Immobilien

Unternehmen bringen ihr Betongold auf den Markt

Entscheidungen über Immobilienbestände werden schon 2005 erwartet - Gespräch mit Albrecht Stewen von NM Rothschild & Sons

Unternehmen bringen ihr Betongold auf den Markt

Von Thomas List, Frankfurt Die Bedeutung von Immobilien als handelbare Assetklasse wird bei vielen deutschen Unternehmen noch nicht erkannt. “Deutsche Großunternehmen weisen teilweise Immobilien-Buchwerte in zweistelliger Milliarden-Euro-Höhe auf”, sagte Albrecht Stewen, Director im Investmentbanking der Londoner Bank NM Rothschild & Sons und dort unter anderem für das Immobilien Investment Banking in Deutschland zuständig, der Börsen-Zeitung. Als Beispiele nannte der Berater Einzelhandelsunternehmen, Automobilhersteller und Versicherer. Interesse an VersicherernVersicherer würden angesichts einer ausgeschöpften Aktienquote und niedrig verzinster Festverzinslicher Immobilien als Assetklasse (wieder-)entdecken. “Immobilien werden aber oftmals direkt gehalten und sind damit illiquide. Indirekte Formen wie Reits könnten da interessant sein”, erläutert Stewen.Bei allen Unternehmen schlägt der Manager für Zentralen und andere Objekte Sale-und-Lease-Back-Geschäfte, Joint Ventures oder das Hereinholen von Entwicklern vor. Ziel sei es dabei oft, den Eigenbedarf zu reduzieren. Im öffentlichen Sektor sei es dem Rundfunksender BBC gelungen, unabhängig Fremdkapital für neue Projektentwicklungen aufzunehmen, um auf diese Weise seine vorhandenen Räume besser zu nutzen sowie ausgewählte Dienstleistungen durch Drittparteien erbringen zu lassen. Als Kundengruppe macht Stewen aber auch offene Immobilienfonds aus. Deren Probleme sind nach seiner Ansicht noch nicht ganz gelöst.”Da wir die Käufer kennen, können wir zeigen, wie man die Portfolios am besten strukturiert, zum Beispiel nach Nutzungsart oder geografisch.” Stewen sieht den besonderen Vorteil von Rothschild im Vergleich zu den meisten Mitbewerbern in der Unabhängigkeit. “Wir agieren nur als Berater. Der Kunde kann sicher sein, dass wir in keinem Fall Käufer sind.” Im Immobilien-Investment-Banking strebt Rothschild in Deutschland eine führende Rolle an. “In Großbritannien haben wir sie schon”, betont Stewen. Systematik fehltBeim Verkauf von Immobilien werden bei einer Reihe deutscher Unternehmen noch im laufenden Jahr die entscheidenden Weichen gestellt und Transaktionen vorbereitet, ist er überzeugt. Er vermisst bei den deutschen Unternehmen eine systematische Beschäftigung mit ihrem Immobilienbesitz. “Es fehlt die Brücke zwischen den Immobilienfachleuten und den Mitarbeitern der Finanzabteilung. Finanzleute kennen oft nicht im Detail den Wert der unternehmenseigenen Liegenschaften oder deren Zustand bzw. Nutzung.” In einem ersten Schritt müssten die Gesellschaften eine Aufteilung zwischen betriebsnotwendigen und nicht betriebsnotwendigen Immobilien vornehmen. “Bei den betriebsnotwendigen Beständen muss dann entschieden werden, ob man sie als Eigentum auf den eigenen Büchern lässt oder etwas anderes damit macht.” Bei Verkäufen gebe es aber häufig das Problem hoher Buchwerte, die den aktuellen Marktwert übersteigen. “Die Preiserwartungen, die auf diesen Buchwerten basieren, sind damit häufig am Markt nicht durchsetzbar.” Andererseits seien viele Unternehmen aber nicht zu Abschreibungen bereit. Die Einführung neuer, steuergeförderter Immobiliengesellschaften (G-Reits) hält Stewen in diesem Zusammenhang für hilfreich, um hierzulande die Immobilienmärkte liquider zu machen. Sie seien aber keineswegs das Allheilmittel, als das sie viele ansehen.Als Beispiel für eine Joint-Venture-Transaktion, die in Deutschland Nachahmer finden sollte, nannte Stewen die British Airport Authority (BAA). Sie betreibt alle wichtigen Londoner Flughäfen. Die BAA hat im März dieses Jahres Büros und Warenlager in das 50 : 50-Joint-Venture Airport Property Partnership (APP) mit Morley Fund Management eingebracht und dadurch einen Barmittelzufluss von 575 Mill. Pfund generiert. Davon stammen 225 Mill. Pfund aus dem Anteilsverkauf und 350 Mill. Pfund aus der Aufnahme von Fremdmitteln durch das Joint Venture. “Diese Art Transaktion könnte auch für andere Flughäfen sinnvoll sein”, sagte Stewen. Alleiniger Finanzberater der BAA war bei diesem Geschäft Rothschild. Fokus WohnimmobilienDen Schwerpunkt ihrer Aktivitäten sieht die Bank allerdings in Deutschland gegenwärtig bei den Wohnimmobilien. Bei Rothschild ist ein Team von 35 Leuten für das Immobilienbanking in Europa zuständig. “Wir sind in Großbritannien gewachsen und haben dort einige große Transaktionen wie Canary Wharf, Chelsfield und MEPC begleitet.” Die Renditen seien aber in Großbritannien kleiner geworden. “Wir sind dann den Investoren gefolgt, die jetzt vor allem in Deutschland zu finden sind.” In Deutschland hat Rothschild beim ThyssenKrupp-Deal die Londoner Terra Firma beraten, die dann aber leer ausging. Erfolgreich war die erneut von Rothschild beratene Terra-Firma-Tochter Deutsche Annington schließlich bei Viterra.Gute Chancen sieht Stewen auch bei Privatisierungen. Rothschild konnte hier schon Erfahrung sammeln als Berater des Landes Hessen bei der Vorbereitung des Verkaufs des Gutleut-Zentrums. “Durch die gute Bonität des Mieters, in diesem Fall das Land Hessen, und den langfristigen Mietvertrag muss die Rendite nicht so hoch sein wie bei vergleichbaren Deals mit privaten Partnern.” Geringe MargenDa aber alle Transaktionen der öffentlichen Hand öffentlich ausgeschrieben werden und dabei der günstigste Anbieter gewinnt, seien die Margen oft sehr gering. Rothschild verfüge über gute Verbindungen zu potenziellen Käufern und sei daher ein interessanter Gesprächspartner für Bund und Länder. Der Verkauf von Wohnungen gelte aber als ein hochpolitisches Thema, schränkt Stewen ein. “Solange der Schuh nicht sehr stark drückt, halten sich Länder und Kommunen daher zurück.”Auch privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen müssten politische Rücksichten nehmen. Zumindest sei ein Teil des Portfolios mit öffentlichen Fördergeldern finanziert. Ein Katalog mit Mindestanforderungen werde von allen Anbietern akzeptiert. “Ausschlaggebend ist aber der Preis.”