RECHT UND KAPITALMARKT

Stärkung des Fondsstandorts Deutschland

Gesetzesnovelle richtiger Schritt, aber nicht der große Wurf - Anpassungen an internationale Standards stehen kurz bevor

Stärkung des Fondsstandorts Deutschland

Von Conrad Ruppel *)Der Bundesrat hat die Novelle zur Stärkung des Fondsstandorts Deutschland gebilligt. Der Gesetzgeber hat sich auf die Fahnen geschrieben, das deutsche Investmentrecht zu modernisieren und Nachteile bei der Fondsauflegung gegenüber anderen Standorten, wie etwa Luxemburg oder Irland, zu beseitigen. Die Neuerungen im Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) sind angesichts der gegenwärtigen Börsenturbulenzen von hoher Relevanz: Sie ermöglichen Kapitalverwaltungsgesellschaften den Einsatz von flexiblen Steuerungsinstrumenten, um kurzfristige Liquiditätsengpässe bei offenen Fonds besser managen zu können. Im Bereich der geschlossenen Fonds ermöglicht das neue Gesetz außerdem die Bildung von Umbrella-Fonds mit vermögens- und haftungsrechtlich getrennten Teilgesellschaftsvermögen.Bei Fonds des offenen Typs, die üblicherweise in liquide Vermögensgegenstände wie Wertpapiere investieren, haben Anleger das Recht, ihre Fondsanteile zurückzugeben. Wollen außergewöhnlich viele Anleger im gleichen Zeitraum aussteigen, wie dies in der gegenwärtigen Coronakrise mitunter der Fall ist, wird einem Fonds Liquidität entzogen und die Kapitalverwaltungsgesellschaft wird gezwungen, Vermögensgegenstände des Fonds zu verkaufen. Die dadurch entstehenden Transaktionskosten werden aus dem Fondsvermögen gezahlt und damit grundsätzlich auf alle Anleger zu gleichen Teilen umgelegt.Die Anwendung sogenannter Swing Prices ermöglicht eine alternative Berechnungsmethode, der zufolge die Transaktionskosten bei der Anteilswertberechnung berücksichtigt werden (modifizierter Nettoinventarwert). Dies bedeutet, dass der Rücknahmepreis sinkt, wenn außergewöhnlich viele Anleger aussteigen wollen. Der Preis schwingt bildlich gesehen zurück: Die Transaktionskosten werden von denjenigen Anlegern getragen, die den Run aus dem Fonds verursacht haben. First Mover sollen daran gehindert werden, ihre Anteile aus Angst vor zukünftigen Preisabschlägen vorschnell zurückzugeben und dadurch irrationale Nachahmungseffekte auszulösen. Dasselbe gilt spiegelbildlich, wenn viele Anleger einem Fonds beitreten wollen: Der Ausgabepreis für den Fondsanteil steigt, so dass die Transaktionskosten von den neuen Anlegern getragen werden, die sich an dem Run auf den Fonds beteiligen.Der deutsche Gesetzgeber überlässt es dabei den Kapitalverwaltungsgesellschaften, ob der modifizierte Nettoinventarwert (NAV) bei jeder Ausgabe und Rücknahme zugrunde gelegt werden soll oder erst, wenn zuvor festgelegte Schwellenwerte, z. B. mehr als 1 % des NAV an einem Handelstag, überschritten werden (teilweises Swing Pricing). Speziell im Fall von Immobilien-Sondervermögen fehlt es allerdings an der für offene Fondsstrukturen typischen Liquidität der Assets, da Immobilien nicht kurzfristig erworben oder verkauft werden können. Swing Pricing ist bei Immobilien-Sondervermögen daher nicht gestattet. RückgabepflichtenUm Liquiditätsengpässe zu entschärfen, lässt das KAGB bei einigen Fondstypen bereits bestimmte Rückgabefristen zu. Beispielsweise kann in den Anlagebedingungen vereinbart werden, dass die Rücknahme bei Dach-Hedgefonds nur zu festgelegten Terminen erfolgen soll, mindestens jedoch einmal im Quartal und mit einer Rückgabefrist von 100 Kalendertagen. Die Gesetzesänderung erweitert dieses Instrument auf offene Wertpapier-Publikumsfonds (OGAW) und gemischte Investmentvermögen. Anteilsrückgaben dürfen demnach unter Einhaltung einer festgelegten Rückgabefrist erfolgen, die höchstens einen Monat betragen darf. Kapitalverwaltungsgesellschaften können sich dadurch eine gewisse Planungssicherheit beim Liquiditätsmanagement verschaffen. Die Einmonatsfrist erscheint angemessen, weil die genannten Fondstypen in flüssige Anlagen wie börsennotierte Wertpapiere oder Geldmarktinstrumente investieren. Bei Spezialfonds mit erfahrenen und weniger schutzbedürftigen Anlegergruppen besteht die Einschränkung nicht, so dass auch längere Rückgabefristen vereinbart werden dürfen.Die KAGB-Novelle ermöglicht es darüber hinaus, die Anteilsrücknahme bei OGAW, gemischten Investmentvermögen und Spezialfonds zeitweise zu beschränken. Voraussetzung für den Einsatz solcher Redemption Gates ist, dass ein zuvor in den Anlagebedingungen festgelegter Schwellenwert an Anteilsrückgaben überschritten wird, so dass die Rückgabeverlangen aufgrund der Liquiditätssituation nicht mehr im Interesse der Anleger ausgeführt werden können; etwa wenn eine Veräußerung der Vermögensgegenstände zu angemessenen Marktpreisen nicht möglich ist. Die Rücknahmebeschränkung muss nicht als absolutes Verbot ausgestaltet werden, sondern kann sich auf bestimmte Teilmengen oder Prozentsätze von Anteilsrückgaben beziehen.Es ist zu begrüßen, dass der Gesetzgeber die Höchstdauer für Redemption Gates von den ursprünglich anvisierten fünf Tagen auf fünfzehn Tage erhöht hat. Dies erscheint angemessen, da offene Fondsstrukturen regelmäßig in liquide Vermögensgegenstände investieren. Außerdem haben Kapitalverwaltungsgesellschaften – unabhängig von der fünfzehntätigen Rücknahmebeschränkung – das Recht, die Rücknahme der Anteile auszusetzen, wenn außergewöhnliche Liquiditätsengpässe dies im Anlegerinteresse rechtfertigen. Geschlossene Umbrella-FondsIm Bereich der geschlossenen Fonds schafft die KAGB-Novelle eine neue Strukturmöglichkeit: Während die Bildung von Teilgesellschaftsvermögen schon seit langem bei offenen Fonds möglich ist, dürfen nun auch Investmentaktiengesellschaften mit fixem Kapital sowie geschlossene Investmentkommanditgesellschaften als Umbrella-Fonds aufgelegt werden.Die einzelnen Teilgesellschaftsvermögen sind vermögens- und haftungsrechtlich voneinander getrennt, so dass für unterschiedliche Anlagestrategien nun keine eigenständigen Investmentgesellschaften mehr gegründet werden müssen. Dies kann Kosten und Zeit sparen, wenn etwa Organisationsstrukturen, Verwahrstellen und Vertriebsgesellschaften sowie andere vertraglich verbundene Dienstleister für mehrere Teilgesellschaftsvermögen genutzt werden können. In anderen Rechtsordnungen, wie etwa in Luxemburg, sind diese Strukturen seit langem üblich und werden beispielsweise im Private-Equity-Bereich häufig genutzt.Die bisherigen Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass Kapitalverwaltungsgesellschaften und andere Initiatoren genau prüfen sollten, ob sich die erhofften (Synergie-)Effekte mit Umbrella-Fonds erreichen lassen. So legen institutionelle Investoren oftmals Wert auf eine möglichst autonome Ausübung der Anlegerrechte. Diese Freiheit findet ihre Grenzen bei Angelegenheiten, die den Fonds insgesamt betreffen, so dass auch Stimmrechte von Anlegern aus anderen Teilgesellschaftsvermögen zu berücksichtigen sind. Je nach Strukturierung besteht bei Umbrella-Investmentgesellschaften zudem ein Risiko, dass die Anleger für sogenannte Gemeinschaftsverbindlichkeiten insgesamt haften. Dies kann etwa Personalkosten, Beiratsvergütungen, Mietzahlungen oder andere Kosten der Geschäftsorganisation betreffen.Die Gesetzesänderung zur Stärkung des Fondsstandorts Deutschland ist insgesamt positiv zu bewerten und bietet Kapitalverwaltungsgesellschaften in Krisensituationen nützliche Liquiditätstools. Allerdings bleibt das vielversprechende Vorhaben unter seinen Möglichkeiten. Aus Sicht von Fondsinvestoren liegen die Wettbewerbshemmnisse oftmals in anderen Bereichen, etwa den Anlagerestriktionen der Anlageverordnung sowie den steuerrechtlichen Anforderungen an Spezial-Investmentfonds oder an Teilfreistellungen für Investmentfonds. Mit dem Ziel, den Standort Deutschland zu stärken und Nachteile gegenüber anderen EU-Rechtsordnungen zu beseitigen, erkennt der deutsche Gesetzgeber jedenfalls die Bedeutung der Fondsbranche an und setzt ein wichtiges Signal für Marktteilnehmer und Behörden. Die Novellierungen treten nach Verkündung im Bundesgesetzblatt in den nächsten Wochen in Kraft. In Zeiten schwankender Börsenkurse ist zu erwarten, dass die Instrumente zur Liquiditätssteuerung eher früher als später zum Einsatz kommen. *) Dr. Conrad Ruppel ist Senior Associate im Frankfurter Büro von Hengeler Mueller.