INVESTMENTFONDS - IM INTERVIEW: CARLOS VON HARDENBERG, FRANKLIN TEMPLETON

"Sie kopieren erfolgreiche Konzepte aus etablierten Schwellenländern"

Wachstum der Frontier-Märkte höher als in den Emerging Markets - Niedrige Bewertung - Handelsplätze warten auf ihre Entdeckung durch Investoren

"Sie kopieren erfolgreiche Konzepte aus etablierten Schwellenländern"

– Herr von Hardenberg, warum sollte der Anleger in Frontier-Märkte investieren?Es gibt verschiedene Aspekte, warum langfristig orientierte Anleger in den Frontier-Märkten investieren sollten. So liegt das jährliche Wachstum um 15 bis 20 % über dem der Emerging Markets (EM). Neun von zehn der am schnellsten wachsenden Märkte weltweit sind Frontier-Märkte, darunter Nigeria, Kasachstan, Angola und Kambodscha. Von diesem überdurchschnittlichen Wachstum profitieren natürlich auch die lokalen Unternehmen. Diese sind noch deutlich niedriger bewertet als in den Emerging Markets. Institutionelle Anleger schätzen diese jungen Märkte wegen der niedrigen Korrelationen zu sowohl Industrieländer- als auch Schwellenländeraktien. Zudem besteht nur ein geringer Gleichlauf bei Frontier-Märkten untereinander.- Sind Schwellenländer im Allgemeinen und besonders Frontier-Märkte eine Alternative zu den etablierten Aktienmärkten?Die Frontier-Märkte eignen sich zur Beimischung als potenzielles Alpha und unter dem Aspekt der Diversifikation. Sie sind sicherlich keine allein stehende Portfoliolösung. Studien zeigen, dass sich die Frontier-Märkte in den zurückliegenden zehn bis 15 Jahren besser entwickelt haben als die Emerging Markets. Der Anlagehorizont sollte jedoch noch länger als bei EM sein – eher über fünf Jahre. Und der Investor sollte im Hinterkopf behalten, dass wir von Schwankungen langfristig profitieren, weil wir sie für Zukäufe nutzen.- Wie unterscheiden sich die Frontier-Märkte von den Emerging Markets?Zu den Hauptunterscheidungsmerkmalen gehört eine geringere Marktliquidität, niedrigere Marktkapitalisierung und spärliche Verfügbarkeit von Researchmaterial. Gerade in den Frontier-Märkten müssen wir deswegen unsere Hausaufgaben bei den Unternehmen vor Ort erledigen. Zudem werden die Kurse in den Frontier-Märkten mehr von Faktoren im eigenen Land, wie z. B. dem politischen Geschehen, beeinflusst. Darüber hinaus haben die Frontier-Märkte eine vollkommen andere sozioökonomische Struktur. Die Lernkurve ist dort wesentlich steiler. Sie kopieren erfolgreiche Konzepte aus etablierten Schwellenländern und versuchen, die Fehler der anderen zu vermeiden. Viele haben große Fortschritte in Sachen Corporate Governance gemacht, die Transparenz ist deutlich verbessert worden und die Investor Relations sind – vor allem in Afrika – erstaunlich gut. Ein wesentlicher Unterschied ist auch noch das niedrigere Pro-Kopf-Einkommen der Frontier-Märkte.- Welche Frontier-Märkte sind für Sie attraktiv?Sehr interessant sind Länder, in denen der Konsum aufgrund steigendem Pro-Kopf-Einnahmen zunimmt wie beispielsweise in Vietnam. Nigeria und Kasachstan halten wir nicht zuletzt wegen der Rohstoffvorkommen für attraktiv. Rohstoffunternehmen profitieren in diesen Ländern von den niedrigeren Steuern. Ein attraktives Thema ist auch die Landwirtschaft und insbesondere die starke Nachfrage nach proteinhaltigen Agrarrohstoffen. Hier finden wir Unternehmen in osteuropäischen Staaten wie der Ukraine und in Afrika Länder wie Simbabwe und Sambia interessant. Im Nahen Osten sehen wir Chancen bei Düngemittelproduzenten.- Welche Rolle spielen politische Faktoren bei Ihren Anlageentscheidungen?Bevor wir in einem Land investieren, wird eine Markteintrittsstudie erstellt. Dabei werden Faktoren wie Kapitalkontrollen, Währungsrisiko, Zins und Inflationsrisiko, Bilanzierungsrichtlinien, Unabhängigkeit der Notenbanken, Ausfuhrrestriktionen und auch Steuern untersucht. Die politische Situation in einem Land bewerten wir immer aus Sicht der lokalen Firmen.- Wie sieht die Bewertung im Vergleich zu den Emerging Markets aus?Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt in Frontier-Märkten zwischen 5 bis 7 und damit viel niedriger als in Schwellenländern. Ein Grund für die niedrigen Bewertungen ist der nur kleine Anteil ausländischer Anleger in diesen Märkten. Investmentbanken liefern so gut wie kein Researchmaterial, weil dafür das große Interesse fehlt. So könnten die Kurs-Gewinn-Verhältnisse auch noch eine Weile niedrig bleiben und wir können uns langfristig positionieren.- Wie groß ist die Korrelation zu der Entwicklung der Rohstoffpreise?Einige Länder profitieren sehr von steigenden Rohstoffpreisen – wie die ölexportierenden Länder Nigeria, Kolumbien, Ghana und Kasachstan. Andere wie die Ukraine oder Argentinien schöpfen bei hohen Agrarpreisen aus dem Vollen. Es gibt es aber auch Länder wie Kenia, die Energierohstoffe importieren und unter zu hohen Preisen leiden. Interessant ist, dass immer wieder neue Rohstoffvorkommen in diesen Märkten entdeckt werden: Öl in Kenia, Kupfer in Afghanistan oder Kohle in Kolumbien.- Gibt es attraktive Frontier-Märkte, die nicht so abhängig sind von der Entwicklung des Rohstoffsektors?Vietnam und Bangladesch sind beispielsweise weniger abhängig von der Entwicklung an den Rohstoffmärkten, afrikanische Staaten dagegen sehr. Langsam, aber sicher entwickeln diese Länder aber eine breit aufgestellt Wirtschaft inklusive stabilem Binnenkonsum und -handel, was zu weniger Abhängigkeit von Rohstoffen führen wird.- Wie entwickeln sich die Frontier-Märkte in den verschiedenen Marktphasen?In Bullenmärkten steigen die Frontier-Märkte im Vergleich zum MSCI Emerging Markets mit einer leichten Verzögerung, weil auch der Risikoappetit etwas verzögert ansteigt und daher die Liquiditätsströme erst verspätet einsetzen. Sie performen besser in reiferen Bullenmärkten. Auf der anderen Seite wird die Liquidität in turbulenten Zeiten aber auch schneller wieder abgezogen.—-Das Interview führte Armin Schmitz.