FINANZEN UND TECHNIK - GASTBEITRAG

Veraltete IT-Systeme bergen viele Risiken

Börsen-Zeitung, 1.11.2013 Veraltete Technologien verursachen in vielen Wirtschaftssektoren Probleme. Ein aktuelles Beispiel bot jüngst die Luftfahrtindustrie. American Airlines operierte mit einer Flotte, deren Flugzeuge ein Durchschnittsalter von...

Veraltete IT-Systeme bergen viele Risiken

Veraltete Technologien verursachen in vielen Wirtschaftssektoren Probleme. Ein aktuelles Beispiel bot jüngst die Luftfahrtindustrie. American Airlines operierte mit einer Flotte, deren Flugzeuge ein Durchschnittsalter von 15 Jahren aufwiesen; manche der Flugzeuge waren noch deutlich älter. Nachdem das Unternehmen 2011 einen Insolvenzantrag nach Chapter 11 gestellt hatte, mussten 2012 in mindestens zwei Fällen Flugzeuge notlanden, weil sich Sitze aus ihren Verankerungen gelöst hatten. Die Probleme häuften sich weiter, und letztlich übernahm US Airways die marode Airline Anfang des Jahres im Rahmen einer Fusion. Veraltete Technologie war einer der Auslöser für diese Entwicklung. Antiquiert und fragmentiertAuch bei Finanzdienstleistern sind vergleichbare Probleme und Entwicklungen möglich, nämlich im Bereich der IT-Strukturen. In einem öffentlich zugänglichen Bericht hat das FBI im Jahr 2012 die Gründe untersucht, die bei dem einst zu den weltweit größten Derivate-Brokern gehörenden Finanzunternehmen MF Global zum Verlust von Kundenvermögen im Wert von 1,2 Mrd. Dollar geführt haben.Der “MF Global Trustee’s Report” prangert die “antiquierten” und fragmentierten Systeme des Unternehmens an, die letztlich seinen Untergang bedeuteten. Der ehemalige FBI-Direktor Louis J. Freeh verweist auch auf systembedingte Mängel, die “zu der Unfähigkeit führten, Finanzinformationen in Echtzeit zu verfolgen und zu prognostizieren, weshalb die Geschäftsführung zu spät und zu langsam auf den wachsenden Liquiditätsdruck reagierte, der auf dem Unternehmen aufgrund von Finanzierungsgeschäften … lastete”.Eine aktuelle weltweite Studie des SimCorp StrategyLab bestätigt diese Analyse. Sie ergab, dass auch im Investment Management veraltete Systeme an ihre Grenzen stoßen und hohe Kosten und Risiken nach sich ziehen. Im Rahmen der Untersuchung wurden 125 Marktteilnehmer aus Europa, Nordamerika und dem asiatisch-pazifischen Raum befragt. Im Vordergrund standen die IT-Unterhaltskosten und mögliche Unterschiede zwischen zwei Typen von Fondsgesellschaften: solchen, die mit einer Vielzahl älterer, individueller Lösungen arbeiten (Legacy-Systeme), und anderen, deren IT-Plattformen dem Stand der Technik entsprechen.Über die Hälfte der Befragten, deren Unternehmen mit Legacy-Systemen arbeiten, erhöhen ihre allgemeinen IT-Budgets, während 60 % der Umfrageteilnehmer mit modernen Systemen ihre IT-Ausgaben nicht erhöhen oder sogar verringern können. Einmalige Investitionskosten in die IT-Modernisierung führen also aufgrund kontrollierbarer, tendenziell sinkender Folgekosten langfristig zu einer Budgetentlastung.In einem von Verdrängungswettbewerb geprägten Markt müssen Investment Manager ihre verfügbaren Ressourcen einsetzen, um Gewinne zu erzielen und die Anforderungen der Kunden zu erfüllen. Wenn diese Ressourcen für manuelle Behelfslösungen und ineffiziente Prozesse verwendet werden, behindert dies das Wachstum. Wer in einer solchen Lage nicht handelt, läuft Gefahr, Marktanteile an Wettbewerber zu verlieren, die dank einer besseren IT-Architektur im Vorteil sind.Durch veraltete IT-Plattformen verzögern sich die Einführung neuer Produkte und der Einstieg in aufstrebende Märkte. Zwar kann beides, wie noch immer weithin üblich, auch mit einer Vielzahl manueller Behelfslösungen realisiert werden, doch ist damit die Gefahr kostspieliger Fehler verbunden. Die Einführung eines “hochmodernen IT-Systems” hatte MF Global zwar geplant, wegen ihrer Zahlungsunfähigkeit aber nicht mehr umsetzen können. Die IT wird allzu häufig als reine Kostenstelle betrachtet statt als Bereich, in dem strategische Vorteile gegenüber Konkurrenten erzielen werden können. Zunehmende RegulatorikVor allem das immer anspruchsvoller und komplexer werdende regulatorische Umfeld trägt seinen Teil dazu bei, dass Investment Manager Investitionen in flexible, ausbaufähige IT-Lösungen zunehmend als kritischen Erfolgsfaktor für ihre künftige Marktposition und ihr Wachstumspotenzial erkennen. Es genügt heute nicht mehr, langwierig Daten aus verschiedenen internen und externen Systemen zusammenzutragen und abzugleichen, wenn es an den Kapitalmärkten zu Turbulenzen kommt. Die kontinuierliche Überwachung aller Risiken des Gesamtportfolios und die jederzeitige Möglichkeit gezielter Auswertungen (z. B. zur Ermittlung des Exposure mit einem einzelnen Kontrahenten) kann entscheidend sein, um noch rechtzeitig reagieren zu können. Langfristig ermöglichen Investitionen in die IT sogar Kostensenkungen – trotz knapper Budgets sicherlich eine bedenkenswerte Alternative.—-Ralf Schmücker, Sprecher der Geschäftsführung von SimCorp Central Europe