Immobilien - Gastbeitrag

Steuerstundungsmodell steht vor dem Aus

Börsen-Zeitung, 15.7.2010 Gegenwärtig diskutiert der Gesetzgeber, ob eine der letzten Steuerbegünstigungen für Immobilieninvestoren abgeschafft werden soll. Der Paragraph 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) soll im Rahmen des Jahressteuergesetzes...

Steuerstundungsmodell steht vor dem Aus

Gegenwärtig diskutiert der Gesetzgeber, ob eine der letzten Steuerbegünstigungen für Immobilieninvestoren abgeschafft werden soll. Der Paragraph 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) soll im Rahmen des Jahressteuergesetzes dahingehend verändert werden, dass die steuerneutrale Reinvestition von Gewinnen aus der Veräußerung von Grundstücken in gewerbliche Immobilienfonds nicht mehr möglich ist. Das wäre das Ende der sogenannten 6b-Fonds.Der Paragraph 6b EStG wurde vom Gesetzgeber geschaffen, um Reinvestitionen in Geschäftsbetriebe zu fördern. Es sollten Anreize geschaffen werden, Unternehmen an strukturelle Veränderungen anzupassen, indem nicht mehr zukunftsweisende Unternehmensteile veräußert und die Verkaufserlöse steuerbegünstigt in innovative Bereiche investiert werden.Der Paragraph 6b EStG trägt zu diesem Anpassungsprozess bei, indem er es Unternehmen ermöglicht, bestimmtes Betriebsvermögen zu veräußern, ohne dass die Veräußerungsgewinne sofort besteuert werden müssen. Es können also stille Reserven gehoben und auf ein neues Wirtschaftsgut übertragen werden, ohne dass unmittelbar eine Steuerpflicht ausgelöst wird. Die Besteuerung der Veräußerungsgewinne erfolgt in diesem Fall erst dann, wenn auch die reinvestierten Wirtschaftsgüter wieder verkauft werden. Schuld wird gestundetUnternehmer, Landwirte und Selbständige können von dieser Begünstigung bisher auch profitieren, ohne die Veräußerungsgewinne in den eigenen Geschäftsbetrieb zu reinvestieren. Stattdessen genügt es, wenn sie sich beispielsweise an einem geschlossenen Fonds beteiligen, der vermietete Grundstücke und Gebäude bis zur Höhe des Veräußerungsgewinns erwirbt. Die Steuerschuld wird dann für die Laufzeit des Fonds gestundet. Voraussetzung dafür ist, dass der Fonds gewerbliche Einkünfte generiert.Der Bundesrat strebt nun eine Änderung des Paragraphen 6b EStG an. Veräußerungsgewinne sollen nicht mehr steuerneutral übertragen werden können, wenn damit vermietete oder verpachtete Wirtschaftsgüter erworben werden. In Zukunft müssten die Wirtschaftsgüter im eigenen Betrieb genutzt werden. Ein Beispiel: Veräußert ein Landwirt ein bislang agrarwirtschaftlich genutztes Grundstück als Bauland und realisiert damit einen Veräußerungsgewinn, so konnte er diesen bislang in einen 6b-Fonds einbringen, der ausschließlich in vermietete Grundstücke und Gebäude investierte. Die Steuer auf den Veräußerungsgewinn wurde damit faktisch gestundet. Dies wäre künftig nicht mehr möglich. Vom Steuerstundungseffekt des Paragraphen 6b EStG sollen nur noch Unternehmer profitieren, die Gewinne aus der Veräußerung von Betriebsvermögen wieder in betrieblich genutztes Vermögen investieren. Für den Landwirt hieße das, dass er den erzielten Veräußerungsgewinn etwa in ein anderes landwirtschaftliches genutztes Grundstück investieren müsste.Der Bundesrat beabsichtigt mit der Gesetzesänderung die Korrektur einer ungewollten Steuergestaltung. Zwar investiert der Anleger, der einen 6b-Fonds zeichnet, in einen Gewerbebetrieb. Die gewerbliche Prägung der Fondsgesellschaft resultiert jedoch nicht aus einer gewerblichen Tätigkeit, sondern einzig aus der rechtlichen Konstruktion der Fondsgesellschaft. Keine gewerbliche TätigkeitDie Vermietung und Verpachtung von Grundstücken und Gebäuden hingegen stellt grundsätzlich keine gewerbliche Tätigkeit dar. Sie soll daher nach den Vorstellungen des Bundesrates auch nicht von den Begünstigungen des § 6b EStG profitieren. Bei der Beteiligung an einem Fonds, der Grundstücke und Gebäude vermietet, handle es sich schließlich aus wirtschaftlicher Sicht um eine bloße Kapitalanlage und nicht um eine Reinvestition in einen Geschäftsbetrieb, so die Argumentation des Bundesrates.Mit der Neuregelung stellt der Gesetzgeber außerdem eine Parallele zum Erbschaftsteuerrecht her. Dort stellen vermietete Gewerbeimmobilien schädliches Verwaltungsvermögen dar und sind somit ebenfalls steuerlich nicht begünstigt.Eine Ausnahme ließe die neue Regelung jedoch zu: Nach den Vorstellungen des Bundesrates würden auch weiterhin Investitionen in vermietete oder verpachtete Immobilien von Paragraph 6b EStG begünstigt sein, wenn auch die veräußerten Grundstücke und Gebäude innerhalb der letzten sechs Jahre vor Veräußerung ausschließlich vermietet oder verpachtet wurden. Unternehmen, deren originärer Geschäftszweck bereits in der Vergangenheit die gewerbliche Vermietung war, sollen durch diese Ausnahmeregelung vor steuerlichen Nachteilen bewahrt werden.Sollte die neue Regelung umgesetzt werden, würde sie in Kraft treten, sobald das Jahressteuergesetz verkündet wird. Dies wird voraussichtlich im Oktober oder November geschehen. Wie die Erfahrung mit der Streichung anderer Steuervergünstigungen zeigt, könnten sich 6b-Fonds bis dahin großer Nachfrage erfreuen.