ASSET MANAGEMENT - GASTBEITRAG

Solvency-II-Regelwerk stellt Asset Manager vor Herausforderungen

Börsen-Zeitung, 13.9.2011 Solvency II wird nachhaltige Auswirkungen auf die Anlagepolitik vieler Versicherer haben. Asset Manager, die Versicherungsvermögen verwalten, müssen ihren Kunden deshalb Beratung bei der solvabilitätsoptimierten Allokation...

Solvency-II-Regelwerk stellt Asset Manager vor Herausforderungen

Solvency II wird nachhaltige Auswirkungen auf die Anlagepolitik vieler Versicherer haben. Asset Manager, die Versicherungsvermögen verwalten, müssen ihren Kunden deshalb Beratung bei der solvabilitätsoptimierten Allokation und technische Unterstützung bieten.Mit dem Regelwerk Solvency II wird das Aufsichtsrecht für Versicherer und Rückversicherer grundlegend reformiert und EU-weit harmonisiert, zudem werden die Eigenkapitalanforderungen für Kreditinstitute und Banken miteinander in Einklang gebracht.Der Kern des Projektes ist die Pflicht zur Deckung verschiedener Risiken aus Kapitalanlagen und Versicherungsverbindlichkeiten mit Eigenkapital, wobei im Gegensatz zum Vorgänger Solvency I eine marktnahe Bewertung und Modellierung aller Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten stattfindet. Das neue Regime verlangt zudem eine Verbesserung von Risikomanagementprozessen, um auch Extremrisiken zu erfassen.Die Solvency-II-Eigenkapitalanforderungen richten sich stark an der Struktur der Kapitalanlagen aus, wobei risikobehaftete Anlagen wie beispielsweise Aktien, Hochzinsanleihen mit langen Laufzeiten oder Hedgefonds, aber auch Währungsexpositionen außerhalb der Eurozone und Gegenparteirisiken einen besonders erhöhten Eigenkapitalbedarf bedingen. Die Regelungen wurden im Anschluss an die jüngste Finanzkrise noch verschärft, Aufsichtsbehörden, Europäische Kommission und die Versicherungsbranche nahmen zusätzliche Anpassungen vor. Mehr Risiko, mehr KapitalSolvency II verbietet nicht bestimmte Anlagen, sondern definiert deren Auswirkungen auf die Solvenz. Versicherer können also breit investieren, müssen aber genug freies Kapital haben, um bei Extremereignissen Anlageverluste decken und ihre Verpflichtungen auf Sicht von einem Jahr mit 99,5-prozentiger Wahrscheinlichkeit erfüllen zu können.Ein Problem ist, dass diese Kurzfristigkeit im Widerspruch zum langfristigen Charakter der Versicherungsverpflichtungen steht. Gemeinsam mit den Versicherern werden Asset Manager daher Lösungen finden müssen, um langfristige Ertragsziele mit kurzfristigen Beschränkungen abzustimmen. Die Fristenkongruenz zwischen Versicherungsverbindlichkeiten und Kapitalanlagen dürfte an Bedeutung gewinnen.Als Maß für den Umfang, in dem Eigenmittel die Solvabilitätsanforderungen übersteigen, gilt die Solvency-II-Quote. Ist die Solvabilitätsquote niedrig, dürfte dies zu einer geringeren Risikoneigung bei den Anlagen eines Versicherers führen, wobei eine langfristige Reduzierung der Risikoprämien in Kauf genommen werden muss. Versicherer mit einer hohen Solvabilitätsquote dagegen könnten größere Risiken eingehen, um langfristig höhere Erträge zu generieren. Aktienquote erhöhenGerade im aktuellen Niedrigzinsumfeld dürfte Solvency II viele Versicherer vor ein Problem stellen: Zur langfristigen Ertragssicherung wäre eine Stabilisierung oder gar Erhöhung der Aktienquote ratsam, doch oft steht nicht genug Eigenkapital zur Unterlegung dieser riskanten Anlagen zur Verfügung. Eher dürfte der Anteil risikoarmer Zinsanlagen in den Beständen vieler Versicherer weiter steigen.An diesem Punkt sind Asset Manager gefordert, ihren Versicherungskunden Dienstleistung und Beratung anzubieten. Schließlich sind nicht alle institutionellen Anleger in der Lage, mögliche Auswirkungen von Solvency II auf ihre Anlageallokation zu durchschauen und für alle auftretenden Herausforderungen adäquate Lösungen zu finden. Wichtig ist, dass nicht kurzsichtig gehandelt und allein die Risikoreduzierung in den Mittelpunkt der künftigen Anlageallokation gestellt wird. Die Solvency-II-Quote sollte vielmehr über einen langen Zeitraum möglichst stabil gehalten werden und gleichzeitig gewährleisten, dass Risiko und Ertrag in einem optimalen Verhältnis stehen.Eine Möglichkeit zur Optimierung der Solvency-II-Quote ist korrelationsbasierte Diversifizierung. Das Marktrisiko für Versicherungsportfolios wird aus Aktien-, Zins-, Spread-, Immobilien-, Währungs-, Gegenpartei- und Konzentrationsrisiken anhand einer Korrelationsmatrix aggregiert. Wird ein Portfolio mit Blick auf die Korrelationen der Einzelrisiken optimal diversifiziert, sinkt der Kapitalbedarf deutlich.Gleiches gilt beim Einsatz derivativer Absicherungsinstrumente, die das Abwärtsrisiko bestimmter Portfoliobestandteile begrenzen können. Auch die Bedeutung aktiver Strategien wird zunehmen, um gegenüber passiver ausgerichteten Anlagen bei gleicher Kapitalanforderung einen Mehrwert gegenüber dem Markt und geringere Volatilität zu erzielen. Integrierte SystemeDie Einführung der Solvency-II-Richtlinie ist zum 1. Januar 2012 verpflichtend vorgesehen, eine zusätzlich Übergangsfrist von einem Jahr verschafft aber noch etwas Luft. Asset Manager müssen ihre Versicherungskunden bis dahin nicht nur durch Allokationsberatung, sondern auch durch technische Dienstleistungen bei der Bewältigung von Solvency-II-Herausforderungen unterstützen.Von zentraler Bedeutung sind beispielsweise Schnittstellen und Systeme, die eine übergreifende Abbildung aller Kapitalanlagen sowie eine einheitliche Risikomessung gewährleisten, wobei eine Durchsicht auf alle Einzelrisiken bei indirekten Investments und eine mögliche Simulierung von Marktereignissen unter Einbezug aller Korrelationen gewährleistet sein sollte, sowohl aus der reinen Anlageperspektive wie auch aus bilanzieller Sicht. Erforderlich ist zudem eine parallele Buchführung nach nationaler und internationaler Rechnungslegung sowie ein quantitatives und qualitatives Reporting, dass die Erfüllung aller Solvency-II-Vorgaben im Berichtswesen ermöglicht.Auch die Versicherten sind von Solvency II betroffen. Werden steigende Eigenkapitalkosten von Risikoanlagen auf die Prämien umgelegt, verteuert dies Versicherungsprodukte, oder aber der Kapitalertrag sinkt, weil die Anlagepolitik vorsichtiger wird. Der Markt für Altersvorsorge wird sich wohl deshalb künftig stärker ausdifferenzieren in Basisabsicherungen über risikoarme Produkte auf der einen Seite und Zusatzerträge aus fondsgebundenen Produkten auf der anderen Seite, deren Anlagerisiko nicht Solvency II unterliegt, weil es vom Versicherungsnehmer getragen wird. Die Anforderungen an Fonds, die Versicherer und Endkunden als Vorsorgevehikel dienen, dürften vor diesem Hintergrund künftig noch weiter steigen – und damit der Erfolgsdruck für Asset Manager.