Sparfreudige Muslime als Zielgruppe verkannt
Von Norbert Hellmann, Frankfurt Deutsche Finanzdienstleister scheinen die gut 4 Millionen Muslime in Deutschland nicht als Zielgruppe auf dem Radar zu haben. Während islamische Investments, die mit koranbasierten ethischen und religiösen Prinzipien im Einklang stehen, weltweit einen Boomsektor darstellen, findet man im deutschen Markt praktisch kein Angebot von islamkonformen Anlageprodukten, obwohl über 70 % der Muslime in Deutschland entsprechende Nachfrage signalisieren. (s. Grafik). Anders als beispielsweise in Großbritannien oder Frankreich, wo man auf eine wachsende Vielfalt islamisch geprägter Retailbankangebote stößt, sind deutsche Muslime noch ausschließlich auf konventionelle Bank- und Versicherungsprodukte angewiesen.Im Herbst hatte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sich für eine aktive Verbreitung islamischer Finanzdienste starkgemacht und den regulatorischen Boden für eine Etablierung und Lizenzierung islamischer Banken in Deutschland bereitet. Der Initiative ist bislang gerade ein Antrag eines islamischen Instituts gefolgt, nämlich der Kuveyt Türk Bank, die ein Retailbankgeschäft islamischer Prägung in der Bundesrepublik aufziehen möchte. Geduld notwendigFür eine signifikante Verbreiterung des Angebots an islamischen Finanzierungen bedarf es noch einiger Zeit, weiß Zaid El-Mogaddedi vom Institute for Islamic Banking and Finance Frankfurt (IFIBAF). Deutschen Instituten mangele es gänzlich an Konzepten, die ihre muslimische Klientel aktiv ansprächen. Tatsache sei allerdings, dass das Interesse an islamkonformen Finanzkonzepten in Deutschland stark wachse, betonte Mogaddedi auf einer Pressekonferenz zur Vorstellung des Fonds “Meridio Global Islamic Multi Asset”, des ersten aktiv gemanagten islamkonformen Mischfonds eines deutschen Anbieters. Die Demografie stimmtMogadeddi zufolge gibt es soziodemografische Faktoren, die einen wachsenden Erfolg islamkonformer Produkte insbesondere mit Blick auf die weiter wachsende türkische Community in Deutschland versprechen. Ihr wird überdies eine überdurchschnittlich hohe Sparquote von etwa 300 Euro im Monat pro Haushalt zugeordnet, so eine der Erkenntnisse der von Mogaddedi vorgestellten IFIBAF-Studie “So sparen Muslime in Deutschland”. Die rund 4,3 Millionen Muslime in Deutschland, der Großteil türkischer Herkunft, kommen auf ein kumuliertes Sparvolumen, das sich grob geschätzt zwischen 22 und 38 Mrd. Euro bewegt, heißt es in der Studie.Etwa 70 % der Türken in Deutschland bezeichnen sich als religiös, und ein ähnlich hoher Prozentsatz signalisiert ein nachhaltiges Interesse an entsprechenden islamisch geprägten Finanzkonzepten. Dazu passt auch, dass bei den Beweggründen für das Interesse an islamkonformen Finanzprodukten ethische Überzeugungen (bei 75 % der Befragten) sowie das schariakonforme Konzept der fairen Gewinnverteilung (für die Hälfte der Studienteilnehmer) im Vordergrund stehen. Der Gedanke einer Diversifizierung des Portefeuilles ist nur bei etwa 8 % der Befragten von Bedeutung.Aktuell werden in der muslimisch geprägten Community in Deutschland jährlich etwa 2,2 Mrd. Euro in konventionelle Bank- und Versicherungsprodukte investiert. Laut IFIBAF beläuft sich das darüber hinausgehende Marktpotenzial für islamkonforme Finanzprodukte auf jährlich gut 1,2 Mrd. Euro. Diese verteilen sich auf ein potenzielles Neugeschäftsvolumen von etwa 600 Mill. Euro im Bereich von islamkonformen Investmentfonds, Sparprodukten oder Lebensversicherungen, weitere 400 Mill. Euro bei schariagerechten Baufinanzierungen sowie gut 200 Mill. Euro an Konsumkrediten, rechnet Mogaddedi vor.Potenzial für den Absatz islamisch geprägter Fondsprodukte scheint im deutschen Retailmarkt in jedem Fall gegeben zu sein. Bislang gibt es allerdings nur extrem wenig entsprechende Investitionsmöglichkeiten am Markt, betont Uwe Zimmer, Vorstandsvorsitzender der den islamkonformen Fonds auflegenden Meridio Vermögensverwaltung AG. Bislang seien fast ausschließlich statische Produkte am Markt. Neben 21 ETF finden sich 3 Aktienfonds, die islamischen Anlagekriterien entsprechen, nämlich der Allianz RCM Islamic Global Emerging Markets, der Allianz RCM Islamic Global Equities und der UBS Islamic Fund. Sukuks und Blue ChipsIn Deutschland stehe bislang kein aktiv gemanagter islamkonformer Mischfonds für private oder institutionelle Investoren zur Verfügung, versichert Zimmer. Anlageschwerpunkt des am 24. März zur Auflegung vorgesehenen Meridio Global Islamic Multi Asset werden zu 75 % Sukuks sein, also die unter Berücksichtigung des Verbots der Zinsnahme als Beteiligungen strukturierten “islamischen Anleihen”, sowie zu 25 % internationale Aktien. Hier werden nicht etwa islamorientierte Adressen, sondern gewöhnliche Blue Chips etwa von Adressen wie Microsoft, Nestlé, Shell, Unilever, Siemens etc. im Vordergrund stehen. Bestimmte Branchen wie Tabak, Alkohol, Glücksspiel oder Rüstung sind mit der islamisch-ethischen Ausrichtung allerdings nicht vereinbar. Fehlender FokusZimmermann rechnet damit, am Start ein Volumen von 5 bis 7 Mill. Euro einsammeln zu können und bei einem Volumen von 17 bis 20 Mill. Euro mit dem Fondsprodukt einen Break-even erreichen zu können. Es bedürfe aber noch einiger Überzeugungsarbeit, um das Produkt bei der Retailkundschaft bekannt zu machen, zumal Meridio nicht damit rechnen kann, von den Anlageberatern im Schaltervertrieb deutscher Geldhäuser gezielt wahrgenommen zu werden. Ganz anders sei die Herangehensweise in Großbritannien, betont Mogaddedi. Adressen wie die HSBC versorgten die heimische Kundschaft aktiv und erfolgreich mit islamischen Produkten. Bei deutschen Banken jedoch fehle es völlig an einer Zielgruppensegmentierung für muslimische Klientel.