Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Winfried Carli

Verschärfte Vertragsbedingungen für Kredite

"Covenant Honeymoon" und "Mulligan Clause" verschwinden - Kreative Strukturen bremsen Refinanzierung

Verschärfte Vertragsbedingungen für Kredite

– Herr Carli, seit der Lehman-Pleite haben sich die Kreditstandards grundlegend verändert. Wo haben die nach Fremdkapital suchenden Unternehmen die größte Kröte zu schlucken?Die Verschärfung der Finanzierungsbedingungen hat nicht erst mit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers eingesetzt, sondern hatte bereits ein Jahr früher im Sommer 2007 begonnen, als die Subprime-Krise ihre ersten Opfer forderte. Es ist aber richtig, dass die Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 die Situation an den Kreditmärkten drastisch verschärft hat. Zunächst einmal hat sich der Zugang zu Krediten deutlich verschlechtert.- Wie macht sich das bemerkbar?Banken finanzieren nicht mehr so hohe Leverages wie zu Hochzeiten und verlangen häufig mehr Eigenkapital und Sicherheiten. Hinzu kommt, dass nur noch geringere Kreditvolumina finanziert werden – sogar diese oft nur als “Club Deals”. Auch beim Verwendungszweck gibt es große Einschränkungen: Für Übernahmen sind Kredite derzeit kaum zu bekommen und für Investitionen je nach Branche, Bonität, Unternehmensgröße und Beziehung zur Bank nur eingeschränkt. Die Kredite, die vergeben werden, gibt es nur zu deutlich höheren Margen, oft mit kürzeren Laufzeiten und strengeren Finanzauflagen, den sogenannten Financial Covenants. Deutlich erhöht haben sich auch die Bereitstellungsprovisionen, aber auch andere Anforderungen wie Offenlegungsverpflichtungen haben zugenommen.- Wie haben sich die Covenant-Strukturen verändert?In diesem Bereich hat sich sehr viel getan. Bis Mitte des Jahres 2007, also zum Höhepunkt des Kreditmarkts, sind Financial Covenants sowohl bei Corporate- als auch bei Leverage-Krediten zunehmend aus den Verträgen verschwunden bzw. stark reduziert worden. Zuletzt verbreiteten sich auch sogenannte Covenant-lite-Strukturen, in denen die Financial Covenants auf ein Minimalmaß reduziert waren. Dazu gehörten häufig gelockerte Definitionen von wichtigen Kennzahlen wie dem Ebitda.- Aber das war noch nicht alles?Bei der Festlegung der Covenants gab es bisweilen auch einen Spielraum von bis zu 35 %. Teilweise wurde auch ein sehr langer Zeitraum vereinbart, in dem die Einhaltung der Covenants noch nicht geprüft wurde – auch “Covenant Honeymoon” genannt. Ein anderes Beispiel ist die “Mulligan Clause” – mit dieser führt nicht bereits die erstmalige Verletzung eines Covenant zu einem Kündigungsrecht der Bank, sondern erst ein Verstoß auch zum nächsten Testzeitpunkt. Auch sehr investorenfreundliche Equity-Cure-Rechte waren verbreitet.- Das heißt?Damit konnten bei einem Bruch von Financial Covenants in beliebiger Höhe Gesellschaftermittel zugeführt werden, die dann nachträglich dem Ebitda zugerechnet wurden. Covenant-lite-Strukturen sind am Markt nicht mehr zu sehen. Häufig sind die Banken nicht nur wieder zu traditionellen Covenants zurückgekehrt, sondern haben ihre Bedingungen darüber hinaus noch verschärft. Banken nutzen Nachverhandlungen bestehender Kredite auch zunehmend, um die bestehenden Covenants zu erweitern.- Welche weiteren Veränderungen in den Ausgestaltungen gibt es?Auch andere Elemente in den Strukturen und bei den Vertragsbedingungen von Krediten haben sich verändert. Während in der Hochphase des Booms Kredite zunehmend endfällig strukturiert wurden – vielfach unter völligem Verzicht auf Tilgungen während der Laufzeit -, ist eine amortisierende Tranche wieder regelmäßiger Bestandteil von Kreditstrukturen geworden. Verschwunden sind auch sogenannte “Toggles” – ein Wahlrecht des Kreditnehmers, sogar die Zinsen für einen Kredit erst am Ende der Laufzeit zu bezahlen.- Haben die Banken also wieder das Heft in der Hand?Besonders wichtig für die Banken ist die Freiheit bei der Übertragung von Krediten. Einschränkungen werden auch bei Einstimmigkeitserfordernissen für Abstimmungen über bestimmte Maßnahmen oder anderen Konsortialbestimmungen kaum mehr akzeptiert. Auch Freibeträge und Ausnahmen von Auflagen werden ohne konkret begründbaren Anlass nicht mehr ohne Weiteres gewährt.- Erschweren die teils kreativen Strukturen der Vergangenheit neue Finanzierungsschritte?Die Kreditbedingungen bis Mitte 2007 waren nicht nur lockerer, als sie es heute sind. Auch waren die Strukturen vieler Kredite komplexer. Nicht selten gab es neben den Senior-Krediten auch mehrere nachrangige Tranchen von Second-Lien-, Mezzanine-, PIK-Darlehen oder Genussscheinen. Komplexe Finanzierungsstrukturen erschweren aber eine Einigung der Gläubiger in Krisensituationen – das wird vielfach bei aktuellen Restrukturierungen deutlich. Nicht zuletzt deshalb ist inzwischen zunehmend eine Rückkehr zu einfacheren, traditionellen Strukturen zu beobachten. Komplexe Finanzierungsstrukturen können deshalb für Unternehmen insbesondere bei zusätzlichem Kapitalbedarf einen Nachteil bedeuten.- Rechnen Sie mit einer weiteren Verschärfung der Finanzierungsbedingungen?Bislang ist die Verteuerung der Kredite bei den Unternehmen vielfach noch gar nicht angekommen, weil die Erhöhung der Margen durch einen gesunkenen Euribor aufgefangen wurde. Auch haben sich durch die Zwölf-Monats-Betrachtung die Veränderungen seit Lehman bei der Berechnung der Finanzkennzahlen erst teilweise ausgewirkt. Nach den Ergebnissen einer Umfrage der KfW Bankengruppe Anfang Februar 2009 unter den führenden Wirtschaftsverbänden ist zu erwarten, dass sich die Finanzierungsbedingungen in den kommenden Monaten weiter verschlechtern werden. Auch der Umstand, dass sich in der aktuellen Finanzmarktkrise viele Auslandsbanken auf ihren Heimatmarkt zurückgezogen haben und viele deutsche Banken mit Fusions- oder Restrukturierungsaufgaben beschäftigt sind, wird das Angebot am Kreditmarkt auf absehbare Zeit einschränken.—-Winfried M. Carli, LL.M., ist Partner bei Shearman & Sterling in München.Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.