Recht und Kapitalmarkt

SEC muss ausländischen Emittenten entgegenkommen

Vorschläge für die Befreiung von Pflichten gehen in die richtige Richtung, können aber nicht ganz überzeugen

SEC muss ausländischen Emittenten entgegenkommen

Von Mark Devlin *) Die Securities and Exchange Commission (SEC) sitzt in der Zwickmühle. Einerseits ist die Börsenaufsicht gesetzlich beauftragt, Investoren in den USA zu schützen. Andererseits soll sie einer globalen Politik folgen, die die Wertpapiere nichtamerikanischer Emittenten für Anleger in den USA sowie die US-Kapitalmärkte für Emittenten außerhalb der USA attraktiv macht. Diese beiden Aufgaben lassen sich nicht immer mühelos vereinen. So hat die SEC eine Reihe von Reformen vorgenommen, die auf die Stärkung des Finanzplatzes USA durch Abmildern des möglicherweise überbetonten Protektionismus zielen. Dennoch bleibt fraglich, ob ihre Bemühungen ausreichen werden.Die SEC hat eine Reform ihrer sogenannten “Cross-Border Rules” vorgeschlagen, um bestimmte M & A- und Kapitalmarkttransaktionen in den USA zu erleichtern. Zudem sollen ausländische Gesellschaften ermuntert werden, US-Investoren an diesen Transaktionen teilnehmen zu lassen. Strenge Pflichten Obwohl die Vorschläge für Befreiungen von Pflichten im Rahmen des US Securities Exchange Act (SEA) und des US Securities Act (SA) in die richtige Richtung gehen, können sie nicht ganz überzeugen. Denn bei der sogenannten “Look-through-Klausel” bleibt das größte Problem ungelöst: Sie verlangt schwierige und aufwendige Feststellungen dazu, ob sich einzelne Aktionäre in den oder außerhalb der USA befinden. Derzeit muss ein Bieter, der ein Übernahmeangebot für Aktien veröffentlicht, strenge Offenlegungs- und Verfahrensanforderungen einhalten, die sich nach Art der Offerte richten. Er muss bei der SEC das sogenannte Schedule TO einreichen, ein Dokument, in dem detaillierte Angaben zur beabsichtigten Transaktion zu machen sind. Dazu gehören Informationen zum Bieter selbst, dem Zielobjekt und der Herkunft der Mittel, die der Bieter für den Erwerb des Zielobjekts verwenden möchte. Zudem muss er eine Reihe von Verfahrensvorschriften einhalten. Diese reichen von einer 20-tägigen Annahmefrist (die unter Umständen verlängert werden muss) bis hin zur Verpflichtung, das Angebot allen Aktionären weltweit zum gleichen Preis zu unterbreiten. Aktionäre, die ihre Aktien angedient haben, können jederzeit vor dem Endstichtag vom Angebot zurücktreten – dementsprechend kann der Bieter die Aktien nicht vor Ablauf der Annahmefrist erwerben. Bei einem Barabfindungsangebot muss sich der Bieter an die für Übernahmeangebote geltenden Regelungen des SEA halten. Bietet er allerdings eigene Wertpapiere im Tausch gegen Aktien der Zielgesellschaft, so muss er zugleich die Registrierungsvorschriften des SA erfüllen. Soweit keine Ausnahme von der Registrierungspflicht einschlägig ist, muss der Bieter gemäß dem SA einen Registrierungsantrag – im Wesentlichen ein Prospekt inklusive bestimmter zusätzlicher Materialien – bei der SEC einreichen. Er haftet dabei in erheblichem Umfang für wesentliche Unrichtigkeiten oder Unterlassungen. Wer dagegen die Befreiungsvoraussetzungen im Rahmen der Cross-Border Rules erfüllt, hat es einfacher: Mit der sogenannten Tier-I-Befreiung gelten viele Regelungen der SEA für Übernahmeangebote nicht, sofern es darum geht, Aktien eines nichtamerikanischen Zielunternehmens zu erwerben. Insbesondere der Wegfall der Verpflichtung zur Einreichung des Dokuments Schedule TO wirkt sich vorteilhaft aus. Zudem entfällt die Registrierungspflicht nach dem SA im Zusammenhang mit Wertpapieren, die im Tausch gegen Aktien von Nicht-US-Zielobjekten angeboten werden. Eine ähnliche Ausnahme gilt im Hinblick auf Aktien, die im Rahmen des Bezugsrechtsangebots eines Nicht-US-Emittenten ausgegeben werden. Komplizierter “Durchblick”So hilfreich die Vereinfachungen sind, als problematisch erweisen sich die Voraussetzungen für eine Befreiung im Rahmen der Cross-Border Rules. So dürfen im Blick auf die Tier-I-Befreiung US-Inhaber nicht mehr als 10 % der betroffenen Wertpapiere halten. Im Zusammenhang mit einer Tier-II-Befreiung gilt eine beschränkte Befreiung von den für Übernahmeangebote geltenden Regelungen nach dem SEA, keine Befreiung jedoch von der Registrierungspflicht gemäß SA, soweit US-Inhaber nicht mehr als 40 % der Aktien des Nicht-US-Zielobjekts halten. Um festzustellen, ob die Beteiligungsschwelle überschritten wird, kommt die “Look-through-Klausel” ins Spiel. Bei der dazu erforderlichen Analyse müssen die Unternehmen nicht nur die ihnen bekannten Aktionäre in Betracht ziehen. Vielmehr müssen sie durch diese hindurchsehen, um festzustellen, ob die wirtschaftlichen Eigentümer, von denen viele ihre Anteile über Bevollmächtigte oder sonstige Treuhänder halten, in den USA sitzen. Dadurch ist das Look-through-Verfahren in der Praxis kompliziert, zeitaufwendig und teuer, und das Vorhaben wird noch schwieriger, wenn es sich bei den fraglichen Aktien um Inhaber- und nicht um Namenspapiere handelt. Überdies sind in vielen Ländern, darunter auch die USA, Banken, Depotstellen, treuhänderische Verwahrer und Clearing-Systeme rechtlich nicht verpflichtet, die erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen; viele lehnen eine Weitergabe solcher Informationen explizit ab. Zwar dürfen Unternehmen von bestimmten Annahmen über die Ansässigkeit ihre Aktionäre ausgehen, sofern sie nach Treu und Glauben versucht haben, die erforderlichen Informationen zu erlangen: Aber es wird vielfach befürchtet, dass das Verfahren keine ausreichende Sicherheit gewährt. Darüber hinaus kann es die Vertraulichkeit von beabsichtigten Transaktionen gefährden, die noch nicht öffentlich angekündigt wurden. Wegen der mit dem Look-through-Verfahren verbundenen Probleme sehen daher viele Unternehmen von einer Anwendung der Cross-Border Rules ab. Bieter, die nicht willens sind, sich den US-amerikanischen Regelungen im Hinblick auf Übernahmeangebote vollständig zu unterwerfen, sind damit in ihren Möglichkeiten eingeschränkt, Aktien von Nicht-US-Zielobjekten von Investoren in den USA zu erwerben. US-Investoren außen vorGleichermaßen ist es für Nicht-US-Emittenten, die eine Emission von Bezugsrechten durchführen, schwierig, Anteilsinhabern in den USA neue Anteile anzubieten. Auch wenn es den Emittenten unter Umständen möglich ist, Anteile bei bestimmten US-Investoren im Rahmen anderer Ausnahmen von der Registrierungspflicht zu platzieren, sind sie dennoch kaum in der Lage, ihren gesamten Anteilsinhaberstamm in den USA einzubeziehen. Zudem bleiben US-Investoren häufig von einer Beteiligung an diesen Transaktionen ausgeschlossen. Die SEC hat angedeutet, dass sie eine Erhöhung der 10 %-Schwelle erwägen könne; aber selbst eine Anhebung würde Erleichterung nur in beschränktem Ausmaß bringen. Es ist der Inhalt der Regelung, der die Probleme macht. Konstruktive NeuerungenViele andere Aspekte der vorgeschlagenen Reform sind dagegen konstruktiv und hilfreich. Beispielsweise ist eine größere Flexibilität hinsichtlich der Festlegung des Zeitpunkts geplant, ab dem die Anzahl der US-Aktionäre bestimmt wird. Die Anwendbarkeit der Tier-I-Befreiung soll auf Transaktionsklassen ausgedehnt werden, die außerhalb der USA gängig sind, jedoch unter den derzeitigen Vorschriften nicht für eine Ausnahme in Frage kommen. Die überarbeiteten Vorschriften sollen zudem eine Reihe von Auslegungen erfassen, mittels derer die SEC den Erwerb von bestimmten Anteilen außerhalb des Angebots gestattet hat. Dies wäre für solche Transaktionen von besonderer Bedeutung, die für eine Tier-II-, jedoch nicht für eine Tier-I-Befreiung in Betracht kommen. Die Cross-Border Rules, insbesondere in Form der geplanten Überarbeitung durch die SEC, sind potenziell ein hervorragendes Mittel, um M & A-Transaktionen sowie Transaktionen zur Kapitalaufnahme von Nicht-US-Gesellschaften zu erleichtern. Zugleich könnten sie die Fähigkeit von US-Investoren verbessern, sich an diesen Transaktionen zu beteiligen. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass die Regelungen dieses Potenzial entfalten, solange die SEC nicht in der Lage ist, eine Balance zu finden zwischen angemessenem Schutz der US-Anleger durch die Wertpapiergesetze und transparenten, vereinfachten Regelungen für ausländische Investoren.*) Mark Devlin ist Counsel im Frankfurter Büro der internationalen Sozietät Linklaters.