Recht und Kapitalmarkt

Unternehmenssteuergesetzgebung verschärft Rezession

Substanzverzehr in der Krise droht - Konjunkturförderung durch Rückkehr zum Grundsatz der Leistungsfähigkeit

Unternehmenssteuergesetzgebung verschärft Rezession

Von Michael Schmidt und Sebastian Pawlita *) Im gegenwärtigen wirtschaftlichen Umfeld überbietet sich die Bundesregierung mit immer größeren Konjunkturförderpaketen. Unbeachtet bleiben Expertenforderungen, die insbesondere infolge der Unternehmenssteuerreform drohende Substanzbesteuerung von Unternehmen in der Krise zu vermeiden. Der folgende Artikel fasst die wesentlichen Punkte der Diskussion zusammen. Verlust- und ZinsabzugNach § 8 c Körperschaftsteuergesetz (KStG) werden nicht genutzte Verluste einer Kapitalgesellschaft anteilig vernichtet, wenn mehr als 25 % der Anteile innerhalb von fünf Jahren unmittelbar oder mittelbar auf einen anderen Rechtsträger übertragen werden. Bei einer Übertragung von mehr als 50 % entfallen diese Verluste gänzlich. Hierfür reicht eine konzerninterne Anteilsübertragung oder eine nennenswerte Eigenkapitalzuführung durch Gesellschafter gegen neue Anteile aus.Diese Regelung führt auch zu unkalkulierbaren Risiken insbesondere für börsennotierte Unternehmen im Streubesitz. Die betroffenen Unternehmen müssen in Krisenzeiten trotz eigentlich ausreichender ungenutzter Verluste (Schein-)Gewinne der Körperschaft- und Gewerbesteuer unterwerfen. Das Problem ist dem Gesetzgeber bekannt. So hat er eine Ausnahmeregelung im Finanzmarktstabilisierungsgesetz für Eigenkapitalinvestitionen des Finanzmarktstabilisierungsfonds und im Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen (MoRaKG) – derzeit noch nicht wirksam wegen Vorbehalt der Genehmigung der EU-Kommission – für Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaften (Venture Capital) vorgesehen. Diese Ausnahmen reichen jedoch bei weitem nicht. Die Nutzung von Verlustvorträgen sollte daher wieder (unter Umständen zeitlich befristet) unbeschränkt zugelassen werden. Zumindest müssen (zeitlich unbefristete) Ausnahmen für konzerninterne Restrukturierungen, für börsennotierte Unternehmen im Streubesitz sowie für Sanierungsfälle aufgenommen werden. Der Verlustrücktrag sollte erweitert werden. Alles andere führt zu einer verfassungsrechtlich fraglichen Substanzbesteuerung.Nach den gleichen Regelungen gehen auch Zinsvorträge bei schädlichen Anteilsübertragungen teilweise oder ganz unter. MindestbesteuerungDer § 10 d des Einkommensteuergesetzes (EStG) sieht vor, dass steuerpflichtige Körperschaften oberhalb eines Gesamtbetrags der Einkünfte von 1 Mill. Euro lediglich 60 % mit bestehenden Verlustvorträgen verrechnen können. Diese Regelung hat zu einem Aufbau von Verlustvorträgen geführt. Insbesondere Finanzinstitute haben noch heute erhebliche Verlustvorträge aus den Jahren 2001 folgende, die sie in den profitablen Zeiten 2004 bis 2007 wegen der Mindestbesteuerung nicht vollständig nutzen konnten. Ein Verlustrücktrag ist derzeit nur um ein Jahr in beschränkter Höhe möglich. Dies erschwert die Sanierung aus eigener Kraft. Die Mindestbesteuerung sollte zumindest zeitlich ausgesetzt, die Verlustrücktragsmöglichkeit auf zwei bis drei Jahre erweitert und die Obergrenze angehoben werden. Beschränkung ZinsabzugDurch die Unternehmenssteuerreform 2008 wurde die Zinsschranke eingeführt, wonach Zinsaufwendungen grundsätzlich nur in Höhe von 30 % des sogenannten steuerlichen Ebitda (Ertrag vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen auf Sachanlagen und immaterielle Vermögensgegenstände) abzugsfähig sind. Der überschießende Zinsaufwand ist nur unter den Einschränkungen des § 8 c Körperschaftsteuergesetz (KStG) vortragsfähig. Ertragschwache Jahre reduzieren das steuerliche Ebitda des Darlehensnehmers und damit auch den steuerlich abzugsfähigen Zinsaufwand. Dies verschlechtert aufgrund der Besteuerung von steuerlichen Scheingewinnen die Liquiditätslage des Unternehmens erheblich und beeinträchtigt dessen Kreditwürdigkeit. Die der Zinsschranke zugrunde liegenden Vorstellungen der angemessenen Eigenkapitalquote sind bereits in guten Zeiten realitätsfern; erst recht gilt dies in Krisenzeiten.Die Zinsschranke sollte daher auf die missbräuchliche Verlagerung von Gewinnen ins Ausland durch Gesellschafterdarlehen reduziert werden. Hierbei muss allerdings beachtet werden, dass es einem Anleger grundsätzlich freisteht, seine Investitionen mit Eigen- oder Fremdkapital zu finanzieren. Als erste Maßnahme könnten Zinsaufwendungen erst dann vom steuerlichen Abzug im laufenden Jahr ausgeschlossen werden, wenn sie mehr als 60 % des steuerlichen Ebitda des Darlehensnehmers ausmachen. Für den Verlustfall ist eine Sanierungsklausel nötig. Fremdfinanzierung erschwert Ebenso wirkt das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) krisenverschärfend, da es, anders als bisher, die Anfechtung der Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen generell binnen eines Jahres zulässt, selbst wenn das Unternehmen weder zum Zeitpunkt der Gewährung noch zum Zeitpunkt der Rückzahlung in einer Krise war. Ein Gesellschafter weiß bis zum Ablauf dieser einjährigen Frist nicht, ob er den zurückgezahlten Darlehensbetrag behalten darf, und wird sich daher bei der Finanzierung seiner Gesellschaft zurückhalten. Dies ist vor dem Hintergrund zögerlicher Bankenfinanzierung besonders bedenklich. Ferner ist eine den steuerlichen Gewinn mindernde Wertberichtigung eines Darlehens seit 2008 ausgeschlossen, wenn es der Gesellschaft von einem wesentlich beteiligten Anteilseigner (direkte/indirekte Beteiligung von mehr als 25 %) oder einer diesem nahestehenden Person gewährt wurde. Dies ist systemwidrig, da die Zinseinkünfte anders als Dividendeneinkünfte bei dem Darlehensgeber voll steuerpflichtig sind. Die Regelung sollte daher gestrichen werden. Steuerliche ZurechnungAußerdem wird ein Darlehensverzicht zu Sanierungszwecken dadurch erschwert, dass dies beim Darlehensnehmer zu einem steuerpflichtigen Gewinn führt, soweit das Darlehen nicht mehr voll werthaltig ist. Eine vollständige Verrechnung dieses Gewinns mit Verlustvorträgen (sofern noch vorhanden) scheitert regelmäßig an der Mindestbesteuerung. Der “Sanierungserlass” (BMF-Schreiben vom 27.3.2003) hilft nur eingeschränkt, zumal Instanzgerichte (Finanzgericht München, Urteil vom 12.12.2007, Revision eingelegt) dessen Vereinbarkeit mit geltendem Recht bezweifeln. Eine verlässliche Erlass- bzw. Stundungsregelung tut not. Die durch das Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 verschärfte gewerbesteuerliche Hinzurechnung von unter anderem Zinsen, Mieten, Renten, Leasingraten und Lizenzzahlungen führt zur Besteuerung von Scheingewinnen und muss auf den Prüfstand. AbgeltungsteuerDie Abgeltungsteuer bevorzugt Zins- deutlich gegenüber Dividendeneinkünften (Gesamtsteuerbelastung Dividenden: ca. 50 % inklusive Besteuerung auf Gesellschaftsebene; Zinsen: ca. 28 % bei vollständigem Zinsabzug beim Darlehensnehmer). Hinzu kommt die Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien unabhängig von der Haltedauer und ohne Inflationsausgleich. Dies schwächt die Aktienkultur in Deutschland weiter und erschwert die Eigenkapitalfinanzierung von Unternehmen erheblich. Will man Eigenkapital- und Fremdkapitalanlagen gleich besteuern, muss der Abgeltungsteuersatz für Dividendeneinkünfte drastisch reduziert werden. Ferner sollte der Werbungskostenabzug wieder gewährt sowie die uneingeschränkte Verrechnung von Verlusten aus Aktienanlagen mit sonstigen Einkünften ermöglicht werden. Veräußerungsgewinne sollten nach längerer Haltedauer von der Abgeltungsteuer befreit werden.Die angesprochenen Punkte zeigen deutlich, dass der Gesetzgeber den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit in den letzten Jahren wiederholt missachtet hat. Scheingewinne werden besteuert. Dies verschärft die Wirtschaftskrise deutlich. Die Beseitigung dieser Fehler eröffnet Unternehmen und Mitbürgern mehr finanziellen Spielraum zur Bewältigung der globalen Krise und ist eine erfolgversprechende Alternative zu umfangreichen, in ihrer Wirkung zweifelhaften Investitionsprogrammen. Nur Mut!*) Dr. Michael Schmidt und Sebastian Pawlita sind Anwälte und Steuerberater bei Taylor Wessing.