SRI-Faktoren eignen sich für das Risikomanagement
Ist es ausreichend, als Investor die Finanzkennzahlen eines Unternehmens zu kennen und das Geschäftsmodell zu verstehen? Mitnichten! Folgende Zahlen verdeutlichen dies: 612 Mill. Dollar Strafe musste die britische Bank Royal Bank of Scotland aufgrund ihrer Libor-Manipulation zahlen. Umweltverschmutzungen kosteten den Ölkonzern Chevron 9 Mrd. Dollar. Novartis verlor 250 Mill. Dollar aufgrund sexueller Diskriminierungen.Für Investoren enden die daraus resultierenden Kursabstürze oft im Fiasko. Für viele von ihnen kamen sie sicher unerwartet. Denn längst nicht alle Shareholder beschäftigen sich im Vorfeld einer Investition eingehend mit den Unternehmensrisiken, die in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung lauern.Eine fundierte Unternehmensanalyse muss diese Aspekte, die hier unter einem weit gefassten Begriff des sozial verantwortlichen Investierens (SRI – Socially Responsible Investing) zusammengefasst werden sollen, jedoch enthalten. Insbesondere wenn ein mittel- bis langfristiger Anlagehorizont gegeben ist. Von praktischer RelevanzSRI wurde in der Vergangenheit oft mit einem “Investieren mit gutem Gewissen” gleichgesetzt. Doch sollten außerfinanzielle Kriterien nicht allein aus moralischen Gründen herangezogen werden. Die Überprüfung dieser zusätzlichen Kriterien hilft, ein Unternehmen umfassender kennenzulernen und damit Investitionsrisiken und -chancen besser abzuschätzen. So gewinnt dieser Ansatz nicht nur praktische Relevanz, sondern auch Attraktivität für Anleger.Anlageprodukte mit “SRI-Label” kämpfen oft mit dem Irrglauben, dass das moralische Gewissen mit einem Renditeabschlag bezahlt werden muss. Eines stimmt: Die Kriterien, die über ein SRI-Screening in eine Investmententscheidung einfließen, beeinflussen direkt die Unternehmensentwicklung.Aber sich vorbildlich in puncto Umwelt, Soziales und Unternehmensführung zu verhalten, bedeutet nicht, dass das Unternehmen mehr Kosten generiert oder weniger profitabel arbeitet. Oft ist das Gegenteil der Fall, wie die folgenden Beispiele zeigen.Die SRI-Themenblöcke, die auf die Rendite Einfluss nehmen, sind vielfältig. Traditionell gehört das Thema Umwelt dazu. Aus Umweltengagement können handfeste ökonomische Vorteile resultieren: Unternehmen, die die Ressourcen Papier, Wasser und Energie einsparen, sparen auch Geld, im besten Fall Produktionskosten. Manche Firmen schützen durch gezieltes Umweltengagement auch die Rohstoffe, die für ihre Produktion benötigt werden, und sichern damit das Fortbestehen des Unternehmens. Ein Beispiel ist Symrise. Der Produzent von Duft- und Geschmacksstoffen achtet bei seinen Zulieferern auf einen verantwortlichen Umgang mit wertvollen Rohstoffen. Er bietet Zulieferern u.a. Weiterbildungen im Bereich Nachhaltigkeit an und hat eine Preisstruktur implementiert, die die Beachtung von entsprechenden Richtlinien belohnt.Durch Umweltengagement können aber auch neue Märkte erschlossen werden, wie dies im Bauwesen (etwa im Segment privater und gewerblicher Energiesparhäuser) und auch in der Kosmetikbranche (“Bio-Kosmetika”) zu beobachten war. Der Bereich Personalmanagement wird bei der Unternehmensanalyse oft vernachlässigt. Daher folgende Beispiele: Ein angesehener Arbeitgeber wird eher auf die besten personellen Ressourcen und motivierte Mitarbeiter zurückgreifen können, um seine Unternehmensziele zu verwirklichen, als ein “unangenehmer”. Ebenso reduziert beispielsweise eine Art Demokratie innerhalb eines Unternehmens deutlich das Unternehmensrisiko. Entscheidungen werden hier nicht vom Patriarchen allein getroffen, sondern von verschiedenen Personen diskutiert. Einfluss durch RechtstreueNicht zu unterschätzen: die Rechtstreue. Hierzu gehören unter anderem Preisabsprachen und Korruption. Beides kann, wie in den Beispielen gezeigt, zu hohen Geldstrafen führen. Zudem haben solche Rechtsbrüche natürlich erheblichen negativen Einfluss auf die Reputation einer Firma. Gerade bei Investitionen in Branchen, die vom Vertrauen ihrer Kunden leben (wie Banken und Versicherungen), sollte vorab geprüft werden, ob der Ruf des Unternehmens intakt ist bzw. Gefahren für die Zukunft bestehen.Financière de l’Echiquier analysiert im Rahmen des SRI-Ansatzes zudem weitere geschäftsrelevante Aspekte wie die Lieferkette (Supply Chain). Ein Qualitätskriterium von Lieferketten ist die Anzahl der Zulieferer. Diese sollte nicht zu breit, aber auch nicht zu gering sein, da hierdurch die Preise und auch die Abhängigkeit von den Zulieferern stark beeinflusst werden. Zusätzlich sollte ein Unternehmen seine Zulieferer genau kennen und seine Aktivitäten zu einem gewissen Maß auch kontrollieren.Woher stammen die Informationen? Was ist relevant? Anders als bei Finanzkennzahlen gibt es für die Auswahl und die Bewertung von nichtfinanziellen Unternehmenskriterien keine allgemeingültigen Standards. Nicht einmal Mindestanforderungen. Investoren und Analysten müssen selbst entscheiden, welche Kriterien sie zugrunde legen und was ihnen wichtig ist. Subjektivität ist daher kaum zu vermeiden.Die Bewertung der Nachhaltigkeit beziehungsweise die Bewertung außerfinanzieller Kriterien ist nicht trivial: Nicht alle Unternehmen legen ihre SRI-Bemühungen schriftlich nieder. Einige, die dies tun, tun es aus den falschen Gründen. Gespräche mit dem Management sind hier entscheidend, um festzustellen, wie das Unternehmen tatsächlich mit diesen Themen umgeht und welchen Stellenwert sie einnehmen.Entscheidend ist, dass diese Themenkomplexe innerhalb der Geschäftsführung Bearbeitung finden und die entsprechenden Verantwortlichen Entscheidungsgewalt haben und nicht nur Alibifunktion. Folgende Fragen müssen im Gespräch beantwortet werden: Warum ist das Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit engagiert? Wie integriert das Unternehmen SRI-Aspekte in den Firmenalltag? Haben diese Aspekte Einfluss auf die Unternehmensstrategie? Last but not least müssen SRI-Kriterien regelmäßig überprüft werden. Bedeutung für AnlegerInsbesondere für institutionelle Investoren, Pensionsfonds und Treasurer steht bei der Geldanlage neben dem Risikomanagement ein zusätzlicher Aspekt im Vordergrund: die Reputation, die eigene und die des Unternehmens, in das investiert wird. Denn ein Skandal oder der Einbruch des Aktienkurses bringt die großen Investoren in Schwierigkeiten. Sie können in diesen Fällen von ihren Geldgebern zur Verantwortung gezogen werden.In Zukunft werden vermutlich mehr und mehr Investoren – private wie institutionelle – auf Kriterien des Socially Responsible Investing achten, da diese nachvollziehbar die Möglichkeit schaffen, die Investitionsrisiken zu minimieren, und damit zu weniger Volatilität und zu einer Erhöhung der Rendite beitragen können. Ein “gutes Gewissen” gibt es als Bonus dazu.—-Faty Dembele, SRI-Analystin bei Financiére de l’Echiquier