RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: JOHANNES FREY

Reform der Grunderwerbsteuer treibt Investoren um

Share Deals verlieren für Immobilientransaktionen an Attraktivität

Reform der Grunderwerbsteuer treibt Investoren um

– Herr Frey, die Länderfinanzminister haben sich auf drei Vorschläge zur Reform der Grunderwerbsteuer geeinigt. Was hat den Reformvorschlag veranlasst?Der Reformvorschlag beruht auf einer Initiative des hessischen Finanzministers Thomas Schäfer. Er will hierdurch sogenannte “Share Deals” erschweren, “bei denen nicht das Grundstück, sondern das das Grundstück besitzende Unternehmen verkauft wird, um die Grunderwerbsteuer zu umgehen”. Der Reformvorschlag unterstellt pauschal, dass die Veräußerung von Anteilen innerhalb von zehn (!) Jahren ab einer bestimmten Veräußerungshöhe eine Steuerumgehung darstelle.- Zu Unrecht?Dabei wird übersehen, dass es im Steuerrecht bereits einen allgemeinen Missbrauchstatbestand gibt. Zudem erfasst der Reformvorschlag zahlreiche Fälle, bei denen keinerlei Missbrauch denkbar ist. Der Vergleich des Finanzministers mit Privatpersonen, die ebenfalls Grunderwerbsteuer zahlen müssten, hinkt. Anteilserwerbe durch andere Gesellschaften sind nicht mit Grundstückserwerben durch Privatpersonen vergleichbar. Vergleichbare Fälle liegen nur vor, wenn eine Gesamtbetrachtung vorgenommen worden wäre. Diese müsste die Privatpersonen miteinbeziehen, die hinter den Gesellschaften stehen. Andernfalls vergleicht man Äpfel mit Birnen.- Auf welche Fälle soll der Reformvorschlag Anwendung finden?Der Reformvorschlag soll auf sämtliche Fälle Anwendung finden, bei denen mindestens 90 % der Anteile an grundbesitzenden Kapitalgesellschaften innerhalb von zehn Jahren übertragen werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Anteile von derselben Person oder einer Vielzahl voneinander unabhängiger Personen erworben werden.- In welcher Weise sind auch Unternehmen außerhalb des Immobiliensektors betroffen?Der Vorschlag würde auch Unternehmen außerhalb des Immobiliensektors erheblich belasten. Auch würde er auf sämtliche Übertragungen von Anteilen an Kapitalgesellschaften mit inländischem Immobilienbesitz Anwendung finden.- Wo sehen Sie kritische Punkte?Es gibt zahlreiche kritische Punkte. Stellen Sie sich vor, dass innerhalb von zehn Jahren 90 % der Aktien an einer börsennotierten Aktiengesellschaft übertragen werden. Hält die Aktiengesellschaft Immobilien, soll nach dem Reformvorschlag Grunderwerbsteuer anfallen. Allerdings bleibt völlig offen, wie der Vorstand überhaupt wissen soll, dass 90 % der Aktien übertragen wurden. Meldepflichtig sind lediglich Übertragungen, die bestimmte Grenzen übersteigen (ab 3 %). Faktisch würde die Grunderwerbsteuer von der zufälligen Kenntnis eines Aktionärswechsels abhängig gemacht werden. Es könnte sogar zu Situationen kommen, in denen Aktionäre Gesellschaften mit angedrohten Aktienverkäufen unter Druck setzen, wenn die 90-Prozent-Schädlichkeitsgrenze nahezu erreicht ist.- Gibt es weitere Knackpunkte?Eine weitere Baustelle ist der zeitliche Anwendungsbereich. Fraglich ist dabei, ob die geplante Neuregelung auch Anteilsübertragungen “mitzählt”, die vor dem Inkrafttreten der Reform erfolgten. Eine Anwendung auf bereits umgesetzte Vorgänge verstößt nach meiner Einschätzung gegen den verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach klargestellt, dass eine derartige Rückanknüpfung der Besteuerung aus rechtsstaatlicher Sicht einer besonderen Rechtfertigung bedarf. Eine solche Rechtfertigung ist hier jedoch nicht ersichtlich. Darüber hinaus erscheint die Verlängerung der Fünfjahresfrist auf zehn Jahre problematisch.- Warum?Eine derart lange Frist ist dem Steuerrecht fremd. Gesetz und Rechtsprechung gehen davon aus, dass regelmäßig kein Missbrauch vorliegt, wenn ein Zeitraum von mehr als fünf Jahren zwischen verschiedenen Vorgängen liegt (zum Beispiel im Rahmen von Spaltungen oder dem Wegfall von Verlustvorträgen). Weshalb hier ein anderer Maßstab gelten soll, ist unverständlich.- Wären Share Deals mit der Reform vollkommen unattraktiv?Die Attraktivität von Share Deals würde sinken. Jeder Erwerb oder Zusammenschluss von Unternehmen würde eine Untersuchung von unmittelbaren oder mittelbaren Gesellschafterwechseln innerhalb eines Zehnjahreszeitraums erfordern.—-Dr. Johannes Frey ist Partner von Skadden Arps. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.