Recht und Kapitalmarkt

Steuerbarrieren für Auslandsengagement

Bundesfinanzministerium plant fiskalischen Präventivschlag gegen Funktionsverdoppelung

Steuerbarrieren für Auslandsengagement

Von Friedhelm Jacob *) Die Änderungen des Außensteuergesetzes (AStG) durch das Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 (UntStRefG) sind derzeit Gegenstand engagierter Diskussionen, vor allem was die sogenannte Funktionsverlagerung sub specie Funktionsverdoppelung auf ein nahestehendes Unternehmen im Ausland angeht. Verhindert werden soll eine Verlagerung von Gewinnpotenzial ins Ausland. Dazu soll der “Wertetransfer” nach dem Grundsatz des Fremdvergleichs in Deutschland “sachgerecht besteuert werden” – so die amtliche Gesetzesbegründung. Ernsthafte ZweifelDie Funktionsverdoppelung wird weder im Gesetz noch in der Begründung erwähnt. Jedoch arbeitet das Bundesfinanzministerium (BMF) an einer Funktionsverlagerungsverordnung (Entwurf vom 4. Juni 2007). Die Funktionsverdoppelung soll der Funktionsverlagerung gleichgestellt werden. Das BMF sieht in der Funktionsverdoppelung die erste Phase der Verlagerung von Funktionen ins Ausland, gewissermaßen als Tarnung für eine schleichende Funktionsmigration. So wie die Funktionsverdoppelung im Entwurf der Funktionsverlagerungsverordnung definiert ist, steht sie freilich bei praktisch jeder Expansion eines bestehenden werbenden Unternehmens in einen anderen Staat im Raum, sofern das inländische Stammhaus die Maßnahme im Ausland unterstützt und Synergien gezogen werden.Materiell-rechtlich sind ernsthafte Zweifel angebracht, ob die Funktionsverdoppelung überhaupt als steuerlich entgeltpflichtiger Vorgang einzustufen ist. Eine genauere Untersuchung anhand des Fremdvergleichsgrundsatzes würde den hier verfügbaren Rahmen sprengen. Sicher ist jedoch: Würden die neuen deutschen Regelungen zur Funktionsverlagerung auf die Funktionsverdoppelung ausgeweitet, aber – was so gut wie sicher ist – im Ausland nicht nachvollzogen, dann würde das Gewinnpotenzial aus der Auslandsexpansion erst hier besteuert und dann ein zweites Mal im Rahmen der laufenden ausländischen Besteuerung, wo Einkünfte aus der dort zusätzlich aufgebauten betrieblichen Aktivität anfallen. Die Gefahr einer internationalen Doppelbesteuerung liegt auf der Hand.Zur Funktionsverdoppelung hat es im Gesetzgebungsverfahren praktisch keine öffentliche fachliche Auseinandersetzung gegeben. Mit der Stellungnahme eines Bundesbetriebsprüfers für die Anhörung des Bundestags-Finanzausschusses (BT-FinA) am 25. April 2007 liegt der Öffentlichkeit erstmals ein Dokument aus der Finanzverwaltung vor, das die Funktionsverdoppelung anspricht. Darin plädiert der Prüfer für eine Regelung in der Funktionsverlagerungsverordnung. Für ihn wäre das ein “Gleichziehen mit der international üblichen Praxis”. Laut der Begründung zum Regierungsentwurf wird sich die Besteuerung von Gewinnpotenzialen bei Funktionsverlagerungen an international üblichen Maßstäben ausrichten. Der Bericht des BT-FinA vom 24. Mai 2007 nimmt das BMF beim Wort und verlangt, dass die Bundesregierung sich beim Erlass der Rechtsverordnung an der internationalen Praxis orientiert und alles tut, um Doppelbesteuerungen zu vermeiden.Freilich können die geplanten Regelungen zur Funktionsverdoppelung keinen Anspruch erheben, mit “international anerkannten Besteuerungsprinzipien” kompatibel zu sein. Der Grund ist simpel: Derartige international anerkannten Grundsätze gibt es nicht. Das belegt u. a. der Stand der Arbeiten des OECD-Steuerausschusses. Die OECD-Verrechnungspreisgrundsätze 1995 enthalten keinerlei Aussagen zur Funktionsverlagerung, geschweige denn -verdoppelung. Das BMF würde eine Funktionsverlagerung und auch die -verdoppelung wie den partiellen Verkauf eines aktiven Unternehmens behandeln (Verrechnungspreis auf Going-Concern-Basis). Denn vergütungspflichtig sei nicht nur der Wert einzelner identifizierbarer materieller und immaterieller Wirtschaftsgüter, sondern das gesamte Gewinnpotenzial aus dem “Transferpaket”. DoppelbesteuerungZu einem solchen Besteuerungsansatz sagt der OECD-Transferpreisbericht von 1995 nichts, auch nicht in den Passagen zu den “Package Deals”. Die OECD hat nämlich gerade erst begonnen, die relevanten steuerlichen Fragen zu untersuchen. Erst 2006 hat sie eine Arbeitsgruppe eingesetzt zu Fragen der “Transfer Pricing Consequences of Restructurings”. Im Mai 2007 stellte der zuständige Abteilungsleiter Owens fest: “This is a long term project. Currently at its early stages – only questions, no report, no conclusion.” Erst mit der Vorlage des Berichtes der Arbeitsgruppe Ende 2008 seien Ergebnisse zu erwarten.Fazit: Die neuen deutschen Regeln lassen sich nicht in eine internationale Praxis einbetten. Wenn die Bundesregierung in einem derartigen internationalen Steuerumfeld die Verrechnung von Gewinnpotenzial verlangt, entlässt sie damit so gut wie zwangsläufig das deutsche Unternehmen in die Doppelbesteuerung.Hieraus sind konkrete Rechtsfolgen abzuleiten. Die dokumentierten Vorgaben des BT-FinA zur Funktionsverlagerungsverordnung sind kein unverbindliches Beiwerk, sondern rechtliche Inhaltsbestimmung einer ohnehin zu weit gefassten Verordnungsermächtigung. Die Regierung hat sich “beim Erlass der Rechtsverordnung an der internationalen Praxis” zu orientieren, muss also durch die Funktionsverlagerungsverordnung die Umsetzung des Gesetzesbefehls im geänderten Außensteuergesetz (AStG) suspendieren, wenn ansonsten eine Doppelbesteuerung einträte. Dann darf die Steuerverwaltung bei einer Funktionsverlagerung und erst recht bei einer -verdoppelung keine gewinnerhöhenden Transferpreise für übergehendes Gewinnpotenzial ansetzen – jedenfalls so lange nicht, wie ein entsprechender internationaler Konsens aussteht und keine verlässliche Aussicht auf eine korrespondierende Berichtigung (Art. 9 Abs. 2 OECD-Musterabkommen) in dem anderen Vertragsstaat besteht. Wenn das BMF dagegen plant, nicht nur die Funktionsverlagerung in der Funktionsverlagerungsverordnung zu verankern, sondern ihr darüber hinaus die Funktionsverdoppelung gleichzustellen, dann handelt sie dem im Bericht des Finanzausschusses erkennbaren Willen des Gesetzgebers zuwider und damit außerhalb der Verordnungsermächtigung.Es ist auch nicht ansatzweise zu erkennen, dass die wichtigsten Partner Deutschlands im Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) die neuen Grundsätze zur Funktionsverdoppelung durch Gegenberichtigung nachvollziehen werden. Beispiel USA: Das US-Recht kennt keine Bestimmungen für die Besteuerung eines Transferpaketes – gewissermaßen als verlagertes “Super-Intangible”. Einzelne identifizierbare Wirtschaftsgüter (vgl. die “klassischen” Patente, Urheberrechte, Warenzeichen, Lizenzen, Kundenstamm und ähnliche Gegenstände (“Similar Items”) nach Sec. 936(h)(3)(B) IRC) werden bei Verlagerungen erfasst, nicht dagegen bloße Geschäftschancen oder ein Gewinnpotenzial. Auch die “Funktion” ist nach US-Recht kein immaterielles Wirtschaftsgut, das verrechenbar wäre. Diese Grundsätze werden durch die Rechtsprechung der US-Finanzgerichte bestätigt.Bei einer Funktionsverdoppelung von Deutschland in die USA hinein wird der Internal Revenue Service (IRS) keine Besteuerungsgrundsätze anerkennen, die er nicht auch im Falle einer Funktionsverlagerung von den USA ins Ausland anwenden würde. Er wird insbesondere der US-Gesellschaft, auf die angeblich ein Transferpaket übergegangen ist, keine steuerliche Entlastung gewähren. Warum auch? Kein Industriestaat, auch nicht die USA, wird bei vernünftiger Betrachtung eine steuerliche Ausgleichszahlung dafür zulassen, dass das ausländische Unternehmen in sein Gebiet expandiert und an den örtlichen Standortvorteilen teilhat. Abweichende Einschätzungen über die Rechtslage in den USA seitens der Bundesbetriebsprüfung sind durch nichts belegt. Die fachliche Beurteilung erfahrener US-Berufskollegen bestätigt dies. Alleingang Die USA haben gerade keine “vergleichbaren Regelungen zu immateriellen Wirtschaftsgütern getroffen, die den wesentlichen Kernbereich der Funktionsverlagerungsfälle ausmachen” (so aber der Bundesbetriebsprüfer vor dem BT-FinA). Durch den geplanten deutschen Alleingang in der Funktionsverlagerungsverordnung wird das Risiko der internationalen Doppelbesteuerung – entgegen den Vorgaben des BT-FinA – weder im Verhältnis zu den Haupt-DBA-Partnern noch im Verhältnis zu den USA sinken. Bei Einbeziehung der Funktionsverdoppelung wird es im Gegenteil noch steigen. *) Friedhelm Jacob ist Partner der Sozietät Hengeler Mueller in Frankfurt am Main.