RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: THOMAS MAZUR

Reeder suchen nach Alternativen

Schiffsfinanzierungen: "Standard-Sanierungskonzepte sind kaum zu finden"

Reeder suchen nach Alternativen

– Herr Mazur, der Fall der Schwergut-Reederei Beluga wirbelt Staub auf. Sinkt das Vertrauen in Schiffsfinanzierungen weiter?Im Fall Beluga haben die Emissionshäuser schnell und konsequent reagiert. Nachdem mit Beluga keine Einigung in Sicht schien, wurde die Bereederung auf andere Schifffahrtsgesellschaften übertragen. Der Schaden für die Anteilseigner der jeweiligen Ein-Schiff-KGs wurde so gering wie möglich gehalten. Um die Beschäftigung der Schiffe zu sichern, mussten dazu jedoch die Charterraten auf das aktuelle Marktniveau nach unten korrigiert werden.- Was zeigt der Fall?Beluga zeigt sehr deutlich, dass das langfristige Versprechen einer hohen Charterrate bei fallenden Marktcharterraten über einen längeren Zeitraum meist nicht durchzuhalten ist. Seit Ende 2008 liegen die für Frachtschiffe erzielbaren Marktraten deutlich unter den zugesagten Beträgen – in der Spitze bei weit weniger als der Hälfte. Die Reederei Beluga hat versucht, die Liquiditätslücke zwischen den erzielten und den an die Schiffsfonds zu zahlenden Charterraten so lange wie möglich zu überbrücken. Dabei haben sie es verpasst, rechtzeitig nach einer einvernehmlichen Lösung mit den finanzierenden Parteien zu suchen.- Und die Emissionshäuser?Die von ihnen beworbenen Schiffsfonds verfügten im Regelfall über eine fest vereinbarte, langfristige Charterrate. Die sehr gute Bonität des Vertragsreeders wurde selbstverständlich vorausgesetzt. Dabei überlagerte die Frage der Bonität die Frage, ob das Geschäftsmodell auch größeren Schwankungen der Marktcharterraten standhält. Reedereien wie Beluga, die mehr Schiffe einchartern, als sie selbst im Eigentum haben, fehlt es an finanziellem Spielraum.- Welche Beträge legten deutsche Investoren in Schiffsfonds an?Rund 21 Mrd. Euro Eigenkapital. Damit finanzieren deutsche Investoren circa 48 % der deutschen bzw. 4,5 % der weltweiten Handelsflotte. Fondsgesellschaften haben die Gelder vor allem in Containerschiffe investiert.- In der Vergangenheit boten diese Geldanlagen attraktive Renditeaussichten. Wie ist das heute?Innerhalb der vergangenen zehn Jahre wurde eine Verzinsung von durchschnittlich 11 % im Jahr nach Unternehmenssteuern erzielt. Schiffe, die auf dem Höhepunkt der Charterratenentwicklung bestellt wurden – etwa 2005 bis 2007 -, weisen deutlich höhere Anschaffungskosten aus als vergleichbare Neubauten heute. Entsprechend hoch ist die Verschuldung und damit der Schuldendienst, der durch die Marktcharterraten derzeit nicht mehr vollständig erwirtschaftet wird. Entsprechend werden diese Schiffsjahrgänge die erwartete Rendite dann weit verfehlen, wenn ein Sinken der Erlöse auf die Marktcharterrate nicht durch geeignete Maßnahmen verhindert werden kann.- Nach Schätzungen steckt jeder fünfte Schiffsfonds in finanziellen Schwierigkeiten. Wie werden die Sanierungen angegangen?Standard-Sanierungskonzepte sind in Anbetracht der vielschichtigen Interessenlagen von Altgesellschaftern, Banken, Initiatoren und neuen Investoren kaum zu finden. Während bei ausplatzierten Fonds die Anteilseigner meist zu Nachschüssen bewegt wurden, um etwaige Liquiditätslücken zu decken, ist die Lage bei nicht ausplatzierten Fonds schwieriger. Die Einwerbung von Eigenkapital ist hier die Herausforderung. Fremdkapitalgeber müssen die Lücke schließen, da sie die Anzahlungen in der Bauzeit des Schiffes finanziert haben und riskieren, dass das Schiff nicht ausgeliefert wird und die geflossenen Finanzmittel verloren sind.- Warum?Der Grund dafür liegt meist schon in der Finanzierungsstruktur an sich. In der Vergangenheit wurden die Modelle meist so strukturiert, dass erst die letzte Bauzeitrate aus dem eingeworbenen Eigenkapital bedient wird. So gingen Fremdkapitalgeber in Vorleistung, und den Fondsgesellschaften blieb ausreichend Zeit zur Kapitaleinwerbung, obwohl das Schiff längst bestellt war.- Die Einwerbung von Eigenkapital über Schiffsfonds bleibt schwierig. Gibt es Alternativen?Die Suche nach Finanzierungsalternativen beschäftigt die Reeder derzeit sehr intensiv. Es bleibt abzuwarten, inwieweit etwa Private Equity diese Lücke schließen kann. Meist wird von Private-Equity-Investoren ein Geschäftskonzept erwartet, dass weit über die Beschäftigung eines einzelnen neuen Schiffs hinausgeht. Diese Geschäftskonzepte erfordern häufig strategische Partnerschaften, sodass wir voraussichtlich einen Konzentrationsprozess in der Branche erleben werden.—-Thomas Mazur verantwortet bei Deloitte Corporate Reorganisation und ist Ansprechpartner für die Industry Line Shipping. Die Fragen stellte Walther Becker.