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Uranaktien steigen und steigen

Lehman Brothers sitzt auf Berg des Strahlenmetalls - Ausbau der Atomkraft in China und den USA stützt Preis

Uranaktien steigen und steigen

Von Markus Gärtner, VancouverGroße Unsicherheit herrscht derzeit am Uranmarkt: So gibt es etwa für die Anhänger von Uranaktien keine einheitlichen Prognosen. Zahlreiche Analysten verweisen auf sinkende Verkäufe durch Hedgefonds sowie den geplanten Bau neuer Atomkraftwerke in Nordamerika und Asien. Demzufolge sollen die Urannotierungen nach ihrer schroffen Korrektur von fast 140 Dollar je Pfund auf zuletzt um die 40 Dollar schon kurzfristig wieder steigen. Erwartungen wie diese haben zuletzt am Markt für mehr Nachfrage gesorgt. Allein im April wurden schon 4,3 Mill. Pfund von dem gelben Metall gekauft, im Vergleich zu 2,2 Mill. Pfund für das gesamte erste Quartal. Händler wollen umfangreiche chinesische Käufe für strategische Vorräte in der Volksrepublik beobachtet haben.Die Notierungen für Uran, die vom Branchendienst Trade Tech LLC in Denver mitgeteilt werden, konnten in der dritten Aprilwoche erstmals seit sechs Monaten wieder zulegen, um 2,5 % auf 41,50 Dollar je Pfund. Zum jüngsten Preisauftrieb trug eine Erklärung des CEO von Lehman Brothers, die im September Insolvenz anmelden musste, bei. Lehman sitzt seitdem auf 450 000 Pfund Uranerz, Überbleibsel aus einem Kontrakt, der vor der Insolvenz vereinbart worden war. Seitdem fürchten Händler, dass der Verkauf der Lehman-Position die Notierungen unter Druck setzen könnte. Doch CEO Bryan Marshal, der für die Gläubiger Assets verwerten soll, erklärte Mitte April, das Uran der gescheiterten Bank “nach und nach” zu verkaufen, anstatt es auf einmal auf den Markt zu werfen. Die eher vorsichtigen Beobachter der Branche, darunter die Rohstoffexperten bei Goldman Sachs und JPMorgan, stellen den Ausbau der Minenkapazität einiger Hersteller in den Mittelpunkt ihrer Analysen. Wegen des höheren Angebots erwarten sie sinkende Notierungen und damit schwächere Kurse bei Aktien von Uranförderern.Die meisten Börsianer scheinen sich hingegen dem Lager der Optimisten anzuschließen. Denn die Kurse viel beachteter Titel wie Cameco, Paladin Energy, Uranium One und Energy Resources of Australia haben in den vergangenen Monaten kräftig zugelegt, während die Spotpreise für Uranerz noch korrigierten. So legte Uranium One an der Börse von Toronto seit dem 52-Wochen-Tief im November bei 0,60 kan. Dollar um 421 % zu. Cameco, mit 18 % Anteil am globalen Angebot der Weltmarktführer, konnte im selben Zeitraum immerhin 67 % Kursgewinn verbuchen. Doch von den historischen Hochs, die die meisten Uranwerte nach dem Rekordpreis von 137 Dollar je Pfund vor zwei Jahren erreichten, sind die Aktien noch meilenweit entfernt. Selbst im Zwölf-Monats-Vergleich nimmt sich die Bilanz mager aus. Paladin Energy notiert aktuell 45 % unter dem 52-Wochen- Hoch vom Juli 2008. Strategische VorräteZu den Optimisten zählt der Minenexperte George Topping vom Research-Haus Blackmont Capital. Er erwartet, dass die Urannotierungen von jetzt 42 Dollar je Pfund schon bald auf 65 Dollar steigen, sogar auf 80 Dollar bis 2011. Begründung: Die Reduzierungen von Hedgefonds, die am Spotmarkt verkaufen, weil sie Liquidität brauchen, “hören auf”, und asiatische Länder bauen strategische Vorräte für ihre Kernkraftprogramme auf: “Da die Inder nun Zugang zum Uranmarkt haben, werden sie sehr große Vorräte für ihr Nuklearprogramm anlegen”, so Topping. Er hält strategische Käufe für die größte Quelle zusätzlicher Nachfrage in den kommenden Jahren. Uranaktien ins Depot zu legen empfiehlt auch die Royal Bank of Canada. “Wir glauben, dass sich die Uranpreise in der zweiten Jahreshälfte erholen werden”, heißt es dort mit Verweis auf Produktionskürzungen, die Ende 2008 angekündigt wurden. Konkrete Empfehlungen haben zuletzt die Analysten beim Finanzdienstleister Raymond James ausgegeben. Auf ihrer Kaufliste für das Uransegment stehen etwa Paladin und First Uranium.Höhere Notierungen werden jedoch nicht von allen Analysten erwartet. Die Experten von Goldman Sachs JBWere in Melbourne sagen einen durchschnittlichen Uran-Spotpreis von 42,85 Dollar für dieses Jahr vorher, 31 % weniger als 2008. 2010 soll der Preis um 5 % auf 45 Dollar steigen, bis 2011 auf 50 Dollar. Die Begründung: Die von manchen befürchtete Angebotslücke, wenn bis 2013 das Abkommen zwischen Russland und den USA zur Verwendung von angereichertem Uran aus Atomwaffen für die Energiebranche ausläuft, sehen die Experten nicht. Sie erwarten zudem eine höhere Produktion der Bergbauer in dem Segment. Energy Resources of Australia hat die Erweiterung ihrer Ranger-Mine beantragt, Paladin Energy will die Produktion von 2,9 Mill. Pfund in diesem Jahr bis 2011 auf 6,8 Mill. Pfund steigern. JPMorgan erwartet im laufenden Jahr Spotpreise von durchschnittlich 47,20 Dollar – 17 % weniger als in einer früheren Prognose – und 49,80 Dollar im nächsten Jahr.Zum ersten Preisauftrieb seit Monaten bei dem gelben Metall haben auch Meldungen staatlicher Medien in China beigetragen. Demnach haben Offizielle aus Chinas Energiebranche vor wenigen Tagen angekündigt, zusätzlich zu den 24 im Bau befindlichen Reaktoren noch fünf weitere Kernkraftwerke zu bauen. Chinas erklärtes Ziel ist, den Anteil der Atomkraft am Energiemix bis zum Jahr 2020 auf 4 % zu verdoppeln, was einer Vervierfachung der Kapazität entspricht. Auch im Programm der Administration von US-Präsident Barack Obama, die den Ausstoß von Klimagasen bis 2020 auf das Niveau von 1990 senken will, spielt der Ausbau der Kernkraft eine wichtige Rolle.