Finanzen persönlich

Subprime-Krise lässt Kunstliebhaber kalt

Auktionshäuser erzielen Rekordumsätze - Höchster Preis für Werk eines lebenden Malers bezahlt - Als reine Geldanlage nur bedingt geeignet

Subprime-Krise lässt Kunstliebhaber kalt

Von Anna Perucki, Frankfurt Die renommiertesten und größten Auktionshäuser Christie’s und Sotheby’s haben 2007 die höchsten Umsätze der Geschichte erzielt. Bei jedem der beiden Konkurrenten lagen die Gesamtumsätze über 6 Mrd. Dollar. Christie’s erzielte 6,3 Mrd. Dollar und damit ein Plus von 36 % gegenüber 2006. Sotheby’s steigerte die Umsätze um 51 % auf 6,2 Mrd. Dollar. Das ist die höchste Summe, die jemals im Kunsthandel innerhalb eines Jahres generiert wurde.Die Preise für Kunst sind in den vergangenen Jahren auf astronomische Höhen gestiegen. Spätestens seit der Immobilien- und Finanzkrise, der drohenden Rezession, dem hohen Ölpreis und dem im Vergleich zum Euro sinkenden Dollar- Kurs drängt sich immer mehr die Frage auf, ob die Blase auf dem Kunstmarkt jetzt platzt. Kaufen die Finanzjongleure oder Hedgefonds-Manager, die teilweise viel Geld verloren haben, auch noch in Zeiten der Krise? Bislang stabilBesonders große Auktionshäuser wie Sotheby’s und Christie’s sorgten sich schon vergangenes Jahr, ob sie mit den Verkäufen von Kunstwerken noch so hohe Erlöse erzielen können wie bislang. Die großen Herbst-Auktionen 2007 sollten zum ersten Indikator werden. Doch der Kunstmarkt erwies sich als sehr stabil. Den stärksten Zuwachs hat im Gesamtjahr bei Christie’s die moderne und zeitgenössische Kunst erzielt. Sie gibt nach wie vor Impulse für die Preisentwicklung. Hier hat das Auktionshaus mit 914 Mill. Dollar 132 % mehr Umsatz gemacht. Bei Sotheby’s waren es 1,34 Mrd. Dollar (+ 107 %). Die Abteilung Impressionismus und Moderne brachte mit 865 Mill. Dollar immerhin noch 41 % mehr Umsatz als im Vorjahr. Der Vergleichswert für Sotheby’s lag bei 1,16 Mrd. Dollar (+ 26 %). An dritter Stelle rangierte bei Christie’s die asiatische Kunst mit 293 Mill. Dollar und einem Zuwachs von 39 %. Bei Sotheby’s verdoppelten sich die Verkäufe asiatischer zeitgenössischer Kunst 2007 auf 140 Mill. Dollar.Spitzenpreise für zeitgenössische Künstler wie Francis Bacon und Jeff Koons haben dem New Yorker Konkurrenzhaus Sotheby’s sogar die spektakulärste Versteigerung seiner 263-jährigen Geschichte beschert. Das Kunsthaus konnte Zuschläge von 315,9 Mill. Dollar verbuchen und übertraf damit die eigenen Erwartungen von 220 bis 299 Mill. Dollar deutlich. In immer kürzeren Abständen folgt ein Rekord auf den nächsten. Ein Werk von Mark Rothko ging kürzlich für 72,8 Mill. Euro weg, “Number 5, 1948” von Jackson Pollock für 110 Mill. Euro. Für den höchsten Preis, der je für das Werk eines noch lebenden Künstlers gezahlt worden ist, ging erst vor ein paar Tagen Lucian Freuds “Benefits Supervisor Sleeping” für 33 Mill. Dollar über die Theke. Das gesamte Jahr 2007 war reich an fulminanten Abschlüssen. Mehr als 1 250-mal wurden Kunstwerke jenseits der Millionen-Dollar-Grenze verkauft, ein Jahr davor passierte das nur 810-mal. Indices legen kräftig zuIn den vergangenen sieben Jahren gab es durchschnittliche Steigerungen von 18 % pro Jahr. Die amerikanische Kunstpreisdatenbank Artprice verzeichnete allein in den vergangenen drei Jahren einen Preisauftrieb von 43 % für Gegenwartskunst. Der “Hiscox Art Market Research Index 2007” des britischen Spezialversicherers Hiscox registriert innerhalb eines Jahres bei zeitgenössischer Kunst (“Contemporary Art 100 Index”) einen Wertzuwachs von 55,3 % und bei moderner Kunst (“Modern Art 100 Index”) 44,3 %. In den Auktionshäusern wurde auf spekulative, junge, noch nicht etablierte Kunst allerdings fast vollständig verzichtet. Man kaufte eher etablierte Namen und seit kurzem zunehmend chinesische, indische und russische Künstler. Höchstwahrscheinlich werden in den nächsten Monaten starke, kunsthistorisch bedeutende Werke zu erstaunlichen Preisen ge- und verkauft. Der Preis wird aber mehr über den Marktwert als über den Liebhaberwert definiert, was schon bei den großen Auktionen im November 2007 und Mai 2008 zu beobachten war. Hier entpuppten sich potenziell schlagzeilenträchtige Werke von anerkannten Künstlern wie van Gogh (“Weizenfelder”), Picasso (“La Lampe”) oder Leger (“The Party in the Country”) als Ladenhüter, da die Schätzungen zu übertrieben waren und die Lose zu hoch. Qualität entscheidetEs gab folglich tatsächlich ein paar unerwartete Rückgänge im Auktionshandel. Doch der Grund dafür ist eher der selektive Kauf, denn nicht jedes in den Auktionen angebotene Kunstwerk weist höchste Qualität auf. Jedes Kunstwerk ist anders und wird anders bewertet. Bezogen auf Zustand, Provenienz, Format und Entstehungsjahr können Preise bei demselben Künstler sehr stark variieren. Wenn die Ware dazu noch zu hoch taxiert ist, hat sie kaum eine Chance. Es handelt sich hierbei aber eher um eine leichte Anpassung. Kleinere Korrekturen, ob inhaltlicher oder spekulativer Natur, gibt es immer wieder. Artprice liefert mit ihrem “Global Art Index” Hinweise darauf, dass es kürzlich mit dem Kunstauktionsgeschäft nicht mehr so steil nach oben ging wie in der Vergangenheit. Ein Ende des Kunstmarktbooms und des Kaufrauschs ist derzeit nicht in Sicht.Der internationale Auktionshandel entwickelt sich sogar sehr gut, vor allem seit seiner rasanten geografischen Verbreitung und der stärkeren Diversifizierung. Zahlreiche Niederlassungen der Auktionshäuser werden in Asien, dem Mittleren Osten und Russland eröffnet, denn dort gibt es viele neue Sammler, die genauso finanzstark sind wie die Europäer und Amerikaner, aber noch mehr Hunger auf Kunst haben.Die Globalisierung auf dem Kunstmarkt spiegelt sich auf den elektronischen Tafeln in den Auktionssälen. Die Preise werden in sechs Währungen gezeigt: Dollar, Euro, Pfund, Franken, Yen und Rubel. Mit all den reichen Immobilientycoons, russischen Oligarchen, neuen Internetmilliardären, Hedgefonds-Managern oder arabischen Ölscheichs wächst der Käuferkreis für teure Gemälde. Um eine sinnvolle Geldanlage geht es ihnen dabei meistens nicht, obwohl es natürlich auch hier eine Gruppe von Spekulanten und Kunstinvestoren gibt. Der Sammler kauft ein Bild nicht, weil er damit Geld verdienen will, denn das hat er ohnehin schon. Es geht mehr um ein Statussymbol. 2006 bestes JahrEin Jahr der spektakulärsten Rekordsummen war bislang 2006. Damals schienen die Sammler sich ständig selbst überbieten zu wollen. Ein Porträt des Malers Gustav Klimt wurde zum Rekordpreis von 135 Mill. Dollar an den US-Kosmetikhersteller Ronald Lauder verkauft. Für 87,9 Mill. Dollar ging das Bild “Adele Bloch-Bauer II”, ebenfalls von Klimt, über die Theke. Für rund 140 Mill. Dollar wurde das bis dato teuerste Bild der Welt, “Number 5, 1948” von Jackson Pollock, verkauft. Für einen Zusammenbruch des Kunstmarkts gibt derzeit noch keine Anzeichen, auch wenn Krisen der Weltwirtschaft sich immer auf die Preise der Kunstwerke auswirken. Eine unmittelbare Verbindung zwischen dem Finanzmarkt und dem Kunstmarkt ist aber nicht festzustellen. Nach dem Aktienmarktzusammenbruch Ende der achtziger Jahre dauerte es sogar zwei bis drei Jahre, bis auch die Kunstpreise fielen. Wird sich diese Entwicklung wiederholen? Im Mai 1990 hatte bei einer Christie’s-Auktion in New York ein japanischer Geschäftsmann für van Goghs “Portrait des Doktor Gachet” 82,5 Mill. Dollar gezahlt – das war damals ein Rekordpreis. Ein paar Monate später konnte man kaum noch etwas verkaufen. Der Kunstmarkt steckte in einer Krise. Explosion in BoomzeitenIn den Jahren des Börsenbooms hingegen waren die Preise für Kunst des Impressionismus, der Moderne und der Gegenwart explodiert. Der Yen war stark, und viele japanische Banker und Unternehmer legten ihr Geld in Kunst an. Christie’s und Sotheby’s konkurrierten mit überhöhten Garantiesummen für die Sammler, die etwas verkaufen wollten – beide Häuser hatten im Laufe der achtziger Jahre ihre Umsätze verachtfacht. Die folgenden Kurseinbrüche an den Börsen verunsicherten auch die Kunstkäufer. Die Preise für Künstler wie van Gogh, Renoir, Warhol, Baselitz und viele andere brachen ein. Auf manchen Herbstauktionen 1990 wurde nur ein Viertel der aufgerufenen Werke verkauft. Die Preise fielen um bis zu 60 %. Werke bleiben teuerMomentan ist eine Korrektur zwischen 10 und 20 % realistisch. Zwar waren die Preise im ersten Quartal 2008 schon um 7,5 % niedriger als im letzten Quartal 2007. Doch damit notierten sie am 1. April 2008 im Durchschnitt immer noch 13 % höher als zwölf Monate davor. Es gibt kaum relevante Vergleiche, denn bei den beiden größten Auktionshäusern sind vor allem das zweite und vierte Quartal relevant, denn dann finden die großen Auktionen statt.Obwohl bei den Frühjahrsauktionen im Mai 2008 etwa 25 % weniger Werke angeboten wurden als im Vorjahr, verzeichneten beide Häuser immer noch viele neue Rekordpreise. Bei der ersten prestigeträchtigen Mai-Versteigerung lag der Durchschnitt der verkauften Lose bei Sotheby’s bei 5,7 Mill. Dollar, im vergangenen Frühjahr waren es “nur” 5,1 Mill. und im November 2007 4,8 Mill. Dollar. Der Preisindex für Gegenwartskunst stieg zwischen Januar 2007 und Januar 2008 um 69 %. Erst vor ein paar Tagen fielen wieder neue Rekorde in diesem Bereich, etwa bei einem Bild von Mark Rothko. Weder bei den Auktionen im November 2007 noch im Mai 2008 waren Einbrüche erkennbar. Sotheby’s erzielte sogar in der Mai- Auktion mit über 362 Mill. Dollar das beste Ergebnis in der Geschichte des Hauses. Für Francis Bacon wurde der beste Preis für einen Nachkriegskünstler mit über 86 Mill. Dollar erreicht.Wer also mit dem Gedanken spielt, in Kunst als Geldanlage zu investieren, der sollte für die spektakulärsten Werke viel Geld parat haben, für die etwas weniger prestigereichen Objekte werden die Preise unter Umständen leicht fallen. Kunst wird aber weiterhin teuer bleiben und wohl immer eine Geldanlage für Liebhaber sein, die es im Zweifelsfall nicht stört, etwas länger auf den Verkauf zu warten.