Immobilien - Gastbeitrag

Starke Gemeinsamkeiten mit anderen Asset-Klassen

Börsen-Zeitung, 14.10.2010 Traditionell erfolgt das Immobilien-Research mehr oder minder isoliert von dem anderer Asset-Klassen. Oftmals heißt es, Immobilien seien "anders", und es werden sehr stark die Unterschiede zwischen Aktien und Anleihen...

Starke Gemeinsamkeiten mit anderen Asset-Klassen

Traditionell erfolgt das Immobilien-Research mehr oder minder isoliert von dem anderer Asset-Klassen. Oftmals heißt es, Immobilien seien “anders”, und es werden sehr stark die Unterschiede zwischen Aktien und Anleihen einerseits und Immobilien andererseits herausgestellt. In der Tat weisen Immobilien eine ganze Reihe von Besonderheiten auf. Aber die Beziehungen und Zusammenhänge zwischen der Immobilie und anderen Asset-Klassen sind stärker als oftmals angenommen – und die Finanzkrise hat einige ernste Fehler in traditionellen Prognosemodellen zum Immobilienmarkt offenbart.Offensichtlich ist, dass die Nachfrage nach Immobilien als Investments nicht nur von immobilienmarktspezifischen Faktoren (Mietentwicklung, Leerstandsraten, Renditeprognosen usw.) abhängt, sondern in hohem Maße auch von Kapitalmarktfaktoren. Wissenschaftliche Studien belegen, dass 50 % der Immobilienrenditen durch die Entwicklung der Renditen von zehnjährigen Staatsanleihen bestimmt werden. Nachgewiesenermaßen gibt es beispielsweise eine sehr enge Korrelation zwischen den Renditen für Büroimmobilien und denen von zehnjährigen Staatsanleihen. Signifikante AbweichungenCordea Savills hat daher untersucht, wie sich die Renditen für europäische Büroimmobilien entwickeln müssten, wenn die in den letzten zwanzig Jahren herrschende durchschnittliche Beziehung zwischen den Renditen zehnjähriger Staatsanleihen einerseits und von Büroimmobilien andererseits wiederhergestellt würde. Denn derzeit weichen die Renditeniveaus signifikant von diesem langjährigen historischen Durchschnitt ab.Das Ergebnis der Analyse: In den sogenannten PIIG-Staaten (Portugal, Italien, Irland und Griechenland) müssten die Renditen für Büroimmobilien zum Teil um bis zu 200 Basispunkte steigen. Andererseits müssten jedoch die Renditen für Büroimmobilien in Städten wie Berlin, Frankfurt oder Stockholm um 70 bis 130 Basispunkte sinken. Denn bekanntlich sind die Renditen für Staatsanleihen südeuropäischer Länder massiv gestiegen, während sie für Deutschland und einige skandinavische Länder deutlich gesunken sind. Dieser Anpassungsprozess hat sich bislang jedoch noch nicht auf das Renditeniveau von Büroimmobilien ausgewirkt.Eine Besonderheit der Asset-Klasse Immobilien ist, dass Veränderungen hier mit einem deutlichen zeitlichen Abstand zu denen am Kapitalmarkt und auch in der Realwirtschaft erfolgen. Ein Beispiel: Die Aktienmärkte nehmen eine negative wirtschaftliche Entwicklung oftmals vorweg. Erst später kommt diese in der Realwirtschaft an und führt beispielsweise zu steigender Arbeitslosigkeit. Dies wiederum führt mit einer weiteren zeitlichen Verzögerung zu einer rückläufigen Nachfrage nach Büroflächen, zu sinkenden Mieten und schließlich zu einer Anpassung des Renditeniveaus von Büroimmobilien.Diese zeitliche Verzögerung stellt jedoch eine wesentliche Chance für das Immobilien-Research zu mittelfristigen Prognosen dar – insofern die engen Beziehungen zwischen Immobilienmarkt und Kapitalmarkt erkannt und in Modellen angemessen berücksichtigt werden. Chance für InvestorenFür Investoren liegt hierin eine Chance, die zeitliche Verzögerung zwischen den Entwicklungen am Immobilienmarkt und den diese teilweise determinierenden Entwicklungslinien am Kapitalmarkt aktiv zu nutzen. Immobilien-Researcher und Immobilieninvestoren werden künftig die Indikatoren am Aktien- und Anleihenmarkt viel aufmerksamer verfolgen. Das Risiko-Pricing in diesen Märkten wird Indikatoren für die zu erwartenden Präferenzen von Immobilieninvestoren liefern.Bei allen Besonderheiten, die die Asset-Klasse Immobilien aufweist, ist ein vom Kapitalmarkt-Research weitgehend abgekoppeltes Immobilien-Research anachronistisch. Letztlich sind Immobilien Investments, die Anleihen und Aktien sehr ähnlich sind. Der Käufer erwirbt eine Serie von Cash-flows, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedlich bepreist wird. Mieten und die Dividenden kommen beide von den gleichen Unternehmen, und je höher deren Gewinne sind, desto ausgeprägter ist deren Fähigkeit, höhere Dividenden und auch Mieten zu zahlen.Der Preis von Immobilien schließlich hängt – wie bei Aktien und Anleihen – von der Entwicklung von Angebot und Nachfrage nach dieser Asset-Klasse ab. Und die Nachfrage nach Immobilien wiederum steht in enger Wechselwirkung zu derjenigen nach Aktien oder Anleihen. Die Interdependenzen sind also höher, als im traditionellen Immobilien-Research oftmals angenommen wurde.