ASSET MANAGEMENT - SERIE: ANLAGESTRATEGIE IM UMBRUCH (5)

Russische Staatsfonds bekommen mehr Freiheit

Management soll an Profis übertragen werden - Bald auch Aktieninvestments erlaubt - Bislang nur Werterhalt als Ziel

Russische Staatsfonds bekommen mehr Freiheit

Schon vor der Krise spielte Russland mit dem Gedanken, die Staatsfonds auch in ausländische Aktien investieren zu lassen. Nach vier Jahren Zurückhaltung lebt die Idee wieder auf. Und konkurriert mit der Überlegung, die Gelder auch für wirtschaftspolitische Maßnahmen im Inland einzusetzen.Von Eduard Steiner, MoskauDer Prozess gestaltete sich zäh. Seit drei Jahren schon begutachtet die russische Regierung den vom Finanzministerium konzipierten Gesetzesentwurf über eine eigene staatliche Finanzagentur. Unter anderem über den rechtlichen Status konnte man sich die längste Zeit nicht einigen. Nun aber dürfte die Institution doch schon bald Gestalt annehmen. Wie die Wirtschaftszeitung “Wedomosti” kürzlich berichtete, hat das Finanzministerium die Suche nach dem Management begonnen und verhandelt mit ersten Kandidaten.Die Zeit drängt. Im nächsten Jahr nämlich muss die Agentur stehen, hat Präsident Wladimir Putin in seiner Budgetrede gefordert. Die neue Struktur, die nach dem Vorbild Norwegens eingerichtet werden soll, wird die beiden Staatsfonds – genannt Reservefonds und Nationaler Wohlfahrtsfonds – sowie die Staatsschulden managen.Das ist ein neuer Schritt, seit Russland 2004 mit der Einrichtung des damals sogenannten Stabilisationsfonds begonnen hatte, der zu Beginn der Krise Ende 2008 insgesamt bereits über 220 Mrd. Dollar, sprich mehr als 10 % des BIP, gehortet hatte und daher in die beiden jetzigen Fonds gesplittet wurde. Seither sind viele Grundfesten durch die Krise erschüttert worden. Nicht nur der Zugang zur Anlagestrategie hat sich fundamental geändert. Durch die Tatsache, dass Russlands Wirtschaft 2009 um 7,9 % abgestürzt ist und seither auch mit Budgetdefiziten zu kämpfen hat, haben sich auch die Reserven in den Staatsfonds reduziert.Anfang Juli verwaltete zwar der Wohlfahrtsfonds, der für die Finanzierung des Pensionssystems vorgesehen ist, 2,81 Bill. Rubel (71 Mrd. Euro), was dem Niveau zu Beginn der Krise entspricht. Der Reservefonds jedoch, der zur Auffüllung von Budgetlöchern und zur Ausbalancierung der Ölpreisschwankungen angezapft werden musste, weist nun 60,5 Mrd. Dollar auf, während er 2008 noch mit 142,60 Dollar gefüllt war.Mit der künftigen Finanzagentur erfolgt nun aber nicht nur eine Übertragung der Managementverantwortung aus dem Finanzministerium bzw. der Zentralbank, die derzeit den Großteil des Geldes verwaltet, an markterfahrene Fachleute. Die Regierung erhofft sich dadurch auch höhere Erträge und ändert ihre Anlagestrategie. Konkret soll die Finanzagentur – so wie es unter anderem beim Staatsfonds Norwegens üblich ist – erstmals auch in Aktien investieren dürfen. “Die Agentur erhält die Möglichkeit, Aktien zu kaufen, und beginnt wahrscheinlich den Prozess eines vorsichtigen, sehr vorsichtigen Investments in Aktien”, sagte Vizefinanzminister Sergej Stortschak Anfang Juli. Die Vorsicht erkläre sich nicht nur aus dem natürlichen Risiko dieses Instruments, sondern auch aus der russischen Unerfahrenheit.Vor der Krise hatte Russland mit der Überlegung, den Wohlfahrtsfonds als Vehikel für riskantere Investments vor allem in Unternehmensaktien zu nutzen, im Westen leichte Panik hervorgerufen, es könnte zu einer großen Einkaufstour kommen. Die Wucht der Finanzkrise jedoch machte die Pläne zunichte. Seither wurden die Fondsmittel ihrer Bestimmung gemäß vor allem für die Deckung der Haushalts- und Pensionskassendefizite verwendet.Der konservativen Anlagestrategie entsprechend war es fortan lediglich erlaubt, Anleihen ausländischer Staaten zu erwerben oder das Geld auf Depots der Zentralbank bzw. – zu maximal 10 % – des Investitionsvehikels Vneshekonombank (VEB) zu legen. Anleihen internationaler Kreditinstitute und Staatsagenturen wurden gar nicht mehr in Betracht gezogen. “Die derzeit geltende Strategie ist nicht Wertzuwachs, sondern Werterhalt”, meint Konstantin Styrin, Finanzexperte der Russian Economic School in Moskau, auf Anfrage der Börsen-Zeitung. Am meisten brachten noch die VEB-Depots ein, und zwar im vergangenen Jahr 5,6 %. Immerhin aber konnten in der Krise Verluste vermieden werden. Die konservative Zentralbank, die insgesamt übrigens auf 514 Mrd. Dollar Gold- und Währungsreserven sitzt, hält vier Fünftel der Wertpapierinvestitionen in Staatsanleihen der USA (32,8 %), Frankreichs, Deutschlands und Englands. KrisenbekämpfungsmittelDas Gesetz für die neue Anlagestrategie der Staatsfonds soll Ende 2012 verabschiedet sein. Ob dann auch die angedachte Möglichkeit, mit Mitteln des Fonds an der geplanten Privatisierung in Russland teilzunehmen, vom Tisch ist, bleibt offen. Im Juni hatte Vizepremier Igor Schuwalow davon gesprochen und bei Ex-Finanzminister Alexej Kudrin, dem Architekten der Fonds, Entsetzen ausgelöst. Im Raum steht übrigens noch der Vorschlag, dass die Staatsfonds teilweise zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten – ein Schwerpunkt von Putins dritter Amtszeit – hergenommen werden könnten. Und weil Putin die Fondsgelder als Krisenbekämpfungsmittel sieht, ist eine partiell auch anderweitige Verwendung im Inland nicht ausgeschlossen, obwohl dies dem ursprünglichen Sinn widerspräche.—-Zuletzt erschienen:- “Britische Pensionsfonds bauen Risiken ab” (17.7.)