Recht und Kapitalmarkt

Verantwortung des Strafrechts für die Vergütungspraxis

Warum freiwillige nachträgliche Zahlungen an Vorstandsmitglieder nicht als Geschenk anzusehen sind

Verantwortung des Strafrechts für die Vergütungspraxis

Von Hans-Ulrich Wilsing *) Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) wird das Urteil im Mannesmann-Verfahren am 21. Dezember verkünden. Die zu entscheidenden Fragen haben eine große Bedeutung für eine Vielzahl von AGs und GmbHs sowie deren Organe. Der BGH hat in erster Linie die Frage aufgeworfen, ob freiwillige nachträglich gezahlte Prämien insbesondere an ausscheidende Vorstände, die vorher vertraglich nicht zugesagt waren, als Geschenk anzusehen seien.Der BGH scheint mit der möglichen Würdigung einer solchen Prämie als Geschenk darauf abstellen zu wollen, dass das Unternehmen von ausscheidenden Vorständen keinen Nutzen mehr habe und deshalb der durch die Zahlung der Prämie bewirkte Geldabfluss einen vermögensmäßigen Nachteil im Sinne des Untreuetatbestandes des § 266 StGB darstellen könne, dem ein entsprechender Vorteil nicht gegenüberstehe. Dieser Ansatz begegnet rechtlichen und praktischen Bedenken. Belohnung üblichEs gibt viele Fälle, in denen nachträglich freiwillige Prämien und Boni zur Belohnung besonderer Leistungen an Organe und andere führende Mitarbeiter bezahlt wurden und werden. Neben Mannesmann, Haindl und Brauerei Beck (Prämien von je ca. 15 Mill. Euro an Vorstands- bzw. Geschäftsführungsmitglieder) werden täglich Mitarbeiter, Vorstände oder Geschäftsführer für außergewöhnliche Umsatz- oder Ertragssteigerungen oder erfolgreichen Verkauf einer Sparte belohnt.In der dienst- und arbeitsvertraglichen wie gesellschafts- und aktienrechtlichen Literatur ist diese Praxis für uneingeschränkt zulässig gehalten worden. Für das Aktienrecht hat insbesondere Fonk dies – vor Mannesmann – mit der in der Praxis oft gewählten Rechtsfigur der nachträglichen freiwilligen Ermessenstantieme begründet, mit dem richtigen Hinweis, dass derartige Zahlungen auch ohne vertragliche Grundlage denkbar sind. Dies ist einsichtig: Warum sollte die Gesellschafterversammlung einer GmbH oder der Aufsichtsrat einer AG, mit der Kompetenz, den Dienstvertrag des Geschäftsführers oder des Vorstandsmitglieds zu ändern, dies nicht tun, indem sie eine nachträgliche freiwillige Anerkennungsprämie oder Ermessenstantieme gewähren? Dies selbstverständlich nur in den Grenzen des Angemessenheitsgebots des § 87 AktG bzw. der Rechtsprechungsgrundsätze für die GmbH. Anerkennungsprämien und Ermessenstantiemen sind ausdrücklich erwünscht. Der Corporate Governance Kodex führt in Ziffer 4.2.3 aus: “Die Vergütung der Vorstandsmitglieder soll fixe und variable Bestandteile umfassen. Die variable Vergütung sollte einmalige sowie jährlich wiederkehrende, an den geschäftlichen Erfolg gebundene Komponenten enthalten.” Nachträglich gewährte Zahlungen sind, worauf viele Experten hingewiesen haben, in ihrer Belohnungswirkung vertraglich vorab vereinbarten Prämien oder Tantiemen überlegen. Sie erlauben die Ex-post-Beurteilung des Ob und Wieviel in Kenntnis sämtlicher Umstände der erbrachten Leistung. Sie vermeiden eine schematische Vorabregelung, die sich später als für das Unternehmen nachteilig erweisen kann. Sollte der BGH nachträglich gewährte freiwillige Prämien aus dem strafrechtlichen Blickwinkel heraus für unzulässig halten, reagierte die Praxis wahrscheinlich mit einer Formel in Dienstverträgen, die ausdrücklich die Zahlung einer freiwilligen nachträglichen Prämie erlaubt. Unternehmen und Aktionäre hätten damit nichts gewonnen. Insbesondere die Frage, ob, wofür und wie hoch eine nachträgliche Prämie gewährt werden soll, bliebe weiter der Ermessensentscheidung der Gesellschafterversammlung oder des Aufsichtsrats überlassen, und sie würde weiter dann getroffen, wenn es Anlass gibt: nach Eintritt des zu belohnenden Ereignisses. Bloß Umkehr der ReihenfolgeWas ändert sich an dieser Rechtslage, wenn der Geschäftsführer oder Vorstand nach erbrachter Leistung ausscheidet? Dem Unternehmen ist der Vorteil bereits zugeflossen. Der Unterschied zu einer vorab vertraglich festgelegten Prämie reduziert sich damit allein auf die Umkehr der Reihenfolge von vertraglicher Prämienfestlegung und Leistung. An diesem Unterschied die Frage der Strafbarkeit festzumachen ist mehr als fragwürdig. Diese formale Betrachtungsweise würde den Bedürfnissen der Praxis nicht gerecht. Künftig könnten dann Kapitalgesellschaften Mitarbeitern, die kurz vor der Pensionierung stehen, für erbrachte Leistungen, die eine Vermögensmehrung beim Unternehmen herbeiführten, keine freiwilligen nachträglichen Prämien zahlen. Dass dies ein untragbares Ergebnis ist, hat jüngst auch Peltzer, einer der schärfsten Kritiker der Mannesmann-Prämien, klargestellt (Börsen-Zeitung vom 29. Oktober): Prämien in einer solchen Konstellation seien “zweifelsfrei” zulässig. Dies kann jedoch nicht anders sein, wenn das Organmitglied nicht aus Altersgründen, sondern wegen eines Wechsels des Anteilseigners ausscheidet. In beiden Fällen ist es irrelevant, ob das Unternehmen einen künftigen Nutzen durch eine Fortbeschäftigung des Organmitglieds hat. Darüber hinaus wird die Zulässigkeit von Zahlungen beim Anteilseignerwechsel durch § 33 Abs. 3 WpÜG bestätigt: Er verbietet in der Übernahmesituation ausschließlich ungerechtfertigte Geldleistungen, die der neue Anteilseigner den Organmitgliedern der Gesellschaft, die übernommen werden soll, zuwenden will. Der Regelung liegt damit eindeutig die Wertung zugrunde, dass Zahlungen des zu übernehmenden Unternehmens an seine Organe zulässig bleiben, und zwar nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen. Für den Fall eines Wechsels des Anteilseigners wird gerade nicht differenziert. Vielmehr ist § 33 Abs. 3 WpÜG klar zu entnehmen, dass Zahlungen der Gesellschaft an ihre Organmitglieder auch in Situationen des Anteilseignerwechsels zulässig sind.Möglicherweise ist die Skepsis des BGH gegen derartige Zahlungen auch dadurch begründet, dass mit der Situation des Anteilseignerwechsels auch eine Beendigung der unternehmerischen Tätigkeit des übernommenen Unternehmens assoziiert wird. Gerade dies ist aber typischerweise beim Anteilseignerwechsel nicht der Fall. Vielmehr will der Erwerber das übernommene Unternehmen fortführen und weiter entwickeln. Geändert haben sich im Fall der Übernahme in aller Regel weder Rechtsform noch Gegenstand oder Umfang des Unternehmens. Schließlich ist nach der Rechtsprechung des 2. Zivilsenats des BGH und nach allgemeiner Meinung zum GmbH-Recht anerkannt, dass allein die Existenzsicherung der GmbH und ggf. eine Loyalitätspflicht im Verhältnis zwischen Mehrheits- und Minderheitsgesellschafter den Gestaltungsspielraum der GmbH-Gesellschafter und des GmbH-Aufsichtsrats für die Vergütung der Geschäftsführer begrenzt. Nachträgliche freiwillige Prämien an Geschäftsführer einer GmbH sind zivilrechtlich erlaubt. Die strafrechtliche Würdigung der Vermögensbetreuungspflicht kann aber nicht bei der AG als tatbestandserfüllend betrachten, was in der gängigsten Form der Kapitalgesellschaft, der GmbH, zivilrechtlich erlaubt ist. Dieser Wertungswiderspruch wäre mit der notwendig einheitlichen Pflicht der Betreuung fremden Vermögens unvereinbar. Sanktionen stehen bereitHier soll nicht einer übermäßigen, nicht leistungsgerechten Bezahlung das Wort geredet werden. Die Vergütung hat sich am Angemessenheitsgebot des § 87 AktG und den vom BGH entwickelten Grundsätzen zur Vergütung von GmbH-Geschäftsführern zu orientieren. Für die Überschreitung der Grenzen hält das Gesellschaftsrecht mit schadenersatzbewehrten Vorschriften über die Pflichtverletzung bei Kapitalgesellschaften hinreichende Sanktionen bereit. Deren effektive Durchsetzung wurde durch das gerade in Kraft getretene UMAG verschärft. Damit ziehen die zivilrechtlichen Vorschriften und die Rechtsprechung dem vom Gesetzgeber gewollten Gestaltungsspielraum widerspruchsfreie und plausible Grenzen. Zur Rechtssicherheit müssen Organe sich aber auch in Zukunft darauf verlassen können, frei von strafrechtlichen Beanstandungen zu bleiben, wenn sie sich in den Grenzen des zivilrechtlich Erlaubten bewegen. *) Hans-Ulrich Wilsing ist Rechtsanwalt und Partner im Kölner Büro von Linklaters Oppenhoff & Rädler. Er ist nicht als Berater in das Mannesmann-Verfahren involviert.