.10.2013 Im April dieses Jahres hat der Gesetzgeber hierzulande eine wichtige Weiche gestellt: Mit dem Honoraranlageberatungsgesetz wurde die Honorarberatung klar definiert. Das zum einen. Zum anderen wurde damit implizit auch ein...

Provisionsverbot in Großbritannien ist kein Modell für Deutschland

Im April dieses Jahres hat der Gesetzgeber hierzulande eine wichtige Weiche gestellt: Mit dem Honoraranlageberatungsgesetz wurde die Honorarberatung klar definiert. Das zum einen. Zum anderen wurde damit implizit auch ein gleichberechtigtes Nebeneinander der Honorar- und der Provisionsberatung und eines fairen Wettbewerbs zwischen beiden verwirklicht. Das Gesetz soll die Transparenz bei beiden Vertriebsformen im Sinne des Anlegerschutzes erhöhen und formuliert eine strikte Trennung von Provisions- und Honorarberatern. Ein Berater muss sich in Deutschland entscheiden, ob er ausschließlich als Honorar- oder als Provisionsberater agieren will.Manch einer mag sich allerdings fragen, warum die Provisionsberatung nicht ganz verboten wurde. Ganz neu wäre das nicht. Denn in Großbritannien traten neue Regelungen unter der Überschrift “Retail Distribution Review” (RDR) Ende 2012 in Kraft, die genau das beinhalten: ein Verbot der Provisionsberatung zugunsten der Honorarberatung. Es sollte der Startschuss für einen radikalen Wandel in der britischen Finanzdienstleistungsbranche sein.Im Kern ging es der britischen Finanzaufsicht, der Financial Services Authority (FSA), darum, die Preise von Investmentprodukten und -dienstleistungen im Interesse der Anleger zu trennen und so mehr Transparenz zu schaffen. Insbesondere das Verbot versteckter Provisionen für Beratungsleistungen sollte dafür sorgen, dass Anleger genau erkennen können, was sie an Beratungshonoraren und an Gebühren bezahlen. Es stellt sich also die Frage, welche Erfahrungen die Finanzbranche auf der Insel seither damit gemacht hat – und ob das ein Modell für Deutschland ist. Weniger BeratungIn einigen Bereichen hat die Umstellung auf Honorarberatung zu spürbaren Veränderungen geführt. So hat der britische Bankenverband BBA festgestellt, dass die Masse der Kleinanleger heute weniger Beratung erhält als vor den RDR. Barclays oder Lloyds Banking Group zum Beispiel verzichten inzwischen ganz darauf, am Massenmarkt Beratung anzubieten. Andere Kreditinstitute haben ihr Angebot stark eingeschränkt. Die Honorarberatung, das zeigte sich seit der RDR-Einführung auch, führt dazu, dass vor allem vermögendere Kunden von Beratern umworben werden.Aber die FSA wollte mit den Änderungen auch eine objektivere und unabhängige Beratung erreichen und die Professionalität der Branche verbessern. Sie erhöhte die Qualifikationsanforderungen an Berater und machte eine regelmäßige berufliche Fortbildung zur Bedingung, den Beruf weiterhin auszuüben. Heute mögen zwar weniger Kunden von weniger Beratern betreut werden, aber wer bereit ist, sich Beratung etwas kosten zu lassen, kann unter Finanzexperten wählen, die besser qualifiziert sind als je zuvor.Interessant ist auch zu sehen, wie schwer sich britische Anleger damit tun, bei der Beratung gegen Honorar neue Zahlungsmodelle zu akzeptieren. Das Marktforschungsinstitut Opinium führte im Februar 2013 eine Umfrage unter 204 Finanzberatern durch. Das Ergebnis: Die meisten Kunden wählten von den drei angebotenen Optionen – Festhonorar, Stundensatz, Prozentsatz des verwalteten Vermögens – die dritte. Sie ist dem alten Modell aus der Zeit vor RDR nicht unähnlich, wenngleich die Gebühren jetzt nicht mehr im Kleingedruckten versteckt sind. Aber auch bei den Anbietern hat sich etwas verändert. Fondsgesellschaften zum Beispiel haben im Zuge der RDR eine Fülle neuer Anteilsklassen auf den Markt gebracht. Zum Teil wurden diese neu aufgelegt, zum Teil umbenannt.Berater wiederum setzen verstärkt auf Musterportfolios statt auf Dachfonds. Diese und neue Versionen von Mixed-Asset-Fonds legen den Fokus meist auf niedrige Kosten. Das hat dazu geführt, dass vermehrt passive Produkte und Exchange Traded Funds als Bestandteile von Anlagevehikeln eingesetzt werden. Zudem haben Produkte, die auf das Risikoprofil abstellen, an Beliebtheit gewonnen. Fonds nutzen MarktmachtKontroverser ist die Entwicklung bei den Fondsplattformen. Diese haben Anlegern bisher oft Rabatte auf ihre Gebühren – verpackt in den jährlichen Managementgebühren der Fondsgesellschaften – eingeräumt. Ab April 2014 wird das nicht mehr möglich sein. Die Plattformen müssen dann Verwaltungsgebühren berechnen, und sie fangen schon jetzt an, ihre Marktmacht auszuspielen, um den Fondsgesellschaften Sonderkonditionen zu entlocken.Eine Folge davon könnte sein, dass Fonds mit hohem Anlagevolumen ihr Gewicht einsetzen, um sich Kostenvorteile zu verschaffen und so am Markt besser sichtbar zu werden. Auf diese Weise könnte ein einfacher Zugang zu manchen Fonds mit vielleicht besserer Wertentwicklung verhindert werden. Daten noch sehr frischDa bisher erst Daten für sieben oder acht Monate vorliegen, ist der Zeitraum für eine abschließende Beurteilung noch zu kurz. Einige Befürchtungen aber haben sich in Großbritannien als europäischem Musterfall nicht bewahrheitet. Die meisten Berater sind mit den Veränderungen gut zurechtgekommen und die RDR hat die Fonds zu organisatorischen Verbesserungen veranlasst, was nicht unbedingt ein Nachteil ist.Auf Basis dieser Erfahrungen ist aber auch klar, dass das Konzept der Koexistent von Provisions- und Honorarberatung für Deutschland als besser geeignet erscheint. Schließlich ist die Ausgangslage hierzulande eine andere. Insgesamt ist der Anteil freier Berater – gemessen am verwalteten Vermögen – deutlich geringer als in Großbritannien. Und in Deutschland wird der Vertrieb nach wie vor von den großen Vertriebsnetzen der Banken und Versicherer dominiert. Für diese Vertriebswege stellt sich die Frage der Honorarberatung eher nicht.Allerdings hat die neue Regelung in Deutschland für die Kunden nicht nur Vorteile. Der Anleger kann zwar wählen, wie er die Leistung seines Beraters vergüten möchte. Aber er darf selbst auf eigenen Wunsch mit einem Honorarberater keine Provisionsberatung vereinbaren. So kann es sein, dass er mehrere Berater, also auch Provisionsberater, zu Rate ziehen muss. Zudem ist Honorarberatung, das zeigt das Beispiel Großbritanniens, für viele Kleinanleger oft zu teuer. Bei der Provisionsberatung hingegen zahlt, wer wenig anlegt, auch wenig Provision. Mifid II wirft Schatten vorausInsofern könnte die Einführung des Provisionsverbots hierzulande auch manchen Vorteil haben. Ganz auszuschließen ist es nicht. Im Herbst dieses Jahres wird das Europäische Parlament über Mifid II entscheiden. Und sollte es dann zu einem Provisionsverbot auf europäischer Ebene kommen, dann gibt es schon jetzt Anzeichen dafür, dass der deutsche Gesetzgeber nachziehen würde.Allerdings würde ein solcher Schritt dem politischen Ziel, dass die gesamte Bevölkerung privat für das Alter vorsorgen soll, entgegenstehen. Zumindest bis zu Mifid II, vielleicht aber auch darüber hinaus, hat die RDR für Deutschland deshalb wenig Relevanz. Vorerst bleibt die deutsche Finanzaufsicht dabei, den Schwerpunkt auf den Verbraucherschutz zu legen statt auf ein Verbot von Provisionen.—-Stewart Cazier, Managing Director Distribution Henderson Global Investors