RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: WOLFGANG GROSS

SEC veröffentlicht neue Regeln für Stimmrechtsberater

US-Börsenaufsicht wählt anderen Ansatz als Europa

SEC veröffentlicht neue Regeln für Stimmrechtsberater

Herr Groß, die US-Börsenaufsicht SEC hat Vermögensverwalter und Proxy Advisor bei der Stimmrechtsausübung in Hauptversammlungen stärker in die Pflicht genommen. Worum geht es?Die SEC hat am 21. August 2019 zu zwei Komplexen im Zusammenhang mit der Ausübung von Stimmrechten in der Hauptversammlung Stellung genommen. Zum einen gibt sie institutionellen Anlegern und Vermögensverwaltern Richtlinien dafür, wie diese ihrer Verantwortung gegenüber ihren Anlegern bei der Ausübung des Stimmrechts in Hauptversammlungen gerecht werden sollen. Zum anderen äußert sie sich zur Anwendung der Regeln zum Vollmachtsstimmrecht auf Stimmrechtsberater. Was ist die Motivation der SEC?Beide Veröffentlichungen betreffen unterschiedliche Aspekte ein und desselben seit Jahren bekannten Phänomens: Die zunehmende Bedeutung von institutionellen Investoren und Vermögensverwaltern, die zwar einerseits in immer größerem Umfang an börsennotierten Unternehmen beteiligt sind, mit der Ausübung ihrer Stimmrechte aber immer häufiger einige wenige Stimmrechtsberater betrauen oder entsprechend deren Empfehlungen ihre Stimme abgeben. Beides zusammen führt zu einer zunehmenden Entkoppelung von aktionärsrechtlicher Meinungsbildung einerseits und Investition/Kapitalanlage und finanziellem Entscheidungsrisiko andererseits. Sind die von der SEC thematisierten Pflichten von Vermögensverwaltern zur Prüfung des Abstimmungsvorschlags der Stimmrechtsberater auch hierzulande ein Problem?Wenn die Behauptung, dass mehr als 70 % der institutionellen Investoren ihre Stimmrechtsausübung an den Vorgaben der Stimmrechtsberater zumindest ausrichten, ihnen sogar in der Regel folgen, tatsächlich stimmt – und in diese Richtung weisen diverse Veröffentlichungen -, dann ist es nicht verwunderlich, dass die beiden Themenkomplexe Stimmrechtsausübung durch institutionelle Investoren und Vermögensverwalter und die Rolle, die dabei Stimmrechtsberater spielen, intensiv diskutiert werden. Diese Diskussion wird bereits seit Jahren geführt und das nicht nur in Deutschland, sondern europaweit. Worin unterscheidet sich der europäische Ansatz von dem der SEC?Europa hat sich nach längeren Vorarbeiten beiden Themen bereits 2017 bei der Änderung der Aktionärsrechterichtlinie angenommen. Das Regelungskonzept ist allerdings ein wenig anders als bei der SEC. Während die SEC die Pflichten der institutionellen Investoren und Vermögensverwalter gegenüber ihren Anlegern in den Mittelpunkt stellt, setzt Europa auf umfassende Transparenzvorschriften: Institutionelle Anleger und Vermögensverwalter müssen eine Mitwirkungspolitik erstellen und veröffentlichen, die sie auch verfolgen müssen, anderenfalls haben sie öffentlich zu begründen, weshalb sie davon abgewichen sind. Gleiches, eine umfassende Transparenzverpflichtung, gilt auch für Stimmrechtsberater: Sie müssen veröffentlichen, nach welchem Verhaltenskodex sie sich richten, Abweichungen sind zu begründen, tatsächliche oder potenzielle Interessenkonflikte oder Geschäftsbeziehungen, die ihre Stimmrechtsempfehlungen beeinflussen könnten, sind ihren Kunden mitzuteilen, ebenso wie die Maßnahmen, die zur Beseitigung dieser Konflikte ergriffen wurden. Gibt es auch bei uns regulatorische Bestrebungen?Das sogenannte ARUG II wird die umfassenden Transparenzanforderungen an institutionelle Anleger und Vermögensverwalter, Stichpunkte: Mitwirkungspolitik, Mitwirkungsbericht, Abstimmungsverhalten, und an Stimmrechtsberater auch in das deutsche Aktienrecht übernehmen. Insofern sind wir hier schon weiter als in den USA: Während dort die SEC nur eine Richtlinie und eine Norminterpretation veröffentlicht und diesbezügliche “Rules” erst noch erlassen werden müssen, stehen wir bereits unmittelbar vor einer gesetzlichen Regelung. Dr. Wolfgang Groß ist Partner von Hengeler Mueller in Frankfurt. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.