Immobilien

Spaniens Immobilienmarkt bleibt wackelig

Wohnungsnachfrage nur von Steuervorteilen getrieben - Preise nach EU-Ansicht um 17 Prozent überteuert

Spaniens Immobilienmarkt bleibt wackelig

Von Angelika Engler, MadridDer krisengeschüttelte spanische Immobilienmarkt könnte nach acht Monaten wieder steigender Nachfrage vor der lang erwarteten Trendwende stehen: Im August stieg die Zahl der verkauften Wohnimmmobilien den jüngsten Angaben des Statistikamtes Instituto Nacional de Estadística (INE) zufolge um fast 30 % gegenüber dem Vorjahresmonat auf 43 817 an und markierte den größten prozentuellen Zuwachs seit Jahresbeginn nach zwei Jahren rückläufiger Tendenz.Seit Jahresbeginn verzeichnen die Verkaufszahlen im Segment der Wohnimmobilien, das zu Zeiten des zehn Jahre währenden Immobilienbooms am stärksten wuchs, ein Plus von 14 % gegenüber dem Vorjahrszeitraum. Banken fördern BelebungExperten zufolge ist diese zunehmende Belebung vor allem auf Banken und Sparkassen zurückzuführen, die ihre von zahlungsunfähigen Kreditnehmern einbehaltenen Immobilien mit immer aggressiveren Preisoffensiven nun abstoßen. Fünf von sieben Verkäufen sollen auf Finanzinstitute zurückgehen, berichtet die Wirtschaftszeitung “Cinco Días”. “Die Banken haben mehr Spielraum für Preisnachlässe als die Immobilienentwickler. Zudem bieten sie den Käufern die komplette Finanzierung gleich mit und sind damit nahezu unschlagbar am Markt”, wird der Notar José Ignacio Navas zitiert.Die spanische Finanzbranche hat nach dem Boom und dem anschließenden Kollaps in ihren Bilanzen Immobilien im Volumen von mehr als 60 Mrd. Euro angesammelt. Für diese Aktiva und für unbediente Hypothekarkredite treten nun verschärfte Regeln für die Risikovorsorge in Kraft, die die Geschäftszahlen zusätzlich zur steigenden Kreditausfallrate und zum rückläufigen Geschäftsvolumen belasten werden. Dies könnte nun zu einem beschleunigten Verkauf mit immer größeren Preisabschlägen führen, heißt es.So bietet der Banco Español de Crédito (Banesto) seit kurzem landesweit 600 Wohnimmobilien zur Hälfte des üblichen Marktpreises an. Bisher gingen die Finanzinstitute mit ihren Abschlägen gemessen am Peak von 2007 bis auf 40 % herunter, während die verkaufswilligen privaten Eigentümer oftmals immer noch an den Preisen zu Boomzeiten festhalten. Steuerliche BeweggründeNeben der Offensive der Finanzbranche haben die anziehenden Verkaufszahlen seit Jahresbeginn auch steuerliche Gründe. So manche Käufer wollten die seit Juli geltende höhere Mehrwertsteuer umgehen. Andere versuchen nun noch schnell bis zum Jahresende, sich die von 2011 an für Jahreseinkommen von mehr als 24 000 Euro nicht mehr geltenden Abschreibungshilfen zu sichern. “Der Sektor wächst nicht auf natürliche Weise. Er bewegt sich im Takt der steuerlichen Veränderungen”, bilanzierte kürzlich Pedro Pérez, Präsident des Lobbyverbandes G 14, in dem die 14 größten Immobiliengesellschaften des Landes vereint sind.Nach Meinung von Experten stellt sich vielen Käufern nun die Frage: Sollten sie jetzt schnell noch zuschlagen und sich die Steuervorteile sichern, oder geht es mit den Preisen 2011 weiter bergab?Für eine “natürliche” Erholung jedoch müssten die Preise, die sich in den zehn Jahren des Booms im Durchschnitt um etwa 150 % erhöhten, noch viel kräftiger sinken als bisher. Erst kürzlich stellte die Kommission der Europäischen Union (EU) fest, dass die Immobilien in Spanien drei Jahre nach Ausbruch der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise immer noch um 17 % zu teuer seien, während der EU-Durchschnitt bei 3 % liege. Brüssel beziffert den bisher in Spanien verzeichneten Preissturz seit dem Höhepunkt 2007 auf 18 %. Irland etwa musste mit 37 % eine wesentlich härtere Korrektur verkraften.Nach einer kürzlich veröffentlichten Sektorstudie von Standard & Poor’s (S & P) schulden derzeit 8 % der mit Hypothekarkrediten belasteten spanischen Privathaushalte der Bank mehr, als ihre Immobilie tatsächlich noch wert ist. Dieser Prozentsatz könnte auf 28 % steigen, sollten die Preise um insgesamt 35 % seit dem 2007 verzeichneten Peak fallen, meint die Ratingagentur. Leerstand hemmt ErholungDie Kreditausfallrate unter den privaten Häuslebauern beziffert Standard & Poor’s auf durchschnittlich 5,9 %, während sie bei den Immobilienentwicklern nach Branchenangaben bei mehr als 13 % liegt. Die weiter herrschende Kreditklemme hemmt das Geschäft zusätzlich. Obendrein befindet sich Spanien mit einer EU-weit hohen Arbeitslosigkeit, die wohl noch längere Zeit bei 20 % liegen wird, in einer besonders schlechten Position für einen neuen Aufschwung.Doch solange der Immobiliensektor sich nicht belebt, dürfte das Land kein nennenswertes Wachstum verzeichnen: Die Bau- und Immobilienbranche stellte mit einem Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt von bis zu 18 % in Boomzeiten den Wachstumsmotor Nummer 1 dar und schuf Millionen neuer Stellen. Ein Ersatz dafür wird kaum zu finden sein. Zudem blockiert der immense Leerbestand von etwa einer Million unverkaufter Neubauten eine Erholung zusätzlich. Weniger NeubautenSo sank die Zahl der angefangenen Neubauten nach Daten des Wohnungsministeriums von Juli 2009 bis Juni 2010 um 42 % auf 73 000. Im selben Zeitraum wurden gut 287 000 Wohnimmobilien fertiggestellt (-33 %). Zu besten Boomzeiten wurden in Spanien fast 800 000 Wohnimmobilien im Jahr errichtet und damit mehr als in Deutschland, Frankreich und Italien zusammen.Von Aktien der Immobilienfirmen, die einst Starperformer waren und heutzutage meist von den Gläubigerbanken dirigiert werden, raten Analysten nach wie vor dringend ab. Zwar konnten die neun börsennotierten Unternehmen, darunter auch die Eurohypo-Beteiligung Colonial, ihre Verluste im ersten Halbjahr 2010 dank Aktivaverkäufen um 56 % auf 533 Mill. Euro reduzieren (siehe Tabelle). Doch nur die Caja Madrid und die vom Baukonzern FCC kontrollierte Realia überzeugt.Nach Angaben der Wirtschaftszeitung “Cinco Días” raten 36 % der Analysten zum Kauf von Realia, womit das derzeit 444 Mill. Euro schwere Unternehmen der absolute Branchenliebling sei. Seine Vorzüge: ein Kursabschlag auf den Nettoinventarwert von mehr als 50 %, keine signifikanten fälligen Verbindlichkeiten bis Ende 2012 und der Schwerpunkt auf der Vermietung von Gewerbeimmobilien, die im Vorjahr 61 % der Erträge erbrachten und den Schuldendienst (bei Verbindlichkeiten von mehr als 2 Mrd. Euro) abdeckten.