Roboter malochen auf Baustellen der Zukunft

Digitalisierung sorgt für weniger Staus und niedrigere Kosten - Bauindustrie konkurriert bei Fachkräften mit großen Technologie- und IT-Konzernen

Roboter malochen auf Baustellen der Zukunft

Egal, welche Branche: Die Coronakrise sorgt für einen enormen Innovationsschub. Auch die Bauindustrie, die lange als rückständig galt, setzt voll auf Digitalisierung. Die Branche holt mit großen Schritten auf und orientiert sich an anderen Industrien, in denen Arbeitsprozesse bereits automatisiert und optimiert sind und in denen Roboter längst zum Alltag gehören. Bis ein Hochhaus aus dem 3-D-Drucker kommt, wird aber noch viel Zeit vergehen.Das liegt an der Art des Geschäfts, aber auch an der Struktur des Marktes, der in Deutschland von 75 000 kleinen und mittelgroßen Betrieben geprägt wird. Auch die Fachplaner arbeiten überwiegend in einer Vielzahl kleiner Büros. Hinzu kommen hunderttausende Elektro- oder Sanitärfirmen, die oft lieber mit gedruckten Bauplänen als in virtuellen Datenräumen hantieren. Obendrein ist jedes Bauprojekt ein Unikat. Allein Baugrund und Lage des Grundstücks haben erheblichen Einfluss auf Bauweise und Logistik. Modulare Baugruppen und Roboterfertigung wie in der Automobilindustrie waren deshalb auf dem Bau lange undenkbar. Kontinuierlich weiterentwickeltDie Branche hat sich in den vergangenen Jahrzehnten trotzdem kontinuierlich weiterentwickelt. So wurden in der Planung die Zeichentische schon früh von CAD-Programmen ersetzt. Die nächste Evolutionsstufe – das virtuelle Bauen, auch Building Information Modeling (BIM) genannt – begann vor 15 Jahren und ist noch längst nicht abgeschlossen. BIM ist mehr als dreidimensionale Planung. Mit den Daten werden auch Bau- und Betriebsabläufe optimiert, Kalkulationen erleichtert oder Planungsmängel vor dem Baustart entdeckt. Bei öffentlichen Infrastrukturprojekten in Deutschland ist Building Information Modeling erst seit diesem Jahr für alle Beteiligten verbindlich.Bis die neue Arbeitsweise auch bei jeder Scheune eingesetzt wird, vergeht noch einige Zeit. Dabei ist dieses Werkzeug die Grundlage für weitere Entwicklungen, die in wenigen Jahren zum Baualltag gehören werden: Bagger, die ohne Fahrer graben, Bohrmaschinen, die mit geometrischen Daten ihren Bohrpunkt selbst finden, Drohnen, die Bauzustände im Überflug erfassen, Spritzroboter, die komplette Grundrisse erstellen. Diese und andere Technologien werden Bauprojekte künftig sehr viel mehr als heute unterstützen. Das funktioniert aber nur, wenn die bestehenden analogen Prozesse in einen digitalen Workflow übersetzt werden. Das Resultat ist ein gemeinsamer Datenpool, auf den alle am Projekt Beteiligten zugreifen und der die Optimierung von Abläufen durch Künstliche-Intelligenz(KI)-basierte Prozesse ermöglicht. Miteinander verbessert sichAuch das Miteinander der unterschiedlichen Beteiligten an einem Bauprojekt wird sich verbessern und die traditionellen Konfrontationen in kooperative Prozesse überführen. Fünfdimensionales BIM bietet außerdem zusätzliche Funktionen und Werkzeuge. Mit ihnen kann man schnell und einfach Kosten ermitteln oder Terminpläne an eine veränderte Planung anpassen. Die gesammelten und strukturierten Daten ebnen den Weg zu weiteren digitalen Umgebungen.Im privaten Haushalt ermöglicht die Digitalisierung etwa die Steuerung von Heizung und Licht und anderen Endgeräten via App oder Sprache und sorgt für angenehmen Luxus. Bauprojekte hingegen werden durch künstliche Intelligenz, Sensoren in allen Bauteilen und selbständig über das Internet kommunizierende Technik, das “Internet of Things” (IoT), qualitativ besser. Die neuen Möglichkeiten führen dazu, dass nur dann gewartet und repariert wird, wenn es wirklich erforderlich ist. Dazu sammelt zum Beispiel eine Sensorbox die verschiedenen Signale, übersetzt sie und wertet sie aus.In kritischen Bauphasen helfen die Informationen bei der Entscheidungsfindung: Zum Beispiel werden sensorische Daten von Bewegungen und Erschütterungen beim Aushub der Baugrube in Echtzeit mit einem 3-D-Baugrund-Informationsmodell abgeglichen, und bei Auffälligkeiten wird ein Alarm ausgelöst. In der Betriebsphase überwacht die Technik kontinuierlich den Verschleiß von Bauteilen, neudeutsch “predictive maintenance”. Im Brückenbau wird das System bereits eingesetzt.Es meldet frühzeitig, wenn bei hoher Belastung Lager viel schneller getauscht werden müssen als ursprünglich gedacht. Die kleine Reparatur kann schnell und kostengünstig zu verkehrsarmen Zeiten durchgeführt werden. Wartet man zu lange, kommt es vielleicht zu teuren Dauerbaustellen oder sogar zum Totalschaden des Bauwerks wie bei der Rheinbrücke in Leverkusen.Die Hochtief-Innovationstochter Nexplore entwickelt gerade eine Software, mit der die Daten von Drohnen bei großen Straßenbauprojekten ausgewertet werden können. Die unbemannten Flugobjekte sind eine große Hilfe für die Projektleitungen, denn bei hunderten von Lkw-Bewegungen lässt sich auf einer Großbaustelle oft nur schwer abschätzen, ob die Erdarbeiten im Zeitplan sind. Drohnen helfen bei der Bauüberwachung und geben Alarm, wenn es länger dauert als gedacht.Es gibt weitere Anwendungsbeispiele, über die sich vor allem Baukaufleute freuen. Kognitive Intelligenz, ein Teilbereich der künstlichen Intelligenz, hilft den Unternehmen bei der Vertragsanalyse oder bei der Aufbereitung von Ausschreibungen. Risiken, die sich in Aktenbergen verstecken, können mit Hilfe von Algorithmen rechtzeitig erkannt und wirtschaftlich bewertet werden.Sogar die Umwelt profitiert, wenn Sensoren den Energieverbrauch riesiger Baumaschinen erfassen und optimieren. Die Blockchain-Technologie bietet ebenfalls enorme Möglichkeiten: Bei einem großen Infrastrukturprojekt in München testen Hochtief und Nexplore zwei Eigenentwicklungen, die eine Echtzeiterfassung der Betonanlieferung und die digitale Qualitätsüberwachung ermöglichen sowie den gesamten Prozess bis zur digitalen Rechnungsstellung abbilden. Die automatisierte BaustelleStraßenbaustellen mit kilometerlangen Erdbewegungen dürften der erste Bereich sein, in dem schon bald intelligent gesteuerte Maschinen einen Großteil der Arbeit unterstützen. Den Handwerker als Spezialisten werden sie nie ganz ersetzen. Sein Berufsbild wird sich jedoch verändern und erweitern. Das gilt auch für die Aufgaben der Nachunternehmer und Zulieferer. Denn das Ziel ist klar erkennbar: die automatisierte Baustelle.Auf der Suche nach jungen Leuten mit praktischem Geschick und großer Computeraffinität konkurriert die Bauindustrie zunehmend mit großen Technologie- und IT-Konzernen. Schon heute werden Technologieexperten mit hohen Prämien abgeworben. Um dem Mangel entgegenzuwirken, müssen zum einen die Hochschulen noch stärker in die digitalen Ausbildungsinhalte der Ingenieur- und Architekturstudiengänge investieren. So bildet Hochtief seit einigen Jahren sowohl an der Ruhr-Universität Bochum als auch an der Technischen Universität München in Garching zukünftige BIM-Experten aus. Zum anderen müssen die Unternehmen eigene Leute selbst fortbilden, sie für die neuen Fähigkeiten und Aufgaben rüsten und gezielt Expertenwissen aufbauen. Stephan Tilner, Geschäftsführer der Nexplore Technology GmbH, Deutschland, Innovationszentrum von Hochtief