Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Volker Steimle

Schadenersatzansprüche in Dioxinskandal schwer durchsetzbar

"Regelungen zur Produkthaftung haben sich im Großen und Ganzen bewährt"

Schadenersatzansprüche in Dioxinskandal schwer durchsetzbar

– Herr Steimle, Dioxin in Tierfutter sorgt für Schlagzeilen, wann kann die rechtliche Aufarbeitung des Skandals beginnen?Staatsanwaltschaft und Aufsichtsbehörden arbeiten ja bereits an der Aufklärung der strafrechtlichen und der produktsicherheitsrechtlichen Seite des Falls. Aber auch die geschädigten Landwirte und der Handel sind gut beraten, die Geltendmachung des bei ihnen entstandenen finanziellen Schadens nicht auf die lange Bank zu schieben. So oder so, jetzt schlägt erst einmal die Stunde der Gutachter.- Wer haftet für Schäden aus verseuchten Futtermitteln?Mit einem bloßen “Geld zurück” für die verunreinigten Futtermittel ist den wirtschaftlich am schlimmsten Betroffenen, den Landwirten, nicht geholfen. Schadenersatzansprüche setzen hier allerdings entweder ein schuldhaftes Verhalten des in Anspruch Genommenen voraus. Oder sie ergeben sich, wenn diesem das schuldhafte Verhalten eines anderen, etwa des Vorlieferanten, zugerechnet wird.- Das wird nicht so einfach sein?Mit dem Vorlieferanten, der das Futterfett hergestellt hat, dürften nur die wenigsten der zahlreichen Geschädigten eine direkte vertragliche Verbindung haben. Sollte er tatsächlich, wie zurzeit gemutmaßt, der Verursacher der Verunreinigung sein, wird es daher für sie schwierig: Von ihrem Vertragspartner können sie nur Schadenersatz verlangen, wenn sich herausstellt, dass diesen ein eigenes Verschulden trifft – etwa wenn er vorgeschriebene Kontrollen versäumt hat. Oder sie müssen darauf vertrauen, dass die Gerichte dem Vertragspartner das Verschulden des Vorlieferanten wie eigenes Verschulden zurechnen. Wenn der Verkäufer gleichzeitig der Hersteller des Mischfutters ist, ist das immerhin denkbar. Ist er lediglich Händler, dürfte dies ausgeschlossen sein.- Dann laufen Ansprüche ins Leere?Hat ein Geschädigter danach keinen Schadenersatzanspruch gegen seinen Vertragspartner, kann er sich wohl auch direkt gegen den Verursacher wenden. Grundlage hierfür ist das sogenannte Deliktsrecht, da der Bundesgerichtshof bereits in der Vergangenheit die Lieferung verseuchten Tierfutters als Verletzung des Eigentums an den Tieren angesehen hat, wenn die damit gefütterten Tiere nicht mehr für den Verzehr geeignet waren. Voraussetzung ist natürlich, dass der Verursacher wirtschaftlich stark genug ist oder eine entsprechende Produkthaftpflichtversicherung abgeschlossen hat. Sollte vorsätzliches Handeln mit im Spiel gewesen sein, würde auch dies nicht mehr helfen. Dann wäre die Versicherung leistungsfrei.- Können auch die Verbraucher Ansprüche stellen?Sollte ein Verbraucher Gesundheitsschäden wegen des Verzehrs dioxinbelasteter Lebensmittel davontragen, kann er Behandlungskosten, Schmerzensgeld und andere Schäden nach dem Produkthaftungsgesetz oder nach Deliktsrecht alternativ direkt beim Hersteller des Futterfetts oder des Futtermittels geltend machen. In der Praxis dürfte allerdings der Nachweis schwerfallen, dass genau das von ihm verzehrte Ei dioxinbelastet war und dies auch ursächlich geworden ist für später aufgetretene Gesundheitsschäden.- Reichen die Regelungen zur Produkthaftung hierzulande denn aus?Die gesetzlichen Regelungen zur Produkthaftung haben sich im Großen und Ganzen bewährt. Aber das Produkthaftungsrecht schaut ja im Wesentlichen in die Vergangenheit und reagiert nur auf bereits eingetretene Schäden. Gefahren aus unsicheren Produkten schon im Vorfeld zu verhindern, ist vor allem Aufgabe des Produktsicherheitsrechts. Auf diesem Feld hat sich in den letzten Jahren einiges getan, gerade aufgrund der Vorgaben aus Brüssel.- Welche sind das?Sehen Sie sich nur einmal die wöchentlichen Berichte des europaweiten Meldesystems Rapex im Internet an. An der Zahl der Vorschriften liegt es – gerade im Bereich der Nahrungsmittelbranche – jedenfalls nicht. In einer so heterogenen Branche wie der Nahrungsmittelerzeugung kann ein Mehr an Sicherheit nur mit einem deutlich höheren Kontrollaufwand seitens der Aufsichtsbehörden erzielt werden. Oder mit der Erkenntnis der Verbraucher, dass Qualität eben doch ihren Preis hat.—-Volker Steimle ist Partner der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.