RECHT UND KAPITALMARKT

Regulierung für Kryptowährungen geht voran

Verwahrgeschäft als neue erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung - Zahlreiche Abgrenzungsfragen

Regulierung für Kryptowährungen geht voran

Von Bernd Geier *) Am 31. Juli hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes “zur Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur Vierten EU-Geldwäscherichtlinie” oder – mit anderen Worten – der 5. Geldwäscherichtlinie veröffentlicht. Der Entwurf enthält Vorgaben zur regulatorischen Behandlung von Kryptowerten, die hier kritisch gewürdigt werden sollen. Die 5. Geldwäscherichtlinie verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten bis zum 10. Januar 2020, den Anwendungsbereich des Geldwäscherechts sowohl auf Dienstleister auszudehnen, die virtuelle Währungen in Fiatgeld (das heißt Münzen, Geldscheine, E-Geld) umtauschen als auch auf Anbieter sogenannter elektronischer Geldbörsen zur Speicherung des private Key für virtuelle Währungen (Wallets).In Deutschland bestünde insoweit eigentlich minimaler Umsetzungsbedarf. Schon heute werden virtuelle Währungen (über das EU-Recht hinausgehend) als Rechnungseinheiten eingestuft und den Finanzinstrumenten des Kreditwesengesetzes (KWG) zugeordnet. Die jüngst vom Kammergericht Berlin vertretene, abweichende Rechtsauffassung ist im Ergebnis unzutreffend. Sie wird sich schon deswegen nicht durchsetzen, weil die Regierungsbegründung zum hier erörterten Gesetzesentwurf virtuelle Währungen den Rechnungseinheiten zuordnet und damit davon auszugehen ist, dass sich der Gesetzgeber diese Auffassung (spätestens) im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens eindeutig zu eigen machen wird. Unternehmen, die entsprechende Tauschgeschäfte in Fiatgeld anbieten, sind daher bereits heute als Institute Verpflichtete des Geldwäscherechts.Lediglich die Anbieter sogenannter Wallets wären neu in den Kreis der Verpflichteten des Geldwäscherechts aufzunehmen, um so sicherzustellen, dass die Inhaber (und wirtschaftlich Berechtigten) virtueller Währungen identifiziert werden. Dies hätte einfach durch eine Ergänzung von § 2 Geldwäschegesetz (GWG) geschehen können.Der deutsche Gesetzesentwurf verfolgt indes einen anderen Ansatz. Zum einen wird das Kryptoverwahrgeschäft als neue, erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung eingeführt und – anders als in der 5. Geldwäscherichtlinie – nicht nur auf die Verwahrung des Private Key beschränkt. Damit ist künftig nicht nur die Ausführung von Kundengeschäften in virtuellen Währungen, sondern auch deren Verwahrung für andere – anders als auf Ebene des EU-Rechts – per se erlaubnispflichtig. Die damit verbundene Erweiterung des Institutsbegriffs ist vermutlich wenig geeignet, die Rolle Deutschlands als einen der führenden Digitalisierungs- und Fintech-Standorte im Wettbewerb mit anderen EU-Mitgliedstaaten zu stärken. Weite InterpretationZum anderen plant der Gesetzgeber, die Erstreckung der Regelungen über virtuelle Währungen hinaus auf andere Arten von Kryptowerten. Grundlage dieser Auffassung ist eine weite Interpretation des Erwägungsgrundes 10 der 5. Geldwäscherichtlinie. Diese Auffassung erscheint jedoch alles andere als zwingend. Der Erwägungsgrund könnte auch dahingehend verstanden werden, dass virtuelle Währungen selbst Investitionsobjekt sein können – und nicht so, dass alle Arten von tokenbasierten Anlage-/Investitionsformen von der 5. Geldwäscherichtlinie erfasst sein sollen.Unterstellen wir die rechtspolitische Gebotenheit eines Erlaubnisvorbehalts im Bereich der Kryptowerte, ist die Anschlussfrage, ob das KWG für Token überhaupt ein zur Erreichung von Markt- und Kundenschutz geeignetes Regelwerk darstellt. Kryptowerte können ganz unterschiedliche Zwecke verfolgen: Ein Kryptowert kann zum Beispiel eine virtuelle Währung, wertpapierähnliche Funktionen oder auch (realwirtschaftliche) Dienstleistungen oder Waren abbilden.Soweit wertpapierähnliche Funktionen übernommen werden (Securities Token), ist bereits heute anerkannt, dass zum Beispiel das Prospektrecht, das KWG und das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) Anwendung finden. Solche Token werden regulatorisch klassischen Wertpapieren gleichgestellt. Lediglich das etwas antiquierte Depotgesetz (DepotG) lässt ihre Verwahrung in Girosammelverwahrung nicht zu. Die Verwahrfähigkeit der Securities Token und die Erbringung des (erlaubnispflichtigen) Depotgeschäfts wird damit jedoch mit Nichten per se ausgeschlossen. Im Bereich der Verwahrung sind jedoch zahlreiche, juristische Einzelfragen noch nicht geklärt.Zu begrüßen ist daher auch die Initiative der Bundesministerien der Finanzen sowie der Justiz und für Verbraucherschutz im Eckpunktepapier zur regulatorischen Behandlung von elektronischen Wertpapieren und Kryptotoken vom 7. März 2019, das unter anderem eine (partielle) Dematerialisierung des Wertpapierbegriffs vorschlägt. Ein längst überfälliger Modernisierungsschritt mit sehr weitgehenden Implikationen. So beruht die Girosammelverwahrung heute typischerweise auf Wertpapieren, die wie bewegliche Sachen übertragen werden, das heißt durch Einigung und Übergabe. Diese Mechanik findet auf dematerialisierte Wertpapiere normalerweise jedoch keine Anwendung; ihre Übertragung erfolgt häufig durch Änderung eines Registereintrags.Die Erweiterung des Wertpapierbegriffs zieht daher weitergehenden Anpassungsbedarf im DepotG nach sich, auch, um schwer bis gar nicht auflösbare Konflikte im internationalen Privatrecht zu vermeiden. So hätte zum Beispiel eine deutsch-rechtliche Fiktion einer beweglichen Sache für dematerialisierte Wertpapiere im Ausland nur geringe Wirkungen. Daher sollte auch über eine Konsolidierung der in Deutschland verwendeten Verwahrsysteme Girosammelverwahrung und Gutschrift in Wertpapierrechnung nachgedacht werden. Ganz anders verhalten sich hingegen Kryptowerte in Form virtueller Währungen. Sie sind eher mit Zahlungsinstrumenten vergleichbar und werden typischerweise gerade nicht als Wertpapiere eingestuft. Funktional ist ein Wallet-Anbieter dann eher einem Kontoinformations- und gegebenenfalls -auslösedienst als einem Kreditinstitut vergleichbar. Sinnvoll könnte daher erscheinen, Wallet-Anbieter dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) und nicht dem KWG zu unterwerfen, zumal der Gesetzesentwurf insoweit mit den Begriffen “Sammelbestand”, “Obhut” und “aufbewahrt” sprachlich an seine Grenzen stößt.Technisch definiert der Gesetzgeber den Begriff des Kryptowerts (anders als hier bislang verwendet) als Auffangtatbestand. Ein Kryptowert liegt dann vor, wenn dieser nicht bereits als Rechnungseinheit, Wertpapier, Vermögensanlage, Derivat oder Anteil an einem Investmentvermögen vom KWG erfasst wird. Virtuelle Währungen und Securities Token sind damit typischerweise keine Kryptowerte, sondern Rechnungseinheiten beziehungsweise Wertpapiere.Aber auch Utility Token scheinen von der neuen Definition des Kryptowerts nicht erfasst zu werden: So führt die Regierungsbegründung aus, dass “insbesondere reine elektronische Gutscheine auf Bezug von Waren oder Dienstleistungen […] im Austausch für die Leistung eines entsprechenden Gegenwerts, denen bestimmungsgemäß nur durch Einlösung gegenüber dem Emittenten eine wirtschaftliche Funktion zukommen soll und die daher nicht handelbar sind und aufgrund ihrer Ausgestaltung keine investorenähnliche Erwartungshaltung an die Wertentwicklung des Gutscheins oder an die allgemeine Unternehmensentwicklung des Emittenten oder eines Dritten wert- oder rechnungsmäßig abbilden” keinen Kryptowert darstellen sollen. Getrennte UmsetzungDiese Ausnahme für realwirtschaftliche Waren und Dienstleistungen wird durch die gesetzliche Definition bislang nicht hinreichend abgebildet. Sie wirft auch zahlreiche Auslegungs- und Abgrenzungsfragen auf.Insgesamt sprechen daher gute Gründe dafür, sich im Rahmen des Gesetzesentwurfs zur Umsetzung der 5. Geldwäscherichtlinie auf die reine Umsetzung dieser Richtlinie zu beschränken und die weitergehenden Implikationen einer eindeutig wünschenswerten, klaren Regulierung von Kryptowerten im Rahmen der Initiativen rund um das Eckpunktepapier vom 7. März 2019 zu diskutieren und dann getrennt umzusetzen. *) Prof. Dr. Bernd Geier ist Partner von Bryan Cave Leighton Paisner.